Sommergespräch mit Sabine Scheffknecht: “Ich glaube, ich könnte Landeshauptfrau”

Politik / 11.07.2022 • 05:00 Uhr / 10 Minuten Lesezeit
"Wir Neos wollen Regierungsverantwortung übernehmen. Anders als die ÖVP hätte ich keine Mühe, auch im Herbst schon ein Top-Regierungsteam zu präsentieren", sagt Scheffknecht. <span class="copyright">VN</span>
"Wir Neos wollen Regierungsverantwortung übernehmen. Anders als die ÖVP hätte ich keine Mühe, auch im Herbst schon ein Top-Regierungsteam zu präsentieren", sagt Scheffknecht. VN

Die Neos-Chefin will die U-Ausschuss-Reform schon im Oktober abschließen. Der ÖVP wirft sie vor, im Tonfall immer wieder abzudriften.

Schwarzach Sabine Scheffknecht vermisst in den aktuellen Krisen einen Plan. Die Regierung müsse klarer kommunizieren. Von der ÖVP erhofft sie sich zudem mehr Wertschätzung. Dass ein U-Ausschuss zum Wirtschaftsbund schon dieses Jahr möglich sein wird, schließt sie nicht aus – ebenso wenig spannende Szenarien für ihre politische Zukunft.

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Corona, Teuerung, Energiekrise, die Themen gehen nicht aus. Welches Thema muss in Vorarlberg entschiedener angepackt werden?

Im Moment steht das Thema Teuerung ganz oben. Auch Bildung brennt immer für mich. Und wir haben zwei, drei Jahre hinter uns, da haben die Jungen im Land sehr gelitten. Das sollte man dringend angehen, auch über Bildung und Schule hinaus, wenn es um die psychische Gesundheit geht.

Welches Rezept haben Sie gegen die Teuerung und die Energiekrise?

Wir sind abhängig von russischem Gas, und so schnell wird man das nicht ändern können. Vorarlberg hat im Österreichvergleich noch die Luxussituation mit den Illwerken Vkw. Damit sind wir ein bisschen besser aufgestellt. Auch haben die Menschen schon jetzt darauf geachtet, auf erneuerbare Energien zu setzen. Nun müssen wir schauen, wie wir gemeinsam gut über den Winter kommen. Wir hören zwar, dass alles getan wird, um die Gasversorgung sicherzustellen. Uns fehlt es aber an Plänen. Da geht es auch um unternehmerische Existenzen, wo ja zuerst der Gassparstift angesetzt wird.

Mit den Illwerken Vkw befinde sich Vorarlberg noch in einer besseren Situation, sagt Scheffknecht. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Mit den Illwerken Vkw befinde sich Vorarlberg noch in einer besseren Situation, sagt Scheffknecht. VN/Paulitsch

Bundesministerin Leonore Gewessler argumentiert, dass sie nicht alles offenlegen kann, da sich dies unter anderem auf Aktienkurse auswirken könnte. Können Sie das nachvollziehen?

Zum Teil. Sie spricht von 31 Großunternehmen österreichweit, die vom Gassparstift betroffen wären. Da würde schon helfen, wenn man sagt, dass in Vorarlberg keines dieser 31 Großunternehmen ist.

Es ist soweit bekannt, dass kein Vorarlberger Betrieb dazu zählt.

Aber die anderen Unternehmen im Land wissen zu wenig, was als Nächstes kommt. Es ist angebracht, dass sich Politik und Wirtschaft an einen Tisch setzen.

Tut die Landesregierung ausreichend, um die Teuerung auszugleichen?

Sie tut einiges, aber man müsste im Sozialbereich noch mehr tun. Man muss punktgenauer schauen, wer im Herbst und Winter noch mehr unterstützt werden muss. Wir haben viele armutsgefährdete Familien im Land.

Das VN-Sommergespräch mit Sabine Scheffknecht führten VN-Chefredakteur Gerold Riedmann und VN-Redakteurin Birgit Entner-Gerhold. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Das VN-Sommergespräch mit Sabine Scheffknecht führten VN-Chefredakteur Gerold Riedmann und VN-Redakteurin Birgit Entner-Gerhold. VN/Paulitsch

Manche Beihilfen wurden angepasst. Sind diese Ansätze der Landesregierung richtig?

