Personalrochade in der ÖVP: Ein Superressort für Kocher, neue Aufgaben für Brunner

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Vor dem Parteitag am Samstag wird in den ÖVP-Ministerien umgebaut
Wien Einen Tag nach den zwei Rücktritten im Regierungsteam präsentierte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) drei neue Gesichter. Zudem werden Umstrukturierungen vorgenommen, die zum Teil nicht unumstritten sind. Besonders in den Bereichen Arbeit, Wirtschaft und Landwirtschaft warten große Herausforderungen angesichts der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der Teuerungswelle.
Eingangs sprach Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) den scheidenden Ministerinnen Elisabeth Köstinger (Landwirtschaft) und Margarete Schramböck (Arbeit) „ein großes Danke und meine Anerkennung“ aus. Die zwei Frauen seien großen Anfeindungen und Spott ausgesetzt gewesen.
Wirtschaft und Arbeit fusioniert
Die größte Aufwertung erhält das Ressort von ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher, er erhält zusätzlich die Wirtschaftsagenden. Bislang wurde eine Fusion dieser Ressorts meist unter dem Argument vermieden, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber oft konträre Interessen verfolgen. Von 2000 bis 2008 gab es das letzte Mal ein Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, gebildet unter der Regierung von Wolfgang Schüssel (ÖVP) und anschließend noch unter der Regierung von Alfred Gusenbauer (SPÖ). Mit Antritt der Bundesregierung Faymann I im Jahr 2008 wurden die beiden Aspekte wieder getrennt.
“Die Interessen gehen im Grunde genommen in verschiedene Richtungen”, sagt Hubert Hämmerle, Präsident der Arbeiterkammer Vorarlberg den VN. Deshalb wäre es aus seiner Sicht besser, wenn das Arbeitsministerium als eigenständiges Ressort erhalten geblieben wäre. “Auch die Wertschätzung für die Arbeitnehmer geht damit verloren. Für die 150.000 Bauern gibt es ein eigenes Ministerium, aber für die große Anzahl der Arbeitnehmer keines. Das ist eine schlechte Entwicklung”, so Hämmerle.
Kocher sei als Arbeitsminister schon bislang nicht für Arbeitnehmernähe aufgefallen, kritisiert der AK-Präsident. Das werde mit der Zusammenlegung von Wirtschaft und Arbeit wahrscheinlich noch schlechter.
Tourismus wandert
In Kochers Ministerium wird weiters die neue Staatssekretärin für Tourismus angesiedelt werden: Susanne Kraus-Winkler. Sie ist derzeit Obfrau des Fachverbands Hotellerie in der Wirtschaftskammer. Der Tourismus werde großteils föderalistisch organisiert und liege in den Bundesländern, sagt Oliver Fritz, Experte für Tourismus am Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Weitere Themen sind die Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit, Arbeitskräftemangel oder Massentourismus. “Der Tourismus war bis Ausbruch der Pandemie sehr erfolgreich. der Trend zeigt im Moment aber wieder nach oben”, so Fritz. Die Anbieter im Tourismus würden zudem aufgrund der Inflation nicht umhin kommen, die Preise zu erhöhen. “Die Leute werden beim Urlaub zurückhaltender sein”, sagt der Experte.
Die Zivildienstagenden wandern ins Bundeskanzleramt, wo sie von Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm betreut werden sollen. Zusätzlich wird sich auch das Thema Ehrenamt inhaltlich übernehmen und “damit der Spiegel zu Sozialminister Rauch in der Regierung sein”, heißt es aus dem Büro von Plakolm. Zudem soll sie “die Klammer zwischen Bildungs- und Wirtschaftsressort beim Thema Lehre bilden”.
Brunner bekommt Digital-Agenden
Die Agenden für Digitalisierung – bisher bei Ministerin Schramböck – wandern in das Finanzministerium zu Minister Magnus Brunner. Dort wird der neue Staatssekretär für Digitalisierung angesiedelt. Auch dieser kommt von der Tiroler Volkspartei: Florian Tursky, derzeit Büroleiter von Tirols Landeshauptmann Günther Platter.
Neuer Landwirtschaftsminister ist Norbert Totschnig. Der gebürtige Osttiroler ist derzeit Direktor des ÖVP-Bauernbundes und wurde von der Tiroler Volkspartei nominiert. Dass die Länder und Bünde bei der Personalauswahl mitgesprochen haben, streitet Nehammer ab. Totschnig sei seit vielen Jahren Direktor des Bauernbundes und es sei “nicht redlich”, ihm seine Tiroler Herkunft vorzuwerfen.
Parteitag am Samstag
Die Personalrochade kommt vor dem ÖVP-Parteitag am Samstag in Graz. Bundeskanzler Nehammer wird dort zum neuen Parteichef gekürt. Mit den neuen Personalien könnte er sein Profil schärfen und inhaltliche Pflöcke einschlagen. Laut Umfragen von Anfang Mai ist die Partei unter Kanzler Karl Nehammer mit nur noch rund 24 Prozent hinter die oppositionellen Sozialdemokraten zurückgefallen, die derzeit von 28 Prozent der Wähler unterstützt werden.