Neue Kolumne von Simon Tschannett: UnwetterUnVerständnis?

“Die Klimakatastrophe ist keine Frage von abschmelzenden Polkappen, irgendwo bei den Eisbären. Sie geschieht hier und jetzt“, schrieb Gerold Riedmann wenige Tage nachdem Vorarlberg die höchsten Regenmengen in kurzer Zeit erlebt hat und nur „mit unglaublichem Glück an einer Katastrophe vorbeigeschrammt“ ist. Umso bemerkenswerter ist es, dass am darauffolgenden Tag bei der ersten Aufarbeitung des Ereignisses durch die Landesregierung und die Verantwortlichen die Klimakrise – zumindest in den Medien – nicht einmal erwähnt wurde.
Es geht sogar noch weiter, denn eine Aussage, die hängenblieb, war: „Niemand konnte den Starkregen vorhersehen.“ Dabei heißt es doch seit Jahren, dass es durch den Klimawandel vermehrt zu Starkregenereignissen kommen wird. Jetzt sind sie da. Ja, wir haben wichtige Hochwasserschutzbauten.
Ja, es werden notwendige Wildbachverbauungen durchgeführt. Diese Maßnahmen haben uns am Freitag vor zwei Wochen vor noch Schlimmerem bewahrt. Das ist alles nötig. Aber es ist mittlerweile Symptombekämpfung. Wir sind nämlich mittendrin in der Klimakrise.
Und jetzt ist die Zeit gekommen, vor der WissenschafterInnen seit vielen Jahren oft und eindringlich gewarnt haben. Denn diese immensen Regenmengen sind mit großer Wahrscheinlichkeit Auswirkungen der Klimakrise, die wir so direkt und unübersehbar zu spüren bekommen. Das bedeutet, dass auch die Kosten durch Schäden und für Vorsorge steigen können, und steigen werden, wenn wir nicht unseren Treibhausgasausstoß als eine der Ursachen für solche extremen Unwetter schnellstens auf null senken.
Gerade jetzt sollten wir also nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern für die nächsten, akuten Unwetter aus diesem Sommer lernen. Denn wir müssen uns auf weitere und sogar noch extremere Ereignisse einstellen.
Simon Tschannett
Neben der Linderung der Symptome durch Anpassung ist also Ursachenbekämpfung durch Klimaschutz unerlässlich.
Innert einer Woche gab es dann im Vorderland das nächste außergewöhnlich starke Gewitter, das wiederum zu Überflutungen führte. Die Feuerwehr rückte wieder aus.
Gerade jetzt sollten wir also nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern für die nächsten, akuten Unwetter aus diesem Sommer lernen. Denn wir müssen uns auf weitere, und sogar noch extremere Ereignisse einstellen. Dazu ist es von grundlegender Wichtigkeit, dass die Wetterlage, die zu den riesigen Regenmengen geführt hat, im Detail untersucht und verstanden wird. Einen wesentlichen Beitrag kann dabei eine Attributionsuntersuchung liefern, die darüber Auskunft geben kann, welchen Anteil die Klimakrise an diesem Unwetter hatte. Damit einhergehend sollten die Wettervorhersagen, die die EntscheidungsträgerInnen zur Verfügung hatten, analysiert und verifiziert werden. Bei kommenden Unwettern sollten wir aus diesem Schuss vor den Bug gelernt haben. Weiters bräuchten wir MeteorologInnen vor Ort in der Landeswarnzentrale, die im Katastrophenfalle hochpräzise Wettervorhersagen im sogenannten Nowcasting, also im Zeitabschnitt der jeweils nächsten paar Stunden, liefern können. Dann werden auch in dieser neuen Art von Klima Unwetter bei uns besser vorhersagbar. Dann hätten wir wichtige Schritte getan zu einem besseren Unwetterverständnis.
VN-Intern Die VN bauen die Berichterstattung rund um Klimathemen aus und stellen Ihnen heute einen neuen VN-Kommentator vor. Simon Tschannett ist ein Praktiker mit wissenschaftlichem Fundament. Der Meteorologe beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Stadtklimatologie und ist Klimarat der Stadt Wien. Der Geschäftsführer des Beratungsunternehmen Weatherpark ist gefragter Experte für innovative Lösungen in der Klimawandelanpassung und besonnener Kommentator, wenn wieder einmal der Hut brennt. Denn statt Alarmismus verbreitet der Vorarlberger Zuversicht, dass die Herausforderung noch bewältigt werden kann. Dabei erinnert er gerne die Politik an ihre Verantwortung für eine konsequente Klimapolitik. Für die VN wird er ab sofort einmal im Monat eine Kolumne zum Thema verfassen. Er verstärkt damit die Umweltberichterstattung, deren Wurzeln in der Redaktion viele Jahrzehnte zurückreichen.
VN-Innenpolitik-Leiterin Julia Schilly verantwortet die Klimaberichterstattung der VN und hat die Leitung des Klimaschutzpreises übernommen, der von den VN im November vergeben wird.
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