Das sagen Tierschützer zum Spaltbodenende in der Schweinehaltung

Die lange Übergangsfrist für das Aus der tierquälerischen Haltungsform sorgt für Kritik.
Wien Das gesunde Schwein, das gut gelaunt über saftige Wiesen läuft, findet man fast nur in der Werbung. Weniger als ein Prozent dieser Tiere werden draußen gehalten. Rund 60 Prozent der Schweine fristet die Zeit auf Vollspaltböden. Mindestens 90 Prozent haben dadurch Verletzungen oder Krankheiten.
Vollspaltböden sind jedoch erst vor wenigen Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Dabei liegt Österreich beim Verzehr von Schweinefleisch im europäischen Spitzenfeld: Der durchschnittliche Österreicher isst etwa 60,5 Kilo Fleisch pro Jahr, mehr als die Hälfte davon ist Schweinefleisch. Nun sollen die Vollspaltenböden abgeschafft werden. Die lange Übergangsfrist sorgt für Kritik.
Tierschutzminister Johannes Rauch (Grüne) und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) sprachen von einer “Wende in der Schweinehaltung”. Das Ende der Vollspaltenböden kommt in zwei Etappen: Ab dem kommenden Jahr sind sie bei Neubauten und Umbauten von Ställen verboten. Endgültig abgeschafft werden sie aber erst mit Ende 2039. Bis dahin müssen alle Ställe auf eine neue Haltungsform umgebaut werden, die noch nicht im Detail feststeht. Die neuen gesetzlichen Grundlagen sollen noch im Juli 2022 im Parlament beschlossen werden.
15 bis 20 Prozent sterben verfrüht
Noch vor wenigen Jahren hätte kaum jemand gewusst, wie Schweine überhaupt gehalten werden, sagt Ann-Kathrin Freude vom Verein gegen Tierfabriken (VGT) in Vorarlberg. Das Verbot nennt Freude einen “Riesenerfolg”. Dass es hingegen noch 18 Jahre dauert, bis Vollspaltböden endgültig aus der Schweinehaltung verbannt werden, kritisiert die VGT-Aktivistin: “Das bedeutet, dass noch Millionen Schweine dieses Leben durchleiden müssen.” In Zahlen ausgedrückt: Aufgrund der Haltung auf Vollspaltböden sterben 15 bis 20 Prozent der Schweine verfrüht, informiert Freude. Die Todesrate sei dreimal so hoch wie bei der Haltung mit Stroh. 95 Prozent haben entzündete Gelenke.

Freude erklärt, was aus Sicht des VGT ein “absolutes Mindestmaß” der neuen Haltungsform ist: “Wir sagen immer Schweine seien dreckige Tiere. Aber das stimmt nicht. Sie wollen einen eigenen Bereich für die Toilette, einen Wohnbereich und einen tief mit Stroh eingestreuten Bereich, in dem sie sich Nester zum Schlafen bauen können.” In der Schweiz gebe es bereits einen viel höheren Mindeststandard mit Auslauf bei Neubauten: “Das ist gerade für Vorarlberg bezeichnend, dass es ein paar Meter über der Grenze einen Mindeststandard gibt, den wir nicht einmal als Normalstandard haben.”
Totschnig betont steigende Preise
Das Tierwohlpaket sei lange und intensiv in Abstimmung mit den betroffenen Branchen verhandelt worden. “Gerade in Zeiten der Teuerung müssen Schritte der Weiterentwicklung behutsam gesetzt werden, um heimische Produktionsketten nicht zu gefährden und keinen weiteren Teuerungsschub auszulösen”, so der Landwirtschaftsminister. Dem Konsumenten müsse klar sein, dass Tierwohl seinen Preis habe.
Vier Pfoten: Österreicher wollen keine Vollspaltenböden
Eva Rosenberger von Vier Pfoten begrüßt, dass die Politik auf die Wünsche der Österreicherinnen und Österreicher reagiert hat: “Gerade erst haben sich bei unserer aktuellen Online-Umfrage 91 Prozent für ein generelles Vollspaltenverbot in der Schweine- und Rinderhaltung ausgesprochen.” Auch wenn Rosenberger den Ministern Anerkennung zollt, spricht auch sie aufgrund der langen Übergangsfrist von einem Wermutstropfen. Sie erinnert zudem daran, dass das Verbot nicht auch für Mastrinder gilt, die ebenso ihr Leben auf diesen Böden fristen müssen. “Ebenso sind wir enttäuscht, dass kein Ausstieg aus dem betäubungslosen Kastrieren männlicher Ferkel gesetzlich geregelt wurde.”
“Fast alle Erfolge, die in Tierschutz erreicht wurden, haben lange Übergangsfristen. Das war zu erwarten. Das ist leider nicht schneller durchzusetzen gegenüber der ÖVP”, ergänzt Ann-Kathrin Freude. Wichtig sei nun auf Gastronomie und Handel zuzugehen, damit diese “am besten noch, bevor das Gesetz in Kraft tritt, diese Haltungssysteme aus den Regalen schmeißen und von den Tellern verbannen”.
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