Nach schlechten Umfragewerten: Gerüchte um Kanzleraustausch

Finanzminister Magnus Brunner wird als Nachfolger von Karl Nehammer gehandelt.
Wien Die Temperaturen in Wien steigen wieder, bis Wochenmitte wird eine Hitzewelle erwartet. Auch die Gerüchteküche kocht im Osten des Landes.
In seiner Wochenendausgabe berichtete der Standard über eine mögliche Ablöse im Bundeskanzleramt, Sonntagnacht zog mit „Heute“ der Boulevard nach. Zuletzt leistete sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ein paar verbale Fehltritte, die Krisenbewältigung der Regierung überzeugt nicht und die Umfragewerte der Volkspartei sind im Tiefflug.

Drei Namen werden für eine mögliche Nachfolge gehandelt: Karoline Edtstadler (ÖVP), Bundesministerin für Verfassung und EU, Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (parteilos) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). Der Name von Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer fiel ebenfalls. Einige Landeshauptleute sollen, so Medienberichte, im Hintergrund die Fäden spinnen für einen Machtwechsel an der ÖVP-Spitze.
Magnus Brunner zu den Gerüchten
Brunner leistete sich bislang keine Patzer. Er setzte in seinem Ministerium auf Transparenz und ließ jene getürkten Umfragen („Beinschab-Tool“), die Sebastian Kurz bei seinem politischen Aufstieg unterstützt haben sollen, nach Absprache mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auf der Website des Ministeriums veröffentlichen. Zudem beendete er die Geheimhaltung für einen Teil der Corona-Finanzhilfen: Ab 10.000 Euro werden sie nun offengelegt. Auch mit der Abschaffung der kalten Progression gelang ihm ein politisches Projekt – wohl auch begünstigt durch die massive Teuerung –, an dem sich schon zahlreiche Finanzminister die Zähne ausgebissen hatten.

Auf VN-Nachfrage winkt der Vorarlberger jedoch ab: „Karl Nehammer leistet hervorragende Arbeit als Bundeskanzler und Krisenmanager. Daher stellt sich diese Frage auch gar nicht, ich arbeite sehr gerne als Finanzminister.“ Es ist nicht das erste Jobwechselgerücht, seit Brunner am 6. Dezember des Vorjahres Gernot Blümel ablöste. Der Höchster wurde wiederholt als möglicher Nachfolger von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ins Spiel gebracht, falls dieser nach seinem Krankenstand nicht mehr zurückkehren würde. Auch hier stellte Brunner bereits klar, dass er im Finanzministerium bleiben möchte.
Umfragetief
Die Spekulationen kommen zu einer Zeit, in der die ÖVP in Umfragen abstürzt. Zwei Monate vor der Tirol-Wahl am 25. September werden ihr dort zum Beispiel in einer Umfrage der „Krone“ nur noch 29,1 Prozent bescheinigt. Das entspricht im Vergleich zu 2018 einem Minus von 15 Prozent. Bundesweit rutscht die ÖVP in einigen Umfragen mittlerweile auf Platz drei hinter die FPÖ. So wundert es nicht, dass zuletzt das von den Freiheitlichen stark besetzte Thema Migration wieder aufgegriffen wurde und Nehammer sogar den ungarischen Rechtspopulisten Viktor Orbán unter viel Kritik in Wien empfing, um mit ihm unter anderem über Grenzschutz zu sprechen.
Wie turbulent es in der türkisen Partei offenbar zugeht, zeigt ein Blick auf die Zeitleiste. Erst am 14. Mai wurde Nehammer am außerordentlichen Bundesparteitag mit 100 Prozent zum ÖVP-Parteichef gewählt. Zweieinhalb Monate später ist er mit Querschüssen aus den ÖVP-regierten Bundesländern und Ablösespekulationen konfrontiert.
Aber seit Mai spitzte sich die Teuerung weiter zu, es gab breite Kritik von Experten und Bevölkerung am Wegfall der Corona-Quarantäne und einige verbale Entgleisungen. So sagte der Bundeskanzler am oben genannten Bundesparteitag „Corona kümmert uns nicht mehr“. Und einige Wochen später, beim Parteitag in Tirol, verlautbarte er bezogen auf die aktuellen Krisen: „Wenn wir jetzt so weiter machen, gibt es für euch nur zwei Entscheidungen später: Alkohol oder Psychopharmaka.“
Krisenbewältigung
Ob ein möglicher vierter Kanzlerwechsel innerhalb von zehn Monaten das Vertrauen in der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit der Regierung stärkt, ist zu bezweifeln. Erst vor zwei Wochen wurde der türkis-grünen Regierung ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Eine „profil“-Monatsumfrage zeigte, dass die Regierungsparteien weniger als ein Drittel der Bevölkerung hinter sich haben. 72 Prozent der Österreicher sind demnach der Meinung, dass die Regierung nicht genug tut, um Österreich auf die steigenden Energiepreise und eine mögliche Gasknappheit vorzubereiten. Nur ein Fünftel der Befragten hält die Initiativen von Türkis-Grün für ausreichend.
Am Montag wird erst einmal gearbeitet: Regierung, Opposition, Stadt Wien, Sozialpartner und Experten der Energiewirtschaft beraten über den Status der Energieversorgung in Österreich.
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