VN-Interview: Bundesratspräsidentin will Prüfberichte über den Wirtschaftsbund abwarten

Politik / 26.06.2022 • 13:00 Uhr / 14 Minuten Lesezeit
Christine Schwarz-Fuchs im Gespräch. <span class="copyright">Parlamentsdirektion/Thomas Topf</span>
Christine Schwarz-Fuchs im Gespräch. Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Die Lustenauerin Christine Schwarz-Fuchs war seit dem Jahreswechsel für ein halbes Jahr Präsidentin der Länderkammer. Diese hat genügend Kompetenzen für einen starken Föderalismus, sagt sie.

Wien, Bregenz Schwarz-Fuchs sitzt seit 2020 im Bundesrat und im Landesparteivorstand der Vorarlberger Volkspartei, 2019 wurde sie außerdem stellvertretende Obfrau im Vorarlberger Wirtschaftsbund. Anlässlich des Endes ihrer Amtszeit als Präsidentin Ende Juni sprach sie mit den Vorarlberger Nachrichten im Interview über den Föderalismus und die Stellung des Bundesrats, über die ländlichen Regionen in Österreich und über die aktuelle Situation in der Vorarlberger ÖVP.

VN-Interview: Bundesratspräsidentin will Prüfberichte über den Wirtschaftsbund abwarten
Im Juni war der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk (r.) im Parlament zu Gast. Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Frau Bundesratspräsidentin, wie lebt es sich denn für sechs Monate in diesem Amt, mit Auslandsreisen, Dienstwagen und allem, was dazugehört?

Schwarz-Fuchs: Es lebt sich damit, dass man natürlich sehr viel zu tun und sehr viele Termine hat. Ich habe mir für die sechs Monate mit der Zukunft dezentraler Lebensräume auch einen Schwerpunkt gesetzt. Österreich braucht wirtschaftliche starke Regionen, in denen Menschen leben wollen. Den Tendenzen von Landflucht wollen wir entgegentreten, sodass die Regionen nicht aussterben. Deshalb war es ein Ziel der Reisen, die ich gemacht habe, von verschiedenen Beispielen zu lernen – zum Beispiel in den USA.

Welche Punkte drängen sich hier auf?

Schwarz-Fuchs: Sehr wichtig ist der Breitbandausbau bis in die entlegensten Regionen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es trifft gerade junge Frauen mit guter Ausbildung, wenn es in den Regionen wenig Elementarpädagogik gibt. Auch wenn es natürlich nicht nur ein Frauenthema sein soll, was es leider noch zu häufig ist, sondern auch für die Väter.

Gibt es im Bund genügend Bewusstsein für die Situation in ländlichen Regionen?

Schwarz-Fuchs: Zumindest betrifft die Situation alle Ministerien, in denen ich war. Zum Beispiel auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Für sie ist der Fachkräftemangel ebenfalls ein großes Thema. Auch das ist ein Vereinbarkeitsthema auf der einen Seite und der guten Ausbildung junger Kinder auf der anderen Seite. Wenn wir damit nicht jetzt beginnen, wird das Thema in zukünftigen Generationen noch viel größer.

Zum Thema gab es Anfang Juni eine parlamentarische Enquete, bei der WIFO-Chef Gabriel Felbermayr die Frage in den Raum gestellt hat, ob der Föderalismus für diese Aufgaben überhaupt modern genug ist. Haben die Länder genügend Möglichkeiten?

Schwarz-Fuchs: Auf jeden Fall. Die Frage bei manchen Themen – auch bei der Kinderbildung – ist sicher, ob es so einen Fleckerlteppich braucht, weil das in jedem Bundesland einzeln organisiert wird. Da wäre manchmal wünschenswert, wenn sich die Länder mehr absprechen würden. In manchen Bundesländern gibt es die Möglichkeit für betriebliche Tageseltern, in anderen nicht. Oder in den einen wird eine bestimmte elementarpädagogische Ausbildung akzeptiert, in anderen nicht. An sich ist der Föderalismus aber sehr wichtig, weil bei den Entscheidungen möglichst viele Akteure mit einbezogen werden.

Als Argument gegen solch einen Fleckerlteppich wird immer wieder vorgeschlagen, den Bundesrat mit Entsandten aus den Landesregierungen zu besetzen, um für einen größeren Austausch zu sorgen. Wäre das eine Möglichkeit, den Bundesrat zu stärken?

Schwarz-Fuchs: Ich finde, dass der Bundesrat sehr gut aufgestellt ist, so wie er jetzt ist, weil wir Expertise aus unseren verschiedenen Jobs mitbringen. Wir sind keine Vollzeitpolitiker und das ist gut so, weil wir bereits in der Gesetzgebung unsere Perspektiven mit einbringen können. Die Gesetze entstehen ja, bevor wir im Bundesratsplenum darüber diskutieren, deshalb können wir uns in Klubsitzungen und Ausschüssen mit unseren unterschiedlichen Hintergründen einbringen. Wir kommen aus der Wirtschaft, wir haben Lehrer unter uns – das macht den Bundesrat aus.

