Regierungschaos in Großbritannien

Neue Regierungschefin Truss feuert Finanzminister und wankt selbst.
london Nur knapp sechs Wochen nach Amtsantritt der britischen Premierministerin Liz Truss steckt die Regierung in London in einer handfesten Krise. Truss entließ am Freitag ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng und vollzog zugleich eine steuerpolitische Kehrtwende. Sie reagierte damit auf heftige Verwerfungen an den Finanzmärkten, die ihre Regierung durch die Ankündigung massiver Steuererleichterungen zuvor selbst ausgelöst hatte. Einen Rücktritt lehnte die Premierministerin jedoch ab. Zum neuen Schatzkanzler berief sie den früheren Gesundheits- und Außenminister Jeremy Hunt.
„Status quo war keine Option“
Es sei klar, dass Teile ihres sogenannten Minibudgets „weitergehend und schneller“ waren, als die Märkte erwartet hatten, sagte Truss bei einer Pressekonferenz in London. Sie fügte hinzu: „Wir müssen jetzt handeln, um die Märkte von unserer fiskalischen Disziplin zu überzeugen.“ Die Unternehmenssteuer solle nun – wie von der Vorgängerregierung vorgesehen – doch erhöht werden, sagte Truss. Die Regierungschefin beharrte darauf, dass ihre Politik niedrigerer Steuern und hoher Investitionsanreize richtig sei. Lediglich der Markt, den die Entscheidungen für deutliche Steuersenkungen irritiert hätten, sei der Grund für die Kehrtwende, sagte Truss. Auch Kwarteng hatte die Pläne grundsätzlich verteidigt. „Den Status quo beizubehalten, war keine Option“, schrieb er.
Die Regierungspläne für weitreichende Steuersenkungen, die mit neuen Schulden in Höhe von Dutzenden Milliarden Pfund gegenfinanziert werden sollen, hatten zu Verwerfungen an den Finanzmärkten und einem Kursrutsch des britischen Pfunds gegenüber dem US-Dollar geführt. Die Zentralbank sah sich zum Eingreifen gezwungen. Wegen der massiven Kritik hatten Truss und Kwarteng bereits die geplante Streichung des Spitzensteuersatzes wieder zurückgenommen.
Sturz möglich
Ob der Rauswurf Kwartengs, der weithin als Bauernopfer betrachtet wird, und die teilweise Kehrtwende ausreichen werden, um Truss im Amt zu halten, gilt als äußert fraglich. Britische Medien zitierten Tory-Abgeordnete mit Rücktrittsforderungen. Es gilt als möglich, dass Truss schon bald von der eigenen Partei gestürzt wird. Im Raum steht nach „Times“-Informationen, dass führende Tories ein Führungs-Tandem aus den Spitzenpolitikern Rishi Sunak und Penny Mordaunt unterstützen, die Truss im Sommer im internen Ringen um den Parteivorsitz unterlegen waren.
