Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Flurschaden

Politik / 26.10.2022 • 06:29 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Nun kommt das Phantom also doch. Am 3. November will Thomas Schmid dem U-Ausschuss Rede und Antwort stehen. Die Aufregung ist groß, schließlich war Schmid für die Oppositionsparteien eine der meistgesuchten und -erhofften Auskunftspersonen. Nun, da der Ausschuss auf Verlangen der Neos vor dem Ende steht, geht der Wunsch also doch noch in Erfüllung.

Der Andrang wird groß sein, die interessierte Öffentlichkeit wohl mit zahllosen Live-Tickern informiert. Viel Neues ist dennoch nicht zu erwarten, denn Schmid hat nur ein Motiv, sich den Fragen der Parlamentarier nicht mehr zu entziehen: Er kämpft um seine Glaubwürdigkeit. Seine Gegner, allen voran sein ehemaliger Freund und Bundeskanzler Sebastian Kurz sowie andere ÖVP-Granden, unterstellen Schmid Lügen, um als Kronzeuge einer Strafe zu entgehen. Als Beweis gilt ein heimlich aufgezeichnetes Telefongespräch, bei dem Schmid ausgerechnet die Wahrheit gesagt habe. So unlogisch, so niveaulos, so Vertrauen zerstörend.

Warum nun also sucht Schmid plötzlich das grelle Licht der Öffentlichkeit? In einem U-Ausschuss gilt die Wahrheitspflicht. Nur mit Hinweis auf eine mögliche strafgerichtliche Verfolgung könnte sich Schmid entschlagen. Da jedoch bereits gegen ihn als Beschuldigten ermittelt wird, entfällt dieser Grund. Bei seinen Aussagen vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hingegen hat er das Recht, sich selbst nicht zu belasten. Sollte er dort die Unwahrheit sagen, gefährdet er allerdings seinen Kronzeugenstatus.

Vor Gericht entscheidet der Richter, wem er glaubt. Für die Politik ist es aber entscheidend, dass sie insgesamt glaubwürdig bleibt.

Am Ende steht Aussage gegen Aussage. Schmid gegen Kurz, Schmid gegen Sobotka, Schmid gegen Wöginger usw. Vor Gericht entscheidet der Richter, wem er glaubt. Es ist das gute Recht für alle Personen, sowohl auf der Unschuldsvermutung zu beharren als auch die Glaubwürdigkeit des Gegenübers infrage zu stellen. Für die Politik ist es aber entscheidend, dass sie insgesamt glaubwürdig bleibt. Und hier ist der entstehende Flurschaden enorm oder – um es mit einem Bild des wiedergewählten Bundespräsidenten auszudrücken: Der Wasserpegel steigt und die Demokratie droht zu ertrinken.

In Vorarlberg könnte sich die Geschichte wiederholen. Jenem Unternehmer, der eidesstattlich erklärt hatte, dass Landeshauptmann Markus Wallner ihm gegen Inserate Unterstützung signalisierte, flatterte bereits ein Einladungsschreiben der WKStA ins Haus. Am Ende steht auch hier Wort gegen Wort, Aussage gegen Aussage und Glaubwürdigkeit gegen Glaubwürdigkeit mit der vagen Hoffnung, dass die Verteidigungsstrategien weniger Kollateralschäden verursachen. Angesichts dieser Aussichten ist der heutige Nationalfeiertag auch aus innenpolitischer Perspektive kein Festtag für die Demokratie, einen souveränen Staat und die politische Kultur.