VN-Sommergespräch: “ÖVP und Grüne stehen jetzt zusammen”

Politik / 15.07.2022 • 05:15 Uhr / 10 Minuten Lesezeit
"Mir ist wichtig zu sagen, dass es in Vorarlberg ein Angebot zum Schwangerschaftsabbruch braucht, das für Frauen gut zugänglich ist. Die Diskussion ist eröffnet", sagt Schöbi-Fink. VN/Paulitsch
"Mir ist wichtig zu sagen, dass es in Vorarlberg ein Angebot zum Schwangerschaftsabbruch braucht, das für Frauen gut zugänglich ist. Die Diskussion ist eröffnet", sagt Schöbi-Fink. VN/Paulitsch

Schöbi-Fink will Corona-Krankenstand statt Quarantäne, eine dritte Variante für die Bahntrasse im Raum Bregenz und ein Abtreibungsangebot im Land.

Schwarzach Im VN-Sommergespräch spricht Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink über ihren Kontakt zu Landeshauptmann Markus Wallner, den sie aktuell vertreten muss.

In der Koalition laufe die Arbeit gut. Vom Bund fordert die Landesstatthalterin eine klare, einheitliche Strategie für den Corona-Herbst. Schulen dürften nicht wieder strenger behandelt werden. Im Raum Bregenz sieht sie den Bedarf einer neuen Variante zum Ausbau des Schienenverkehrs. Auch in der Abtreibungsdebatte bewegt sich was: Einem Angebot in den Krankenhäuser verschließe man sich nicht. Eine Bannmeile zum Schutz der Frauen sei im Gespräch. Die Wirtschaftsbundaffäre bedauert Schöbi-Fink: “Wenn die Vorwürfe stimmen, würde ich das auch aufs Schärfste verurteilen.”

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Sie vertreten Landeshauptmann Markus Wallner bei diesem Sommergespräch. Wie geht es ihm?

Ich bin mir sicher, dass er sich gut erholt. Solange der Krankenstand dauert, möchte ich aber keine Auskunft geben, was seinen Gesundheitszustand betrifft.

Haben Sie oft Kontakt?

Ich habe zeitweise in wichtigen Fragen Kontakt, aber mir ist auch wichtig, dass ich ihn in Ruhe lasse. Er soll sich tatsächlich erholen können.

Was hat sich in der Koalition beim Vertrauensverhältnis verändert?

Unverändert ist, dass wir nach wie vor zwei verschiedene Parteien sind, die eine Koalition bilden. Wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir haben beide Regierungsverantwortung und leben das auch so. Die vergangenen Monate waren auch aufgrund des Vertrauensverlustes der Bevölkerung etwas herausfordernder, aber wir stehen zusammen und wissen, dass es jetzt Stabilität braucht und wir weiterarbeiten müssen.

Schöbi-Fink spricht von großen Fragen, die zu bearbeiten seien. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Schöbi-Fink spricht von großen Fragen, die zu bearbeiten seien. VN/Paulitsch

Landesrat Daniel Zadra (Grüne) hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft darüber informiert, dass der Landeshauptmann Daten seines Handys löschen wollte. Lässt das Narben zurück?

Das war sicher eine schwierige Situation, aber im Moment spielt das keine Rolle. Wir arbeiten konzentriert weiter. Wir haben große Fragen zu bearbeiten. 

Wir wissen nicht, was im Herbst auf uns zukommt. Worauf müssen sich die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger im Herbst vorbereiten? Stichwort: Teuerung, Pandemie.

Bleiben wir etwa bei der Pandemie. Wir warten darauf, dass das Gesundheitsministerium die Strategie für den Herbst vorlegt. Für mich ist wichtig, dass es eine Strategie gibt, dass wir alle gleich behandeln. Ich bin aber zuversichtlich, dass es keine großen einschränkenden Maßnahmen sein werden. Derzeit werden Gespräche geführt, ob man statt der Quarantäneregeln in Richtung Krankenstandsregel geht. Wir in der Landesregierung würden das befürworten.

