Klimarat übergibt 90 Empfehlungen an die Politik

Politik / 04.07.2022 • 19:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Madeleine Stranziger ist Mitglied im Klimarat der Bürgerinnen und Bürger. Das vergangene halbe Jahr habe ihr die Augen geöffnet, was in der Welt los ist.  <span class="copyright">APA</span>
Madeleine Stranziger ist Mitglied im Klimarat der Bürgerinnen und Bürger. Das vergangene halbe Jahr habe ihr die Augen geöffnet, was in der Welt los ist. APA

100 zufällig ausgewählte Menschen haben einen Klimaschutzkatalog erarbeitet, der Österreich verändern könnte – wenn die Politik mitspielt.

Wien Treffen sich ein Küchenchef , ein Landwirt, eine Maturantin, eine Großmutter, ein Rauchfangkehrer und eine Hausfrau und entwerfen einen detaillierten Katalog zur Rettung der Welt. So geschehen in Österreich mit dem Klimarat der Bürgerinnen und Bürger. Die 100 zufällig ausgewählten Personen haben ihre Empfehlungen für die Politik für das Erreichen der Klimaneutralität bis 2040 am Montag der Regierung übergeben.

“Erkennen, was auf der Welt los ist”

90 Empfehlungen wurden es schließlich. Durch einen Diskussionsprozess an sechs Wochenenden entstanden Lösungen, die in der Bevölkerung auf große Akzeptanz treffen könnten. 15 Wissenschafterinnen und Wissenschafter und ein Moderationsteam begleiteten den Prozess. Einige zentrale Forderungen betreffen eine Verankerung des Grundrechts auf Klimaschutz, den Stopp der Bodenversiegelung, keine Subventionen mehr für fossile Energie und eine höhere CO2-Bepreisung. Zudem soll eine parteiunabhängige Klimakommission installiert und die Vernichtung von Neuware im Onlinehandel verboten werden. Hitzige Diskussionen habe es beim Thema Mobilität gegeben. Der Kompromiss lautet nun höhere Steuern für klimaschädliche Fahrzeuge, Tempo 90 auf Landstraßen und ein Neuzulassungsverbot von Verbrennern ab 2027 und eine Ökologisierung der Pendlerpauschale.

Madeleine Stranzinger aus Ried im Innkreis appellierte eindringlich: „Wir pflastern Österreich zu. Man muss kein Wissenschaftler sein, um zu wissen, dass sich das nicht ausgehen kann. Wenn wir so weitermachen, haben wir bald wunderschöne Häuser und Küchen, aber nichts mehr zu essen.“ Dass die 52-jährige zweifache Mutter für Klimaschutz argumentiert, hätte sie sich vor Beginn der Treffen im Jänner nicht gedacht, wie sie den VN erzählt: “Ich hatte original gar nichts mit Klimaschutz zu tun.” Sie führe ein “ausgesprochen durchschnittliches Leben”. Müll habe sie zwar immer getrennt, aber die drei Minuten zum Büro war sie mit dem alten Diesel gefahren. Auch über Flugreisen habe sie sich keine Gedanken gemacht. Heute fährt sie mit dem Fahrrad in die Arbeit und überredete auch ihren Mann dazu. “Der Mehrwert ist gigantisch. Ich fahre morgens durch einen Park, treffe den einen oder anderen und komme mit einem Lächeln in die Arbeit.”

Zu erfahren, “was in dieser Welt eigentlich los ist”, bezeichnet Stranzinger als persönlichen Lottogewinn. Die Artikel seien zwar in den Medien teilweise schon vorhanden, aber sie habe sie übersehen. “Wenn Rapid gegen Austria gespielt hat, war das vor einigen Jahren noch interessanter als ein Umweltartikel.” Stranzinger kann nur empfehlen, in ein Thema einzutauchen, das bislang fremd war. “Mit dieser Bürgerbeteiligung hat man die Möglichkeit, nicht nur das Kreuz bei der Wahl zu setzen, sondern aktiv mitzugestalten. Die Politikverdrossenheit kann man damit ein bisschen wegputzen.”

Bei ihrem 15-jährigen Sohn und ihrer elfjährigen Tochter beobachtet sich schon einen anderen Zugang, nicht zuletzt auch durch die Thematisierung in den Schulen. “Meine Kinder leben und denken vernünftiger. Klimaschutz ist für sie kein Fremdwort.”

Bevölkerung ist bereit für Klimaschutz

Die Bevölkerung würde beim Klimaschutz um Vieles weitergehen als angenommen, zog Koordinator und Glaziologe Georg Kaser ein optimistisches Resümee. Es dürfte aber nicht so einfach werden, zumindest mit dem türkisen Koalitionspartner. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte zwar bereits angekündigt, sämtliche Empfehlungen bis Herbst genau prüfen und einiges davon auch umsetzen zu wollen. VP-Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager bezeichnete das Gremium hingegen als “fahrlässige und untaugliche” PR-Aktion. Empfehlungen des Klimarats würden für ihn keine Relevanz haben.

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