Die Geheimnisse der Republik

Recht auf Zugang zu Informationen aus der Verwaltung lässt weiter auf sich warten. Doch wo hakt es?
Wien Wer im Moment etwas von der Republik wissen möchte, braucht viel Geduld und einiges an juristischen Fachkenntnissen. Das in der Verfassung verankerte Amtsgeheimnis katapultiert Österreich auf den letzten Platz im weltweiten Ranking über das Recht auf Information; punktegleich mit dem 18.000-Einwohner-Inselstaat Palau.

Hinzu kommt eine Frist von bis zu acht Wochen für Behörden, auf Anfragen nach dem Auskunftspflichtgesetz überhaupt zu reagieren, kein genereller Zugang zu Dokumenten und potentiell jahrelang andauernde Rechtsstreite vor Verwaltungsgerichten. Auch die Politikredaktion der Vorarlberger Nachrichten, die seit Monaten auf jegliche Reaktion oder Auskunft auf Anfragen bei Bundeskanzleramt, Gesundheitsministerium und Wirtschaftsministerium wartet, bekommt das im Moment zu spüren.
Große Erwartungen seit 2020
Dabei hätte damit schon längst Schluss sein können: Es sollte eines der Leuchtturmprojekte der Grünen in der Bundesregierung werden. Im Juni 2020 – etwa fünf Monate nach der Regierungsbildung – kündigte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) an, Österreich in die „Champions League der Transparenz“ führen zu wollen. „Bis Ende des Jahres“ plante er damals ein „Gesamtpaket“ über neue Gesetze gegen Korruption, die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und „echte Informationsfreiheit“ sowie über Gläserne Parteikassen und erweiterte Prüfkompetenzen für den Rechnungshof. Bis heute haben es, abgesehen vom letzten Punkt, der vor wenigen Wochen beschlossen wurde, noch nicht einmal fertige Gesetzentwürfe ins Parlament geschafft.
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Den ersten Schritt in Richtung Abschaffung des Amtsgeheimnisses unternahm die Koalition im Februar 2021, als Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) einen Gesetzentwurf in Begutachtung schickte. Mit ihm hätte der seit 1925 geltende Passus aus der Verfassung gestrichen und ein Informationsfreiheitsgesetz beschlossen werden sollen. Doch der Entwurf blieb eben nur das: Ein Entwurf. Seit nunmehr 15 Monaten ist die Begutachtungsfrist abgelaufen, eine Einigung für eine Regierungsvorlage ist dennoch nicht in Sicht. Sehr zum Unverständnis von Mathias Huter: „Seither hat sich nichts Messbares mehr getan. Es ist eine frustrierende Situation, in der sich alle politischen Akteure gegenseitig die Schuld zuschieben, dass nichts weitergeht“, erklärt der Obmann des „Forum Informationsfreiheit“ im VN-Gespräch.
Länder sollen weiter bremsen
Dass nichts weitergeht, begründet die Bundesregierung mit skeptischen Stimmen aus Ländern und Gemeinden. Die sollen nämlich auch zur Information verpflichtet werden und fürchten zu viele (sinnbefreite) Anfragen. Deutlich wird das zum Beispiel aus der Stellungnahme von Vorarlbergs Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP): „Festzuhalten ist, dass ein erheblicher Mehraufwand für die Verwaltung zu erwarten ist.“ Doch auch der Bundeskanzler argumentierte vor wenigen Wochen in diese Richtung: „Karl Nehammer hat beim ÖVP-Parteitag betont, dass ein Informationsfreiheitsgesetz nicht ermöglichen sollte, dass Bürger als ‚Querulanten‘ die Verwaltung stilllegen“, erklärt Huter.
“Es ist eine frustrierende Situation, in der sich alle politischen Akteure gegenseitig die Schuld zuschieben, dass nichts weitergeht. Wenn es einen politischen Willen gäbe, könnte man das aber ganz einfach ausräumen.”
Mathias Huter, Obmann “Forum Informationsfreiheit”
Prinzipiell sei diese Sorge ja sogar nachzuvollziehen, zum Beispiel in Gemeinden, in denen keine Juristen beschäftigt sind, die rechtsgültige Bescheide verfassen können: „Wenn es einen politischen Willen gäbe, könnte man das aber ganz einfach ausräumen“, betont Mathias Huter. Eine Möglichkeit wäre demnach, einen Informationsfreiheitsbeauftragten einzurichten, der Anfragestellern aber auch der Verwaltung zur Seite steht: „Die meisten Länder haben so eine unabhängige Stelle, bei uns war das nicht einmal mehr Teil der Diskussion. Auch Bundesländer könnten Ressourcen dafür zur Verfügung stellen.“ Dem Vernehmen nach soll sich die ÖVP dagegen aber sträuben. Und weil im Entwurf vorgesehen ist, dass die Länder der Informationsfreiheit ausdrücklich zustimmen müssen, können sie weitere Schritte in den Verhandlungen einfach blockieren.
Bund als Taktgeber?
Aus diesem Grund wurde immer wieder die Option ins Spiel gebracht, Länder und Gemeinden zunächst außen vor zu lassen und nur den Bund zu mehr Transparenz zu verpflichten. Damit könnte sich mittlerweile auch Mathias Huter anfreunden: „Österreich ist die einzige europäische Demokratie ohne Informationsfreiheitsgesetz. Da kann ein erster Schritt nicht schaden, nachdem wir seit einem Jahrzehnt keine Fortschritte sehen.“ Eine Vorlage des Bundes könnte demnach auch Ansporn für die Länder sein. Außerdem habe zumindest die Bundesregierung glaubhaft gemacht, hinter dem Vorhaben zu stehen. Das bestätigt auch Neos-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak auf VN-Anfrage: „In einem Verfassungsausschuss vor einigen Wochen hat uns Ministerin Edtstadler versichert, einen neuen Versuch zu starten.“
Es könnte dies ein Versuch für eine neue Ära sein. In eine Ära, die auch der Verwaltung selbst zugute komme, wie Mathias Huter betont: „Ja, es wird mehr Ressourcen brauchen für mehr Transparenz. Aber diese Ressourcen zahlen sich aus, wenn Korruption ausgeschaltet wird, die zahlen sich aus, wenn man Geldflüsse findet, in denen Steuern versickern, die zahlen sich aus, wenn Auftragsvergaben nachvollziehbar werden.“ Und das könne doch nur im Interesse eines modernen Staats sein. Also eines Staats, wie Österreich einer sein möchte: „Es reicht einfach nicht mehr zu sagen: ‚Wir sind eh für mehr Transparenz, aber halt nicht bei uns, weil wir sind eh schon so offen.‘“
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