Vertrauenskrise umgekehrt
Beinahe täglich wird das Vertrauen der Österreicher in Parteien, Parlamente und Politiker aller Art gemessen. Die Ergebnisse weisen alle trotz unterschiedlicher Messmethoden einen rasanten Abwärtstrend aus. So schaffte jüngst beim OGM-Vertrauensindex der Institutionen das Bundesheer den Sprung auf Platz zwei hinter der Polizei, die Regierung stürzte hingegen (hinter den Medien) auf den letzten Rang ab. Die anderen großen Verlierer sind die Landesregierungen, die Wirtschaftskammer, das Parlament und die EU.
“Geldverteilen scheint momentan allerdings das einzige Rezept für mehr Popularität zu sein. Da sind sich sogar Regierung und Opposition einig.”
Ebenso beinahe täglich betonen daher Politiker aller Parteien und Ebenen die wichtige Aufgabe, Vertrauen zurückzugewinnen. So erkannte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher: „Vertrauen müssen wir uns alle jeden Tag erarbeiten.“ Da geht es einerseits um die Rechtfertigung ihrer Entscheidungen und andererseits um ihr Verbleiben im Amt. Geldverteilen scheint momentan allerdings das einzige Rezept für mehr Popularität zu sein. Da sind sich sogar Regierung und Opposition einig. Mit den Milliarden nimmt man es dabei nicht mehr so genau, wie SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner mit ihrer Schätzung zu den Kosten ihres Fünf-Punkte-Plans gegen die Teuerung offenbarte. Wörtlich: „Knapp 5 bis 6 Milliarden Euro.“
Nur zur Verdeutlichung: Eine Milliarde ist eine Eins mit neun Nullen oder tausend Mal eine Million und entspricht dem halben Jahresbudget des Landes Vorarlberg. Die Rechnung wird trotz der Großzügigkeit nicht aufgehen. Mit ein paar Hundert Euro für jeden steigt weder das Vertrauen noch die Resilienz für aktuelle und zukünftige Krisen, selbst wenn die steigenden Energiepreise für viele Familien damit tatsächlich ausgeglichen werden.
„Werden eigentlich Abgeordnete vor Abstimmungen über ihre Sachkenntnis zur Materie geprüft?“
Interessant ist allerdings auch der umgekehrte Blick: Wie stark ist das Vertrauen der Politiker in die Bevölkerung? Demoskopisch wird das kaum erhoben. Wer sollte eine derartige Umfrage auch in Auftrag geben? Bleiben als Indiz nur einzelne entlarvende Aussagen wie von Karoline Edtstadler, als sie dem Wunsch vieler Vorarlberger nach einer Volksabstimmung über Volksabstimmungen eine Absage erteilte – mit den Worten: „Ich glaube nicht, dass die Breite der Bevölkerung sich mit dem Thema bisher so im Detail auseinandergesetzt hat. Insofern sollte man Volksbefragungen und Volksabstimmungen nur dann durchführen, wenn es eine breite Information gibt.“ Was will die Verfassungsministerin dem Volk damit ausrichten? Dass es zu dumm ist? Werden eigentlich Abgeordnete vor Abstimmungen über ihre Sachkenntnis zur Materie geprüft?
Selbst als Skeptikerin gegenüber der direkten Demokratie überrascht mich dieser unverblümte Ausdruck des Misstrauens gegenüber der eigenen Bevölkerung. Vielleicht auch ein Anlass über die Ursachen des Verlusts nachzudenken und etwas dagegen zu unternehmen – zum Beispiel mit mehr politischer Bildung und Förderung von Qualitätsjournalismus.
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