Bei positivem Test Krankenstand? Oder mit Maske arbeiten gehen?

Es wäre eine Krankenstandsregelung mit den üblichen Empfehlungen, was die Hygienemaßnahmen anbelangt: Maske tragen, Handhygiene, Abstand halten.

Sie wollen einheitliche Maßnahmen. Heißt das, für Schulen sollen die gleichen Regeln gelten wie für die Gesamtbevölkerung?

Ja. Wir hatten Situationen, in denen die Schulen strenger beurteilt wurden und strengere Maßnahmen hatten als die Gesamtbevölkerung. Das war eine Belastung und das möchte ich den Schulen nicht exklusiv weitergeben.

Die Bildungslandesrätin will keine strengeren Corona-Regeln für die Schulen. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Die Bildungslandesrätin will keine strengeren Corona-Regeln für die Schulen. VN/Paulitsch

Ist die Stromversorgung in Vorarlberg sicher?

Wir bereiten uns auf alle Szenarien vor. Die Stromversorgung ist in Vorarlberg gesichert. Die Illwerke VKW halten die Tarife für die Bevölkerung seit Jahren niedrig. Die Preise sind auch bis 1. April bis 2023 gesichert, sowohl die Strom- als auch Gaspreise. Da möchte ich den Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern auch ein Stück weit Sicherheit geben. Aber wir wissen nicht, wie es mit der Gasversorgung mittel- oder langfristig weitergeht. Wir bemühen uns auch hier für die größtmögliche Sicherheit.

Die Illwerke VKW zahlen ihren Kunden einen Bonus und nehmen dafür sechs Millionen Euro in die Hand. Ist das genug bei einem Vorjahresgewinn von 136 Millionen Euro?

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Gewinne, die wirklich sehr hoch sind, nicht in Vorarlberg, sondern auf dem europäischen Strommarkt gemacht werden. In Vorarlberg ist mit dem Strom und den Haushalten kein Gewinn zu machen. Das betonen die Illwerke VKW immer. Natürlich geben sie der Bevölkerung mehr zurück als diese sechs Millionen Euro: über den günstigen Stromtarif, aber auch über die Dividende, die das Land Vorarlberg bekommt. Ein Teil des Anti-Teuerungspakets wird aus dieser Sonderdividende bezahlt. 

Der Zugang zur Abtreibung ist in Vorarlberg schwierig. Nur ein Arzt, der im Sommer 70 wird, führt in seiner Privatklinik Schwangerschaftsabbrüche durch, während die Spitäler außen vor bleiben. Gab es schon Gespräche?

Wir haben in Vorarlberg ein Angebot im niedergelassenen Bereich. Aber ja, es stimmt: Dr. Hostenkamp plant, in Pension zu gehen. Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher ist in Kontakt mit ihm. Mir ist wichtig zu sagen, dass es in Vorarlberg ein Angebot braucht, das für die Frauen gut zugänglich ist. Die Diskussion ist eröffnet. Der Geschäftsführer der Landeskrankenhäuser, Gerald Fleisch, hat sich so geäußert, dass die Türen nicht verschlossen sind. 

Es gibt kein kategorisches Nein der Politik für ein Angebot in den Landeskrankenhäusern?

Wir werden in den kommenden Wochen sicher weiter diskutieren. Wichtig ist, dass es ein Angebot gibt.

Eine Bannmeile vor der privaten Abtreibungsklinik sei im Gespräch, sagt Schöbi-Fink. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Eine Bannmeile vor der privaten Abtreibungsklinik sei im Gespräch, sagt Schöbi-Fink. VN/Paulitsch

Gibt es nur einen Ort für Abtreibungen im niedergelassenen Bereich, entsteht eine Stigmatisierung für Frauen, die diese Klinik aufsuchen. Können Sie dieses Argument nachvollziehen?

Ja. Wir können uns auch dort Möglichkeiten überlegen, wie man die Stigmatisierung reduziert oder wegbringt.

Warum gibt es noch keine Bannmeile? Warum müssen sich bis heute manche Frauen anschreien lassen, kurz bevor sie die Klinik betreten?