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Christine Schwarz-Fuchs war mit Abgeordnetem Reinhold Lopatka und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka während ihrer Amtszeit in Indien zu Gast (v.r.n.l.).Parlamentsdirektion/Ravi Batra

Wie lief das im vergangenen halben Jahr mit Ihrer Druckerei in Lustenau und dem Amt als Bundesratspräsidentin?

Schwarz-Fuchs: Ich habe ein sehr gutes Team in der Druckerei, auf das ich mich gut verlassen kann und war natürlich jederzeit erreichbar.

Der Bundesrat hat in dieser Legislaturperiode nur sechs Einsprüche gegen Gesetze eingebracht, braucht er mehr Mitwirkungsrechte?

Schwarz-Fuchs: Wie bereits gesagt, bringen wir uns eigentlich schon ein, während die Gesetze entstehen, also im Vorfeld. Wenn man dann im Plenum darüber abstimmt, muss man keinen Einspruch mehr einlegen – dann ist es eh zu spät.

Der Föderalismus war während der Pandemie sehr aktiv, zum Beispiel bei unterschiedlichen Maßnahmen pro Bundesland. Hat er sich bewährt?

Schwarz-Fuchs: Ja, sehr, weil man wirklich in den Ländern die einzelnen Maßnahmen organisieren konnte, wie sie vor Ort gebraucht wurden. Immer wieder hatten wir betont, wie wichtig das ist, weil man Akteure vor Ort einbeziehen und rasch auf neue Gegebenheiten reagieren konnte.

Sie haben die Reisen in die USA angesprochen, ein bekanntermaßen sehr föderalistisch organisiertes Land. Haben Sie von dort Anregungen für Österreich mitgenommen?

Schwarz-Fuchs: Verschiedene Aspekte, was wir tun oder nicht tun sollen, um die Regionen zu stärken. Das ist uns als Bundesrat sehr wichtig, weil wir eben aus den Regionen nach Wien entsandt werden und diese vertreten sollen. Wir sind in Österreich aber auf einem guten Weg, das sieht man auch im internationalen Vergleich.

Was der Bund direkt machen könnte, um Regionen zu stärken, wäre die Auslagerung von Behörden in die Länder. Dieses Vorhaben ist etwas eingeschlafen. Warum?

Schwarz-Fuchs: Das passiert und wird in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler besprochen. Die Pandemie hat aber natürlich einige Schwerpunkte verlagert, außerdem ist die Ukraine-Russland-Krise dazugekommen. Natürlich müssen wir uns auf die akutesten Ereignisse konzentrieren. Damit konnten wir vor zwei Jahren nicht rechnen, als diese Arbeitsgruppe wiederbelebt wurde.

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Eine Dienstreise zur Zukunft der ländlichen Regionen führte Schwarz-Fuchs mit einer Delegation des Bundesrats in die Vereinigten Staaten. Parlamentsdirektion/Vanessa Steiner

In der Arbeitsgruppe dürfte auch das Informationsfreiheitsgesetz Thema sein. Dessen Verzögerung begründet Ministerin Edtstadler immer wieder mit einer Blockade der Länder. Ist das für das 21. Jahrhundert nicht ein Armutszeugnis?

Schwarz-Fuchs: Ich glaube nicht, dass es bei diesem Gesetz auf eine Mehrheit im Bundesrat ankommen würde, es ist noch nicht einmal bei uns. Es sind noch einige Themen und Bedenken von Bürgermeistern offen, aber da ist man dran – es ist nur noch nicht spruchreif.

Der Entwurf liegt nur seit einem Jahr bei der Ministerin.

Schwarz-Fuchs: Ja, aber daran wird weiter gearbeitet, soweit ich weiß.

Wenn wir auf eine Dezentralisierung der Verwaltung zu sprechen kommen: Gibt es Themen, bei denen Sie sich mehr Kompetenzen in den Ländern wünschen würden, die man abgeben könnte?

Schwarz-Fuchs: Zwar keine Kompetenzen direkt, aber ich könnte mir vorstellen, dass eine Bundesstelle, wie jene für die Wildbachverbauung, besser in Tirol oder Vorarlberg angesiedelt wäre. Das ist eine Möglichkeit, dass gut qualifizierte Arbeitskräfte, die in diesen Bereichen eine spannende Aufgabe machen möchten, nicht nach Wien abwandern.

Aus Vorarlberg wird immer wieder gefordert, Volksabstimmungen gegen den Willen der Gemeindevertretung wieder zuzulassen. Auch das sollen einige Länder blockieren, ist in der Hinsicht etwas zu erwarten?

Schwarz-Fuchs: Dass das in Vorarlberg alle Fraktionen wollen, ist Fakt, dazu gibt es auch Landtagsbeschlüsse. Für eine vertiefte Prüfung, ob man das wieder implementieren könnte, ist der Verfassungsdienst beauftragt worden. Alle anderen Bundesländer kannten dieses Instrument in dieser Form noch nicht, das muss auch erst wachsen, die müssen mitgenommen werden. Und dass das schnell möglich ist, ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar.

