Sonntagsfrage: Ordentlicher Dämpfer für die Vorarlberger ÖVP

Die Wirtschaftsbund-Affäre macht sich bemerkbar, könnte aber vor allem die Zahl der Nichtwähler in die Höhe treiben.
Schwarzach Der Verlust ist ordentlich, aber noch keine Katastrophe für die ÖVP. Die Partei büßt in Vorarlberg zwar Zustimmung ein, wie eine von den VN beauftragte Gallup-Umfrage zeigt. Allerdings bleibt die Volkspartei die mit Abstand stärkste Kraft im Land.
Die verlorenen Wählerstimmen verteilen sich relativ gleichmäßig auf die anderen Parteien. Eine Regierung ohne ÖVP ist den jüngsten Werten zufolge weiterhin nicht möglich. „Die Wählerinnen und Wähler sind enttäuscht, aber man hat nicht das Gefühl, dass sie unbedingt mit einer anderen Partei weiterfahren wollen“, analysiert Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle.
Grüne büßen wenig ein
Wäre am Sonntag Landtagswahl würden 32 Prozent für die ÖVP stimmen, im April gaben 36 Prozent an, die Volkspartei zu unterstützen, bei der Wahl 2019 erreichte sie 43,5 Prozent. Die Oppositionsparteien bleiben relativ stabil zwischen zehn und 17 Prozent, die Grünen büßen nur wenig ein. Neu im Rennen ist die impfkritische Partei MFG.

Die Inseraten- und Steueraffäre rund um den Vorarlberger Wirtschaftsbund brachte in Vorarlberg einiges ins Wanken. Zum einen ermittelt die Finanz wegen nicht bezahlter Steuern in Millionenhöhe. Zum anderen sorgten nicht nachvollziehbare Geldflüsse für Aufregung, etwa intern vergebene Kredite oder als Spenden verbuchte Barbeträge, die offenbar nie gespendet worden sind. Gleichzeitig besteht der Verdacht der verdeckten Parteienfinanzierung über Inserateneinnahmen der ÖVP-Teilorganisation.
„Kann das nicht wegdiskutieren“
„Man kann das nicht wegdiskutieren“, hält Stainer-Hämmerle fest. Die wochenlangen Diskussionen würden sich in den Umfragen zeigen: zuerst die Inserate, dann die Rücktritte, immer wieder neue Entdeckungen. „Das macht was mit dem Vertrauen.“ Solange sich aber nicht abzeichne, dass eine andere Partei klar profitiert, sei das für die ÖVP nicht über aller Maßen besorgniserregend. In diesem Zusammenhang sei die Entwicklung der Wahlbeteiligung die interessant, hält die Politologin fest: „Wenn die Verdrossenheit hoch ist, profitieren neue Parteien, am stärksten aber wohl die Gruppe der Nichtwähler.“

Die Umfrageergebnisse zeigten, dass keiner anderen Partei die Nummer eins zugetraut wird. Das habe auch mit der Wählerstruktur zu tun, ebenfalls mit den Spitzenkandidaten, erläutert Stainer-Hämmerle: „Die Grünen haben ihren Generationenwechsel bereits vollzogen.“ Rund um die aktuelle Causa sei ihr Auftreten aber eher schwach. „In der SPÖ ist noch alles unklar.“ Auch die FPÖ sei von Ibiza und weiteren Diskussionen auf Bundesebene weiterhin beschädigt. Dass sich die Wählergunst deutlich verlagert, zeichnet sich aktuell nicht ab. In anderen Bundesländern wie Salzburg oder Kärnten hätte es solche Wechsel schon gegeben. „In Wien war Heinz-Christian Strache einmal Michael Häupl auf den Fersen.“ In Vorarlberg sieht Stainer-Hämmerle solche Entwicklungen noch nicht.
Keine Koalition gegen die ÖVP
Wallner sitzt also vorerst gut im Sattel. Auch das hat mehrere Gründe. Eine Koalition gegen ihn und seine ÖVP ginge sich trotz Verlusten kaum aus. Gleichzeitig würde weder der wichtigste Bund – der Wirtschaftsbund – gegen den Parteichef opponieren, noch große Wirtschaftstreibende oder Bürgermeister. Sie alle steckten in der Causa irgendwie mit drinnen, hält Stainer-Hämmerle fest. Bekanntlich erhielten etwa zahlreiche Ortsgruppen tausende Euro der Teilorganisation. Gleichzeitig habe Wallner erste Maßnahmen gesetzt. Seine ÖVP schickte mit den Grünen ein Transparenzgesetz in Begutachtung. Neue Regeln für Unternehmen mit Landesbeteiligung sind in Ausarbeitung. Es gab Rücktritte und das Kaffeegeld des Wirtschaftsbundes an das Büro von Wirtschaftslandesrat Marco Tittler wurde gestrichen. Dass Markus Wallner nichts gewusst hat, schließt Stainer-Hämmerle aus. Er habe selbst gesagt, dass er zu lange zugeschaut hat. Wenn gewisse Dinge so lange, so systematisch passieren, müsse man diese sehen.