Ich halte das für untragbar, dass sich Frauen dem stellen müssen, die in dieser schwierigen Situation sind. Die Bannmeile ist wieder im Gespräch.

Ein Thema ist die Zugverbindung zwischen der Schweiz und Deutschland und im Raum Bregenz. Die Bürgermeister der Region wünschen sich unsichtbare Verkehrsstränge. Das ist aber nicht so einfach. Was wäre eine Lösung?

Es wurden zwei Varianten vorgestellt und beide sind nicht konsensfähig. Daher müssen die Experten eine dritte Variante vorschlagen.

Was will das Land?

Eine konsensfähige Lösung, mit der wir die Bevölkerung und die Wirtschaft zufriedenstellen können. 

Mit den Lösungen, die aktuell auf dem Tisch liegen, können Sie also nicht arbeiten?

Nein.

Schöbi-Fink war von der Wirtschaftsbund-Affäre überrascht. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Schöbi-Fink war von der Wirtschaftsbund-Affäre überrascht. VN/Paulitsch

Wenn Sie auf die Wirtschaftsbund-Affäre zurückblicken: Was würden Sie aus heutiger Sicht anders machen?

Die Wirtschaftsbund-Affäre hat viele überrascht, mich persönlich auch. Mir ist wichtig, dass alles aufgearbeitet wird. Wenn die Vorwürfe stimmen, würde ich das auch aufs Schärfste verurteilen.

Ist alles offengelegt, was offengelegt werden muss?

Die externe Wirtschaftsprüfungskanzlei BDO wird Ende des Monats ihren Bericht vorlegen. Wir warten nach wie vor auf die Beurteilung durch das Finanzamt und wir warten auch auf den Bundesrechnungshofbericht. 

Sie haben eine Anfrage stellvertretend für den Landeshauptmann beantwortet: Warum haben Sie genau die Fragen, welche Betriebe er mit wem besucht hat, nicht beantwortet?

Die Fragen konnten in dieser Tiefe nicht beantwortet werden, weil vieles nicht mehr nachvollziehbar war. Die Liste an Betriebsbesuchen ist unendlich lang. Und es ist nicht mehr nachvollziehbar, wer genau dabei war. Wenn der Landeshauptmann zum Beispiel zu einem Betriebsbesuch eingeladen war, kann er nicht nachvollziehen, wer da alles gestanden und mitgewirkt hat.

Den Wirtschaftsbund-Mitgliedern sei es wohl bekannt gewesen, dass der Wirtschaftsbund im Ortswahlkampf unterstütze, sagt die ÖVP-Politikerin. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Den Wirtschaftsbund-Mitgliedern sei es wohl bekannt gewesen, dass der Wirtschaftsbund im Ortswahlkampf unterstütze, sagt die ÖVP-Politikerin. VN/Paulitsch

Wieso haben manche Ortsgruppen mehr Geld vom Wirtschaftsbund im Gemeindewahlkampf bekommen als andere?

Wenn der Wirtschaftsbund in einer Gemeinde einen Kandidaten, eine Kandidatin unterstützen wollte, haben sie das so gemacht. Ich habe nie Geld bekommen, weil ich nicht Wirtschaftsbund-Mitglied war.

War es in der Partei bekannt, dass man über den Wirtschaftsbund für den Ortswahlkampf Geld lukrieren kann?

Das war unterschiedlich bekannt, bei den Wirtschaftsbundmitgliedern nehme ich an, war es bekannter als bei den anderen.

Zur Person

Barbara Schöbi-Fink

Landesstatthalterin, ÖVP

Geboren 12. Jänner 1961 in Feldkirch

Laufbahn Lehramtsstudium der Theologie und Germanis­tik, Promotion in Germanistik, Ausbildung zur Journalistin im ORF-Landesstudio Vorarlberg, 2000 bis 2018  in der Feldkircher Stadtpolitik tätig, zuletzt als Vizebürgermeisterin. Seit 2018 Landes­rätin u.a. für Bildung, Wissenschaft, ­Sport, seit November 2019 Landesstatthalterin.