Proteste in Sri Lanka: Präsident Rajapaksa tritt zurück

Nach anhaltenden Protesten gegen die schwere Wirtschaftskrise in Sri Lanka hat Staatspräsident Gotabaya Rajapaksa seinen Rücktritt angekündigt. “Um einen friedlichen Übergang zu gewährleisten, erklärte der Präsident, er werde am 13. Juli zurücktreten”, sagte Parlamentspräsident Mahinda Abeywardana am Samstag in einer Fernsehansprache. Rajapaksa war aus dem Präsidentenpalast in der Hauptstadt Colombo geflohen, kurz bevor hunderte Demonstranten das Gebäude stürmten.
Die Demonstranten hatten sich auch durch eine Rücktrittsankündigung von Premierminister Ranil Wickremesinghe nicht besänftigen lassen und auf eine Demission des Präsidenten gedrängt. Am späten Abend setzten sie die Residenz von Premier Wickremesinghe in Brand, wie die Polizei berichtete. Dieser habe sich aber nicht in dem Gebäude aufgehalten.

Der Premier hatte zuvor dem Parlamentspräsidenten mitgeteilt, dass er zugunsten der Bildung einer Allparteienregierung zum Abtritt bereit sei. Wickremesinghe ist erst seit Mai im Amt, sein Vorgänger war damals ebenfalls im Zuge der Unruhen zurückgetreten.
Der Präsidentenpalast war bereits am Samstagvormittag von Demonstranten gestürmt worden. Soldaten schossen nach Angaben aus Verteidigungskreisen in die Luft, um die Menschenmenge zurückzudrängen, bis Rajapaksa in Sicherheit war. Im Anschluss schlenderten die Demonstranten offenbar relativ ungehindert durch den Palast. Auf Live-Videos in Onlinenetzwerken war zu sehen, wie einige im Swimmingpool des Präsidenten planschten und es sich lachend in den Schlafzimmern des Palasts gemütlich machten. Auch in das nahe gelegene Präsidialamt, vor dem bereits seit drei Monaten Demonstranten kampieren, drangen Menschen ein. Bei den Protesten wurden nach Angaben von Krankenhaus-Mitarbeitern mindestens 39 Menschen verletzt in Kliniken eingeliefert, darunter zwei Polizisten.

Der Staatschef sei außerhalb der Hauptstadt “in Sicherheit” gebracht worden und werde vom Militär an einem geheimen Ort beschützt, wie es aus Verteidigungskreisen hieß. Private Fernsehsender zeigten einen Fahrzeugkonvoi am internationalen Flughafen von Colombo. Ob Rajapaksa das Land verlassen würde, blieb unklar. Die Demonstranten machen ihn und die Regierung für die katastrophale Wirtschaftslage des Landes verantwortlich.
Die USA riefen zu einer Deeskalation der Lage auf. “Wir fordern diese Regierung oder jede neue, verfassungsmäßig gewählte Regierung auf, schnell Lösungen zu finden und umzusetzen, um eine langfristige wirtschaftliche Stabilität zu erreichen”, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums am Sonntag. Die politische Führung müsse auf die “Unzufriedenheit” der Bürger angesichts der Wirtschaftskrise und der Strom-, Lebensmittel- und Treibstoffknappheit reagieren. Das Parlament rief der Ministeriumssprecher auf, sich “dem Wohl der Nation zu widmen – und nicht einer bestimmten politischen Partei”.
Der Inselstaat südlich von Indien mit seinen etwa 22 Millionen Einwohnern erlebt derzeit seine schlimmste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die Wut der Demonstranten richtet sich unter anderem gegen einen seit Monaten bestehenden Mangel an Treibstoff, aber auch an Medikamenten und Lebensmitteln. Ein Grund dafür ist, dass Einnahmen aus dem für Sri Lanka wichtigen Tourismus im Zuge der Corona-Pandemie zusammengebrochen sind. Dem stark verschuldeten Land fehlt das Geld, um wichtige Güter zu importieren.
Die Regierung hat unter anderem den Internationalen Währungsfonds sowie mehrere Länder, etwa Indien, China und Russland, um Hilfe gebeten. Das UN-Nothilfebüro (OCHA) warnte im Juni, die schwere Wirtschaftskrise könne eine sich anbahnende Hungerkrise in Sri Lanka verschärfen. Das Land war zuvor zehn Jahre lang auf gutem Entwicklungsweg und benötigte keine humanitäre UNO-Hilfe.
Am Freitag hatte die Regierung versprochen, die Versorgung mit Treibstoff zu verbessern. Zudem verhängte sie eine unbefristete Ausgangssperre. Auf Druck von Bürgerrechtsgruppen, Anwälten und buddhistischen Mönchen, die die Demonstrationen unterstützen, nahm sie die Maßnahme aber zurück. Rund 20.000 Soldaten und Polizisten wurden nach Behördenangaben zum Schutz des Präsidenten nach Colombo entsandt.
Inmitten der seit Monaten andauernden Unruhen war im Mai Premierminister Mahinda Rajapaksa, der Bruder des Präsidenten, zurückgetreten. Als Nachfolger wurde Ranil Wickremesinghe vereidigt. Damals gab es bei Protesten laut Polizeiangaben mindestens neun Tote und mehr als 250 Verletzte. Im Juni trat Basil Rajapaksa, ein weiterer Bruder des Präsidenten, als Finanzminister zurück.
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.