Mut statt Gießkanne
Bund und Länder schütten das Füllhorn über Österreich aus. 28 Milliarden wurden von den Regierungsparteien angekündigt, fünf Milliarden noch heuer an Soforthilfen für mehr oder weniger jedermann und jedefrau. Direktzahlungen hier, Gutscheine dort, Steuerentlastung und Gebührenverschiebung. Zusätzlich überbieten sich nun die Bundesländer mit ihren Antiteuerung-Paketen. Kärnten übernimmt die Kosten für Kinderbetreuung und zahlt an 50.000 Personen einen Kärnten-Bonus, in Niederösterreich bekommen Schulkinder und Lehrlinge eine Einmalzahlung von 150 Euro, Salzburg verteilt die Dividendenausschüttung der Salzburg AG als Heiz- und Stromkostenzuschuss, die Steiermark kündigt ebenso einen Bonus an, das Burgenland einen Fonds für die Umverteilung von der Energiewirtschaft zur Bevölkerung mit Erhöhung des Heizkostenzuschusses, Wien verteilt 130 Millionen für Energiebonus an zwei Drittel der Haushalte, Vorarlberg erhöht die Wohnbeihilfe, Familien- und Heizkostenzuschuss. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis diese Abart des Föderalismus in einer österreichweiten Neiddebatte endet.
Einen Teil dieses „Besänftigungsgeldes“ zahlen die Energieversorger mit ihren unerwarteten Gewinnen jetzt, den anderen Teil die Steuerzahler irgendwann in der Zukunft. Selbst wer glaubt, dass Geld nur bedrucktes Papier oder Ziffern am Bankauszug sind, muss aber an der Mutlosigkeit der Politik verzweifeln. Inflation, Energiekrise, ungleiche Chancenverteilung, Alterung in der Gesellschaft, steigende Temperaturen erfordern Reformen, nicht finanzielle Placebos. Doch die Politik verfolgt lieber die kurzsichtige Strategie der prinzipiellen Diskussionsverweigerung.
Die Politik verfolgt lieber die kurzsichtige Strategie der prinzipiellen Diskussionsverweigerung.
Nachdenken über die Aufgaben des Bundesheers, Kern und Wesen der Neutralität, Schutz der äußeren Sicherheit? Nicht notwendig, meint Bundeskanzler Karl Nehammer. Gemeinsame Schule für alle? Ungeachtet der horrenden Kosten für Nachhilfe und Vererbung von Bildung reichen Bildungsminister Martin Polaschek punktuelle Verbesserungen mit dem bemerkenswerten Nachsatz, dass Grundsatzdiskussionen nichts brächten. Die Bemühungen um eine europäische Antwort auf die Migration? Eine solidarische Lösung kommt für Innenminister Gerhard Karner nicht in Frage, stattdessen lenkt er mit der menschenrechtswidrigen Idee von Asylzentren in Afrika ab. Die höchsten Infektionen während eines Pandemiesommers beunruhigen Gesundheitsminister Johannes Rauch scheinbar ebenso wenig wie die beinahe täglich stattfindenden Femizide Frauenministerin Susanne Raab.
Die österreichische Krisenbewältigung auf den Punkt gebracht hat der Karikaturist Gerhard Haderer mit der Beschreibung des dreistufigen Notfallplans Gas. Stufe 1: ÖHA! Stufe 2: UIUIUI! Stufe 3: Do hamma den Schas. Dem ist im Grunde nicht viel hinzuzufügen. Leider lässt sich nicht alles mit Geld kaufen. Mut zum Beispiel.
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