ORF-Generaldirektor Weißmann: “Ich habe Interventionen nie stattfinden lassen”

Politik / 20.07.2022 • 15:40 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann im Vorarlberg LIVE-Interview.
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann im Vorarlberg LIVE-Interview.

Der ORF-Generaldirektor sprach über politische Einflussnahme, multimediale Zukunft und ORF-Gebühren.

Schwarzach Mit 650 Millionen Euro sind die berühmten ORF-Gebühren der Hauptpfeiler der Einkünfte des ORF. Bislang gab es die sogenannte Streaminglücke. Ab 1. 1. 2024 sollen laut Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs auch all jene Personen bezahlen müssen, die die ORF-Angebote nur über das Internet nutzen. Das Mediennutzungsverhalten der Menschen habe sich verändert und die Technologie weiterentwickelt, sagt ORF-Generaldirektor Roland Weißmann bei Vorarlberg LIVE: “Wir haben das wohlwollend zur Kenntnis genommen.”

Gesetzgeber am Zug

Nun sei aber der Gesetzgeber, namentlich Medienministerin Susanne Raab (ÖVP), am Zug, so Weißmann. Denn laut VfGH hat die Medienpolitik bis Ende 2023 Zeit, eine andere Möglichkeit für die Finanzierung des ORF auszuarbeiten. Wenn das nicht passiert, ist das Angebot mit 1. 1. 2024 so, dass Streaming kostenpflichtig ist. Weißmann geht davon aus, dass durch die Streaminglücke für das Jahr 2022 rund fünf bis sechs Millionen Euro für den ORF verlorengehen.

“Das Problem würde immer größer werden, da immer mehr streamen. Es ist nicht nur für den ORF gut, dass es die Festlegung gibt, dass journalistischer Content im Internet auch etwas wert ist. Das ist ja auch ein Thema für Zeitungen”, so Weißmann. Inwiefern die Gebühren eingetrieben werden könnten, ist nun ebenfalls Aufgabe der Medienpolitik. In Deutschland oder in der Schweiz gebe etwas Haushaltsabgaben. Der ORF-Generaldirektor will sich jedoch nicht zu seiner präferierten Methode äußern.

Es gehe übrigens nicht um mehr Geld für den ORF, sondern darum, “dass wir eine nachhaltige Finanzierung durch dieses Erkenntnis haben werden. Der ORF erfüllt ja durchaus wichtige demokratiepolitische Aufgaben”, sagt der ORF-Generaldirektor.

Politische Zusammensetzung des Stiftungsrats

Ein weiteres Thema, das den Verfassungsgerichtshof beschäftigt: Ob der Stiftungsrat verfassungskonform ist. Also auch jener Stiftungsrat, der Weißmann knapp einem Jahr in sein Amt gehievt hat. “Es ist eine Frage des Gesetzgebers und nicht des ORF, wie sich Gremien zusammensetzen. Jetzt ist der Verfassungsgerichtshof am Zug und das kommentiere ich nicht”, sagt Weißmann. Vergangenes Jahr habe er erstmalig neun Landesdirektorinnen und Landesdirektoren zur Wahl vorgeschlagen, die auch mit großer Mehrheit gewählt wurden. Er habe das im Gesetz vorgeschriebene Anhörungsrecht für die Landeshauptleute zwar erfüllt, “aber die Entscheidungen habe ich allein getroffen”.

“Keine politische Intervention”

Politische Einflussnahme auf die Redaktionen gebe es nicht, betont Weißmann: “Der ORF ist, gerade was Journalismus betrifft, total unabhängig.” Politische Interventionen habe es bei ihm bislang sehr wenige gegeben. “Die, die es bislang gegeben hat, habe ich nicht stattfinden lassen”, zieht Weißmann Bilanz über die ersten sieben Monate im Amt.  

Die Landesstudios spielen im ORF eine enorm große Rolle, sagt der Generaldirektor. Das spiegle sich auch im Budget wider: “Der ORF hat rund eine Milliarde Umsatz und wir geben jedes Jahr rund 170 Millionen Euro für die Landesstudios aus.” Die Bundesland Heute-Sendungen sehen sich täglich rund 1,1 Millionen Österreicher an, die Regionalradioprogramme hören rund 2,2 Millionen Menschen und die Berichterstattung in den Internetseiten konsumieren etwa 2,4 Millionen Leser. “Ich freue mich sehr auf die vielen Produktionen, die wir hier von Bregenz aus in den kommenden Tagen rund um die Festspiele ausstrahlen werden”, so Weißmann. 

Multimedialer Newsroom als Signal

Seit kurzem gibt es den Newsroom: Ein großes Büro, in dem Radio, Fernsehen und Online auch redaktionell zusammenkommen. Was die Zuseherinnen und Zuseher noch nicht gesehen haben: Es wird im Herbst ein neues ZIB-Studio geben. Der Newsroom sei ein Signal für die Zukunft des ORF: “Es ist ein Zug der Zeit, Radio, Fernsehen und Online in einem multimedialen Newsroom zusammenzuziehen.” Es gebe gewisse Dinge, die man gemeinsam machen kann, etwa das Erstellen der Kurznachrichten. Erfolgreiche Marken wie die Zeit im Bild oder die Ö1-Journale sollen aber ihre Eigenständigkeit behalten.

Weißmann nennt ein Beispiel: Wenn es zu einem dramatisches Zugunglück kam, war es bislang so, dass die Geschichte in drei oder vier Redaktionen recherchiert wurde. Diese Grundrecherche werde künftig nur noch eine Person machen und die anderen drei Personen können sich um erweiterte Zusatzgeschichten kümmern. “Im Idealfall ist es so, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer noch mehr davon haben, weil unsere Berichterstattung noch besser wird.” VN-RIE, JUS

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