Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Kühler Herbst

Politik / 13.07.2022 • 05:00 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Normalerweise wünsche ich zu Ferienbeginn unseren Politikerinnen und Politikern einen erholsamen Sommer. Mein Appell, ihnen etwas Ruhe zu gönnen, war immer von der Überzeugung getragen, dass ausgeruhte und erholte Menschen bessere Entscheidungen treffen. Jedenfalls sollten sie sich nicht wie Markus Wallner auf ärztlichen Rat zurückziehen müssen. Selbst Politiker haben ein Recht auf Urlaub und etwas Privatsphäre bei einem Auslandsaufenthalt.

Heuer lassen die Herausforderungen allerdings kein Durchschnaufen zu. Wir müssen diskutieren und das sofort! Über die steigenden Infektionszahlen und die Überlastung des Gesundheitswesens, über die drohenden Schulschließungen, statt gleicher Chancen für unsere Kinder, über die Inflation und steigende Not vieler Menschen in diesem Land (und in anderen Ländern), über die Neutralität, die Zukunft des Bundesheeres und die österreichische Sicherheitsdoktrin, über Starkregen, Hochwasser und Vermurungen, über unsere Versorgungslage mit alltäglichen Gütern, über Fachkräftemangel, über die Fürsorge hochbetagter Menschen als stark wachsende Gruppe in unserer Gesellschaft, über Zuwanderung (ob gewünscht oder nicht), über kalte Heizungen im Herbst, drohende Unruhen aufgrund hoher Energiepreise und so weiter.

Die derzeitige unübersichtliche Lage macht Angst, und leider verzetteln sich Regierung und Opposition in parteitaktische Geplänkel, statt gemeinsam und transparent Pläne gegen die vielen Krisen zu entwerfen und zu kommunizieren. Bundeskanzler Karl Nehammer macht lieber schlechte Witze über Alkohol, Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer spricht der Regierung ein ganzes Hirn ab, VP-Generalsekretärin Laura Sachslehner schiebt die Schuld auf die Grünen, SP-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil eifert populistisch Viktor Orbán nach, FP-Klubobmann Herbert Kickl kündigt für Herbst Protestmaßnahmen mit Wirtschafts- und Arbeitnehmervertretern an. Viele sollten den Verzicht auf fossile Brennstoffe auch im übertragenen Sinn ernst nehmen und kein Öl mehr ins Feuer gießen.

Die Schulschluss-Zeugnisse von Experten und Journalisten in beinahe allen Medien sind dementsprechend desaströs. Die Bevölkerung richtet der Politik ihre Meinung via Umfrage aus: 45 Prozent sehnen sich nach Alternativen in Form einer Liste der besten Köpfe. Doch Experten sind keine Garantie für bessere Entscheidungen, denn auch sie sind von politischen Grundhaltungen geprägt. Nur selten sind Lösungen wirklich alternativlos, sondern zeichnen sich durch ein fein austariertes Gleichgewicht der Interessen aus. Das ist die Kompetenz und Aufgabe von gewählten Mandataren. Voraussetzung ist allerdings der Dialog anstelle von reiner Klientelpolitik mit Blick in die Zukunft statt nur auf die nächste Umfrage.

Mein Wunsch vor der Sommerpause an die Politik lautet daher: Arbeiten und kühlen Kopf bewahren, damit wir im Herbst in warmen Stuben sitzen.