Ich finde die Ansätze richtig, aber man muss sich die Wohnbeihilfe noch einmal anschauen. Da wurde angepasst, dass mehr verdient werden darf, die ortsübliche Miete aber nicht. Ist die Wohnung zu teuer, bekomme ich keine Wohnbeihilfe.

Vorarlberg will das größte Pumpspeicherkraftwerk bauen. „Lünersee II“ soll 2037 ans Netz gehen, vier Jahre sind für die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingeplant. Müssen solche Verfahren beschleunigt werden?

Auf jeden Fall, nicht nur was diese großen Kraftwerksanlagen betrifft. UVP-Verfahren gehören generell beschleunigt, aber auch seriös gemacht. Es braucht zusätzlich auch die kleinen Kraftwerke, bis das große ans Netz gehen kann. Es ist wichtig, dass sie gebaut werden. Es ist auch gut, dass man jetzt die Windkraft in Vorarlberg prüft. Man darf sie nicht pauschal ausschließen.

Wie können UVP beschleunigt werden?

Die Gutachten könnten schon beschleunigt werden, wenn mehr in Personal investiert würde.

Ob Wallner aus dem Krankenstand zurückkehren wird? "Das ist alles Spekulation", meint die Neos-Chefin. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Ob Wallner aus dem Krankenstand zurückkehren wird? "Das ist alles Spekulation", meint die Neos-Chefin. VN/Paulitsch

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) befindet sich aktuell im Krankenstand. Rechnen Sie mit seiner Rückkehr?

Das ist alles Spekulation. Das kann ich im Moment nicht beurteilen.

Sie haben den Rücktritt des Landeshauptmannes gefordert. Wie ging es Ihnen damit? Es wirkte, als hätte es Ihnen fast leidgetan.

Ich verstehe, dass es eine bittere Situation ist. Der Landeshauptmann hat gerade in den vergangenen zwei Jahren der Pandemie enormen persönlichen Einsatz gezeigt. Das macht das, was in der ÖVP passiert ist, aber nicht ungeschehen: Steuerhinterziehung, möglicher Vorwurf der Korruption und Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung. Der Landeshauptmann hätte genug Zeit gehabt, für Aufklärung und Transparenz zu sorgen, aber es liegen immer noch keine Ergebnisse vor. 

Die Grünen haben dem Misstrauensantrag nicht zugestimmt. Ist das nachvollziehbar?

Politisch konnte ich es nachvollziehen. Die Grünen sind in ihrer Positionierung so jedoch sehr unglaubwürdig geworden. Sie haben zwar das Misstrauen nicht ausgesprochen, das Vertrauen aber auch nicht. Die Situation ist für sie schwierig, weil niemand eine Neuwahl will, ich auch nicht. Aber die Regierung ist faktisch handlungsunfähig.

Sie hätte bereits ein Regierungsteam parat, hält Scheffknecht fest. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Sie hätte bereits ein Regierungsteam parat, hält Scheffknecht fest. VN/Paulitsch

Spätestens 2024 wird in Vorarlberg gewählt. Würden Sie dann mit der ÖVP oder auch mit einer ÖVP von Markus Wallner koalieren?

Was 2024 sein wird, ist im Moment schwer zu sagen. Für uns ist aber ganz klar: Wir Neos wollen Regierungsverantwortung übernehmen. Anders als die ÖVP hätte ich keine Mühe, auch im Herbst schon ein Top-Regierungsteam zu präsentieren.

Wer wäre denn in diesem Team?

Ich kann diejenigen noch nicht outen, die momentan in Unternehmen oder Interessenvertretungen sehr aktiv sind, aber das werde ich tun, wenn es Richtung Wahl geht. Wir haben Experten im Sozialbereich, im Tourismus- und Landwirtschaftsbereich. Garry Thür wäre prädestiniert für einen Verkehrs- und Wirtschaftslandesrat. Claudia Gamon kennt sich im Energie- und Innovationsbereich sehr gut aus und wer weiß, vielleicht ist das auch Richtung 2024 eine Option.

ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück hat die Opposition mit Hyänen (“König der Löwen”) verglichen. Wie ist die Stimmung im Landtag?

Wenn Sie meine Arbeit verfolgen, dann war mir das Thema Wertschätzung immer extrem wichtig. Und wer da abdriftet, ist immer und immer wieder die ÖVP. Das kritisieren wir seit vielen Jahren.

Die Reform des U-Ausschusses solle im Herbst abgeschlossen werden, hofft die Opposition. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Die Reform des U-Ausschusses solle im Herbst abgeschlossen werden, hofft die Opposition. VN/Paulitsch

Vorerst wird es keinen U-Ausschuss zum Wirtschaftsbund geben, sondern zuerst im Oktober einen Beschluss zu mehr Transparenz bei den Parteifinanzen, außerdem Verhandlungen zu einer U-Ausschuss-Reform. Dauert es nicht zu lange, bis diese Vorhaben greifen?

Unser Ziel ist, dass die U-Ausschussreform zeitlich mit dem Parteienfinanzierungsgesetz beschlossen wird. 

Das bedeutet, dass noch dieses Jahr ein U-Ausschuss einberufen werden sollte?

Einberufen werden könnte … Allenfalls geht es ein bisschen länger. Wesentlich ist die Qualität, dass der U-Ausschuss die Rahmenbedingungen hat, die es braucht, um gute Aufklärungsarbeit zu leisten.

Bildungsminister Martin Polaschek hat klar beschieden, dass die gemeinsame Schule kein Thema mehr ist. Ist die ÖVP zu festgefahren?

Es steht auf Landesebene im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen, dass die gemeinsame Schule das große Ziel ist. Da macht es sich die ÖVP zu einfach und steht nicht zu ihrem Wort.  Die gemeinsame Schule braucht es. Wir haben relativ viele Ressourcen an den Mittelschulen, das ist gut so. Aber wir haben auch eine große Gruppe an Kindern, die ins Gymnasium drängt, wo es weniger Ressourcen gibt. Die Zweiteilung ist das Problem.

Sabine Scheffknecht wollte als Kind immer Landeshauptfrau werden. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Sabine Scheffknecht wollte als Kind immer Landeshauptfrau werden. VN/Paulitsch

Es gibt theoretisch die Möglichkeit, aus Vorarlberg eine Modellregion zu machen. Die Hürde ist die Zustimmung der Standorte, Eltern, Lehrer. Glauben Sie, dass es diese geben würde?

Es kann und muss eine Vielfalt von Schulformen geben. Es ist besser zu sagen, wir lassen diese Modelle jetzt entstehen und zeigen, dass es geht. Dann wird die Zustimmung automatisch da sein.

Die Neos haben ihren Politikern eine Periodenbegrenzung auferlegt: Zwei Perioden für Regierungsmitglieder, drei für Abgeordnete. Wie lange wollen Sie denn Abgeordnete sein?

Darf ich das ein bisschen humorvoll beantworten? Ich wollte als Kind immer schon Landeshauptfrau werden.

Wie viel Humor ist da tatsächlich drin?

Wir glauben, wir Neos können das.

Auch Sie als Landeshauptfrau?

Ich glaube, ich könnte auch das.

Sabine SCheffknecht

Landes- und Klubobfrau der Neos

Geboren 3. März 1978

Berufliche Laufbahn Tätigkeiten im Bereich Eventorganisation und Marketing, 2017 übernahm sie mit ihrem Ehemann einen Weinregal- und Weinklimaschrankhersteller.

Politik von 2010 bis 2014 Vorstandsmitglied der Jungen Industrie, seit 2014 im Vorarlberger Landtag

Das Interview führten Gerold Riedmann und Birgit Entner-Gerhold. Das gesamte Gespräch wird am Montag, 11. Juli, um 17 Uhr bei Vorarlberg LIVE auf VOL.at, VN.at und LändleTV ausgestrahlt.