In der Pandemie wurden die Landeshauptleute als viel stärkere Vertretung der Länder als der Bundesrat wahrgenommen, wie ging es Ihnen damit?

Schwarz-Fuchs: Während der Pandemie war der Föderalismus sehr wichtig, da waren die Landeshauptleute in den Ländern natürlich an oberster Stelle. Deshalb war es klar, dass sie in einem Krisenmodus schnell zusammenkommen, um schnell zu entscheiden. Wir als Bundesrat sind vor allem dafür zuständig, dass keine Gesetze beschlossen werden, die den Ländern schaden könnten.

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Sie sind selbst Geschäftsführerin in Lustenau, was für einen Werbewert hätte ein Inserat in der Zeitung des Wirtschaftsbunds denn für Ihre Druckerei gehabt?

Schwarz-Fuchs: Inserate in der Wirtschaftsbundzeitung hatten generell sicher einen hohen Werbewert. Viele Firmen haben diese Zeitung gelesen, für Geschäfte mit anderen Unternehmen war das also hilfreich.

Der Rechnungshof hat die Zeitung in einer aktuellen Erklärung wegen mutmaßlich illegaler bzw. nicht ausgewiesener Parteispenden kritisiert. Warum hat es die ÖVP bis heute nicht geschafft, alle Vorwürfe aufzuklären?

Schwarz-Fuchs: Zuerst müssen wir einmal abwarten, was bei allen Prüfungen herauskommt. Der Rechnungshof macht zum Beispiel andere Angaben als das Finanzamt. Deshalb schauen wir, was herauskommt und erst daraus werden wir dann weitere Maßnahmen ableiten.

Aber die Entschuldigung, wonach man bestimmte steuerrechtliche Feinheiten nicht kannte, wäre doch in keinem Unternehmen akzeptiert worden. Arbeitet man da nicht mit zweierlei Maß?

Schwarz-Fuchs: Wie gesagt: Wir müssen die Prüfberichte abwarten. Offenbar kann man Sachen so oder so auslegen. Dass es so lange dauert, zeigt sowieso, dass es ein sehr diffiziles Thema ist. Deswegen kann man erst Stellung beziehen, wenn die Ergebnisse da sind. Und dann in Zukunft danach vorgehen.

Sollten die Prüfungen zeigen, dass bewusst falsche Angaben gemacht wurden, bräuchte es dann personelle Konsequenzen? Wie könnte eine Partei das aufarbeiten?

Schwarz-Fuchs: Eine Was-Wäre-Wenn-Frage ist jetzt schwierig zu beantworten. Wie gesagt: Wir warten die Prüfberichte ab.

Ist das Bild, das die Partei bis jetzt abgegeben hat, der ÖVP aber überhaupt würdig?

Schwarz-Fuchs: Wir müssen die Prüfungen abwarten, damit wir wissen, was Fakt ist und was Tatsache ist und dann kann man gezielt Stellung beziehen.

Die ÖVP betont oft, volle Aufklärung und volle Transparenz zu wollen. Bei ersten Anträgen zu einer Reform der Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse auf Landesebene sträubte sich Ihre Partei aber noch. Wie passt das zusammen?

Schwarz-Fuchs: Wir wollen eine lückenlose Aufklärung, aber wie gesagt: Die Prüfung läuft. Neben dem Finanzamt prüfen mit der BDO auch unabhängige, österreichweite Wirtschaftsprüfer. Und jetzt warten wir darauf, was da herauskommt.

Und dass die BDO in der Wirtschaftsbundzeitung inseriert hat, ist kein Problem?

Schwarz-Fuchs: Das Inserat kam von der BDO Vorarlberg, die Prüfung wird aber von der BDO in Wien durchgeführt werden. Da wollte man jemanden ohne Beziehungen nach Vorarlberg, damit unabhängig geprüft werden kann. Auf den Bericht, der Anfang bis Mitte Juli fertig sein soll, warten wir jetzt. Dann können wir weitere Maßnahmen ableiten.

Sie sind selbst Vorstandsmitglied im Vorarlberger Wirtschaftsbund und Lustenauerin. Können Sie sich noch erklären, wie Zuwendungen von 67.000 Euro an die Ortsgruppen zustande gekommen sind? Wofür braucht eine Ortsgruppe dieses Geld?

Schwarz-Fuchs: Ich habe keinen Einblick in die einzelnen Ortsparteien. Nochmal: Wir müssen die Prüfungen abwarten und auch abwarten, was man für die Zukunft empfiehlt.

Darauf sind wir gespannt. Dankeschön.

Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Zur Person

Christine Schwarz-Fuchs

geboren am 29. Juni 1974 in Bregenz. Seit Jänner 2020 Bundesrätin, zwischen Jänner 2022 und Juni 2022 turnusmäßige Präsidentin der Länderkammer.

ÖVP Vorarlberg: Mitglied von Präsidium und Vorstand, seit 2020

Wirtschaftsbund Vorarlberg: Landesgruppenobmann-Stellverteterin, seit 2019

Industriellenvereinigung Vorarlberg: Vizepräsidentin, seit 2019

Buchdruckerei Lustenau: Geschäftsführerin