Betriebliche Kinderbetreuung: Wirtschaft und Industrie fordern mehr Unterstützung

Kammer pocht auf konkreten Fahrplan, IV auf weniger Abhängigkeit.
Schwarzach Heron hat eine, Alpla auch, ebenso Collini. Damit sind sie nicht alleine, zählen aber dennoch zu einer Minderheit in Vorarlberg: Es geht um die betriebliche Kinderbetreuung.
Auf deren Ausbau hoffen nicht nur viele berufstätige Eltern, sondern auch die Politik. Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) erklärte erst kürzlich, dass Personalkosten zu hundert Prozent gefördert würden, sollten Unternehmen grundsätzlich bereit sein, betriebsfremde Kinder zu nehmen.

Die Wirtschaftskammer hält es für ein gutes Signal, „wenn die Kapazitäten etwaiger betrieblicher Einrichtungen ausreichen, um betriebsfremde Kinder aufzunehmen und das Land Wort halten kann, was die hundertprozentige Förderung betrifft“, erklärt Direktor Christoph Jenny. Gleichzeitig müsse aber auch das Engagement und der finanzielle Aufwand gestützt werden, der zum Betrieb einer Kinderbetreuungsstätte notwendig sei.
Vizepräsidentin Petra Kreuzer stimmt zu. Die Nachfrage bei berufstätigen Eltern steige: „Wir kommen ohne konkreten Fahrplan nicht weiter. Wir müssen jetzt handeln.“ Unter anderem fordert sie, die Zahl jener Betreuungsplätze zu erhöhen, die mindestens an vier Tagen pro Woche 9,5 Stunden pro Tag geöffnet haben und ein Mittagessen anbieten. Das erfordere eine besser koordinierte Kooperation über die Gemeindegrenzen hinweg. Ebenso sei ein Aufweichen der strikten Sprengel-Regel notwendig. Das Personal solle unter attraktiveren Rahmenbedingungen arbeiten können. „Wir müssen das Thema Kinderbetreuung nicht nur als Zukunftsthema per se verstehen, sondern auch als zentrales Thema des Wirtschaftsstandortes betrachten“, betont Jenny.
Genau davon ist auch Martin Ohneberg, Präsident der Industriellenvereinigung in Vorarlberg, überzeugt. „Eine gut ausgebaute und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung ist ein wichtiges Kriterium für qualifizierten Zuzug.“ Sie sei neben der Wohnungssuche für die Integration ausländischer Manager und Fachkräfte eine wesentliche Voraussetzung.

Noch ist der Anteil der Betriebe, die sich entschieden haben, selbst eine Kinderbetreuung anzubieten, laut Ohneberg mit knapp 1,4 Prozent gering. Vor allem die größeren Unternehmen gingen derzeit diesen Weg. Für kleinere und mittlere Betriebe sei der organisatorische und finanzielle Aufwand häufig zu groß. Es fehle außerdem an Erfahrung mit Kinderbetreuung. Kooperationen könnten helfen. „Aber grundsätzlich muss ich auch festhalten, dass die Kinderbetreuung eigentlich Aufgabe der öffentlichen Hand sein sollte. Wenn sich Betriebe darum kümmern müssen, ist es ein Signal, dass die öffentliche Hand zu wenig tut.“ Das Steuergeld wäre jedenfalls gut investiert, zum einen in die Gleichberechtigung: „Es wäre verdammt wichtig, mehr Frauen in die Wirtschaft zu bekommen.“ Zum anderen würde Eltern dadurch generell mehr Wahlfreiheit zugestanden. Für Kinder brächte ein umfassendes und qualitativ hochwertiges Angebot außerdem mehr Chancengerechtigkeit. „Wenn Vorarlberg die Vision ernst nimmt, chancenreichstes Land für Kinder zu werden, sollte Kinderbetreuung ein Leuchtturmprojekt sein. Ich verstehe nicht, warum das nicht unter der Marke Vorarlberg läuft“, hält Ohneberg fest. Der Bedarf sei da, die Notwendigkeit auch: „Die Gesellschaft verlangt das.“

Die Wirtschaft ist um Kooperation bemüht, ergänzt WKV-Direktor Jenny. Ziel müsse es auch sein, vorhandene Ressourcen besser zu nutzen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Betriebe bereit seien, betriebsfremde Kinder unterzubringen. Für manche lasse sich das aber einfacher organisieren als für andere, sagt der IV-Präsident: „Wenn ein Betrieb ausreichend Kinder betreut, muss die öffentliche Hand Danke sagen.“ Häufig sei das Gegenteil der Fall: Sollten die Gemeinden nämlich keinen Bedarf sehen, gebe es einfach keine Förderung. „Da ist die Abhängigkeit zu groß. Die einzige Bedingung sollte sein: Qualität, Öffnungszeiten, Flexibilität.“ Auch Jenny meint: „Flexibilität ist Trumpf.“ Nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Gemeinden. „Das Denken über die Grenzen hinaus ist noch nicht so ausgeprägt, wie es notwendig wäre.“
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