“Cell Broadcast”: Langes Warten auf Warnsystem

Warnungen für einzelne Orte wären mit Cell Broadcasting ganz einfach möglich. LAND
„Cell Broadcasting“ hätte bei Starkregen helfen können und wäre in der Europäischen Union bereits verpflichtend. Eine Umsetzung ist im Laufe des Jahres geplant.
Bregenz, Wien „Für solche Situationen sind Sirenen eigentlich einmal gebaut worden“, warnte Jörg Kachelmann vergangenen Freitag, am Tag des Starkregens von Vorarlberg. Rechtzeitigere und mehr Warnungen wären notwendig, monierte der Meteorologe noch am Abend bei Vorarlberg LIVE. Doch sowohl die Warn-App KATWARN, als auch das eigentlich seit Ende Juni in der Europäischen Union verpflichtende „Cell Broadcasting“ blieben stumm. Warum? Die VN haben sich umgehört.
Herausfordernde Situation
Im Großen und Ganzen habe die Landeswarnzentrale Vorarlbergs beim Starkregen gute Arbeit geleistet, betont deren Leiter, Philipp Bachmann. Im Nachhinein ließen sich aber immer kleinere Schwachstellen entdecken: „Die Information, die rausgehen hätte sollen, ist rausgegangen. Jeder konnte wissen, dass ein extremes Wetterereignis auf uns zukommt.“ Dennoch sei in der Bevölkerung ein Bild von zu vagen und zu späten Warnungen angekommen: „Es war eine ganz schwierige Situation. Die ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Anm.) hat noch am Freitagvormittag Modelle präsentiert, die das Ereignis am Nachmittag nicht so stark vorhergesehen haben.“ Schlussendlich habe man in der Landeswarnzentrale dann entschieden, auf Informationsvermittlung in herkömmlichen und sozialen Medien zu setzen.
Nicht aktiviert wurde hingegen die App KATWARN, die vom staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagement betrieben wird und je nach Standort des Handys ortspezifische Warnungen ausspielen kann. Warum dieser Ausspielweg für Warnungen nicht verwendet wurde, sei im Nachhinein nicht mehr ganz einfach nachzuvollziehen, erklärt Bachmann: „Ich will nicht sagen, dass man diese Möglichkeit vergessen hat, oder ob man gar nicht daran gedacht hat. Es wäre jedenfalls ein Kanal gewesen, den man bespielen hätte können.“
Bei der EU im Verzog
Theoretisch seit dem 21. Juni verpflichtend wäre auch die Warn-Technologie „Cell Broadcasting“, laut einer entsprechenden Richtlinie von Rat und Parlament der Europäischen Union. Demnach müssen Netzbetreiber den mobilen Endnutzern öffentliche Warnungen übermitteln, eine App zu installieren ist mit dieser Technik nicht notwendig. Handys können damit Warntöne ausspielen, selbst wenn sie Stumm geschaltet sind, lokalisiert werden sie über Funkzellen. Die rechtliche Grundlage hierfür fehlt in Österreich allerdings noch; gegenüber der „Kleinen Zeitung“ begründete der Bund das unter anderem damit, dass die Umsetzung durch die Regierungsumbildungen der letzten Jahre ausgebremst worden sei.
Philipp Bachmann betont den „riesengroßen Vorteil“, den das Cell Broadcasting bringen würde: „Die Bevölkerung muss nichts tun, sondern nur ein Handy besitzen.“ Technisch wäre das Land Vorarlberg schon bereit, Meldungen an die Netzbetreiber zu senden, dorthin fehlt aber noch die Schnittstelle. Die Verhandlungen in einer Arbeitsgruppe dauern an, mittlerweile ging die notwendige Verordnung in Begutachtung. Telekommunikationsjurist Hans Peter Lehofer sieht noch offene Fragen bei der Finanzierung des Systems: „Kritisch ist, in welchem Verhältnis Bund und Länder die Kosten ersetzen. Einigung gibt es offenbar noch keine. Wenn die Betreiber durch die Einrichtung der Infrastruktur erheblich finanziell belastet werden, muss ihnen dies zumindest teilweise vom Staat ersetzt werden.“
Jedenfalls unter anderem wegen dieser offenen Fragen war das Cell Broadcasting bisher nicht umgesetzt worden und fehlte auch bei den Starkregen. Es fehlte damit eine Technologie, die laut Philipp Bachmann helfen hätte können: „Sie wäre jedenfalls das Mittel der Wahl gewesen. Man hätte dort, wo es schon intensiv war, noch einmal Informationen nachschieben können und mehr Leute erreicht.“ Außerdem würden Meldungen nicht nur punktuell ausgesendet, sondern auch Menschen erreichen, die ihn bestimmte Gebiete hineinfahren. Die Umsetzung ist laut Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP) noch für das laufende Jahr geplant.