Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Verbockt Bregenz nicht!

Politik / 29.06.2022 • 19:15 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Die Klause ist seit Jahrhunderten Fluch und Segen: sie war, wie wir aus der Geschichte wissen, militärisch bedeutsam. Während der vergangenen 500 Jahre war die Klause für Schweden, Franzosen und Nazis Kriegsschauplatz: Alle mussten an der Engstelle zwischen See und Berg durch. Heute ist das ähnlich, wie Anwohner, Schwimmer, Radfahrer, Fußgänger, Auto- und Bahnfahrer wissen. Und die Klause auf Lochauer Gemeindegebiet definiert, wie sehr ein paar Hundert Meter weiter vorne die Landeshauptstadt durch Schienenstränge und Straßen vom Verkehr getrennt ist. Die Engstelle zwischen See und Berg ist nicht nur für Verkehrsplaner ein sehr herausfordernder Ort.

„Es geht um Bregenz, den Bodensee und in weiterer Folge um das ganze Rheintal und seine Bewohner.“

Mit Infrastruktur können über Jahrzehnte, teils über Jahrhunderte quasi unverrückbare Fakten geschaffen werden. Die ÖBB ist der Schlüssel zur Infrastruktur in und um Bregenz, im Personen- wie Güterverkehr. Fakt ist, dass die Bahn wächst. Dass die Bahn auch in und um Bregenz wachsen muss, damit wir im internationalen Gefüge nicht zurückgelassen, oder noch schlimmer: umfahren werden.

Was will Vorarlberg genau? Schwierig zu sagen. Fakt ist, dass der Bregenzer Bürgermeister Michael Ritsch kurz nach seiner Wahl den Bregenzer Bahnhof so adaptieren hat lassen, dass er möglichst ergebnisoffen geplant ist. Man will ihn, er soll oberirdisch und dereinst vielleicht auch unterirdisch funktionieren. Die ÖBB soll ihn bitte nicht absagen. Was genau rund um den Bahnhof passiert? Viele Bälle in der Luft. Werden sie nicht auf den Boden geholt, bleibt der Bahnhof mit Ostblockcharme. Zu diesem Angstkonstrukt ist nun ein weiteres hinzugekommen.

Was für Bregenz gilt, gilt für Vorarlberg: zusätzliche Kapazitäten, darunter vor allem auch das dritte Gleis im Rheintal, ist Garant für 24 Stunden Güterverkehr in zahllosen Wohngebieten. Das den VN zugespielte Geheimpapier der ÖBB spricht aus, was Verkehrsplaner und Anrainer ohnedies schon ahnten. Für die ÖBB ist es am günstigsten und am empfehlenswertesten, die weiteren Gleise oberirdisch zu verlegen. Vorgärten oder Wohnblocks zu schleifen – oder, wie in Bregenz möglich – den frisch verbreiterten Radweg mit einem Gleisstrang zu versehen. Tunnellösung? Nur im Traum. Die Bahnministerin Leonore Gewessler bekennt sich ebensowenig zur Bahntunnellösung, wie es auch von der Landesregierung, also ÖVP und Grünen, kein klares Bekenntnis dazu gibt. Bisher war das ein Kampf von Anrainern, dann von Bürgermeister Ritsch, nun von einem überparteilichen Bürgermeisterverbund aus der Unterland. Wer eine andere Lösung als ein zweites Gleis will, muss sich jetzt klar äußern.

Die Gefahr liegt wie in Bregenz seit jeher im nicht abgestimmten Vorgehen zwischen Rat- und Landhaus. Es geht nicht um kurzfristige parteipolitische Erfolge für ÖVP, Grüne oder (Stadt-)SPÖ. Auch wenn Vorarlberg politisch abgelenkt ist und war und die ÖVP sehr mit sich selbst beschäftigt ist: Es geht um Bregenz, um den Bodensee und in weiterer Folge um das ganze Rheintal und seine Bewohner.

Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.