ÖVP gegen Abtreibungen im Spital: “Möchten Mitarbeiter nicht verpflichten”

Politik / 06.07.2022 • 16:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Die Entscheidung für eine Schwangerschaft sollte im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten jeder Frau selbst obliegen. Der einzige Arzt, der in Vorarlberg Abtreibungen durchführt, steht vor der Pension. <span class="copyright">AP</span>
Die Entscheidung für eine Schwangerschaft sollte im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten jeder Frau selbst obliegen. Der einzige Arzt, der in Vorarlberg Abtreibungen durchführt, steht vor der Pension. AP

Vorarlberg hat nur eine Abtreibungsklinik, die in den kommenden Jahren schließen könnte. Ein Angebot in den Krankenhäusern schließen Landesstatthalterin und Gesundheitslandesrätin aus.

Schwarzach Es könnte ein Pensionsantritt mit weitreichenden Folgen werden. In den kommenden Jahren wird Dr. Hostenkamp seine Arbeit niederlegen und in Vorarlberg eine große Lücke hinterlassen. Er ist derzeit der Einzige im ganzen Land, der Abtreibungen durchführt. In Krankenhäusern gibt es keine Schwangerschaftsabbrüche– nur, wenn sie aus medizinischen Gründen notwendig sind. Vorarlberg gehört damit – neben Tirol und Burgenland – zur Minderheit in Österreich. Denn in sechs Bundesländern werden Abtreibungen im Spital angeboten. Die ÖVP verteidigt den Vorarlberger Weg, während SPÖ und Neos die Volkspartei dafür kritisieren. Sie werfen ihnen vor, Frauen im Stich zu lassen.

"Krankenhäuser sind dazu da, Leben zu retten und Gesundheit zu fördern", sagt Schöbi-Fink.
"Krankenhäuser sind dazu da, Leben zu retten und Gesundheit zu fördern", sagt Schöbi-Fink.

Gegen Pflicht für Mitarbeiter

Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink erinnerte im Studio von Vorarlberg LIVE unterdessen an eine vor Jahren geführte Debatte über mögliche Abtreibungen in Landeskliniken: „Wir wollten das nicht und wir wollen das nach wie vor nicht, weil Krankenhäuser zunächst einmal da sind, Leben zu retten und Gesundheit zu fördern“, erklärte sie. Parteikollegin und Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher stimmt auf VN-Nachfrage zu: „Schwangerschaftsabbrüche sind für Mitarbeitende und alle Beteiligten emotional schwierige Eingriffe. Das Thema ist heikel. Niemand möchte chirurgische Schwangerschaftsabbrüche gerne durchführen. Wir möchten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht dazu verpflichten, Abtreibungen vornehmen zu müssen. Ausgenommen davon sind Abtreibungen nach medizinischer Indikation“, betont Rüscher.

"Wir möchten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht dazu verpflichten, Abtreibungen vornehmen zu müssen", sagt Rüscher. <span class="copyright">VN</span>
"Wir möchten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht dazu verpflichten, Abtreibungen vornehmen zu müssen", sagt Rüscher. VN

Grundsätzlich steht in Österreich auf eine Abtreibung eine Freiheits- oder Geldstrafe, außer der Schwangerschaftsabbruch erfolgt innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft (Fristenregelung). Ebenso ist eine Abtreibung zu einem späteren Zeitpunkt erlaubt, wenn eine ernste Gefahr für die Schwangere besteht, sie jünger als 14 Jahre alt ist oder eine schwere geistige und körperliche Behinderung des Kindes zu erwarten ist. Die Kosten werden von der Sozialversicherung übernommen, wenn der Abbruch aus medizinischen Gründen notwendig ist.

„Landesregierung nicht zuständig“

Sowohl Rüscher als auch Schöbi-Fink betonen, dass sie auf eine Nachfolgelösung für das Angebot von Dr. Hostenkamp hoffen. „Da die Privatklinik in Bregenz kein selbstständiges Ambulatorium laut Spitalsgesetz ist, hat die Landesregierung aber keine Zuständigkeit hinsichtlich der Führung dieser Praxis“, hält die Gesundheitslandesrätin fest. Der Arzt habe sie aber informiert, dass er in den kommenden Jahren eine Übergabe anstrebe und seine Praxisräumlichkeiten zur Verfügung stellen würde. „Unser erstes Ziel ist, dass die Frauen nicht außerhalb von Vorarlberg ein Angebot annehmen müssen“, beteuert Schöbi-Fink. Das Angebot solle aber im niedergelassenen Bereich bleiben.

Die Fristenregelung stellen beide ÖVP-Politikerinnen nicht infrage: „Das ist eine Errungenschaft, von der niemand ernsthaft mit dem Gedanken spielt sie abzuschaffen“, meint die Gesundheitslandesrätin. Es sei wichtig, schwangere Frauen frühzeitig und bestmöglich zu unterstützen. In Vorarlberg gebe es dazu ein gutes Beratungsangebot, unter anderem beim Institut für Sozialdienste und bei „schwanger.li“.

Die ÖVP habe ein Problem mit dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen, sagt Gasser. <span class="copyright">VN</span>
Die ÖVP habe ein Problem mit dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen, sagt Gasser. VN

Zurück in die 70er

„Was bringt es den betroffenen Frauen, dass ihnen die Landesstatthalterin zusichert, die Fristenlösung stünde außer Frage, wenn es de facto keine langfristig abgesicherten Möglichkeiten für die Behandlung im Land gibt?“, reagiert Neos-Landtagsmandatar Johannes Gasser mit Unverständnis. Die Lösung dürfe nicht sein, dass Frauen aus Vorarlberg in Zukunft nach Tirol pendeln müssen. Der ÖVP unterstellt Gasser ein Problem mit dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen. 

Gabriele Sprickler-Falschlunger wirft der ÖVP vor, Frauen im Stich zu lassen. <span class="copyright">VN</span>
Gabriele Sprickler-Falschlunger wirft der ÖVP vor, Frauen im Stich zu lassen. VN

Ärztin und SPÖ-Chefin Gabriele Sprickler-Falschlunger warnt vor einem Rückfall in die 1970er-Jahre, als Frauen für den medizinischen Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs in die östlichen Bundesländer verreisen mussten. „Einmal mehr lässt die sogenannte ‚Volkspartei‘ die Frauen damit im Stich.“ Irritiert zeigt sich die Sozialdemokratin von der Aussage, wonach es keine Abtreibung in Krankenhäusern gebe, da die Spitäler Leben retten und Gesundheit fördern. „In den meisten Landeskrankenhäusern sind Schwangerschaftsabbrüche möglich. Unterstellt die Landesstatthalterin diesen Medizinerinnen und Medizinern ernsthaft einen Bruch des hippokratischen Eides?“ Die SPÖ-Obfrau stellt fest, dass alleine die ÖVP die Verantwortung für die aktuelle Situation trägt. Die Partei habe zudem jahrzehntelang dabei zugeschaut, wie radikale Abtreibungsgegner Patientinnen und den Arzt tyrannisiert haben. „Gegen eine Bannmeile hat sich die ÖVP vehement gewehrt.“ Die Selbstbestimmungsrechte von Frauen dürften nicht der ideologischen Mottenkiste der ÖVP geopfert werden.

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