“Allein der Anschein des politischen Einflusses schadet schon”

Die Bundesregierung ist bei der Umsetzung von Projekten zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit in Verzug. Irmgard Griss und Kathrin Stainer-Hämmerle wünschen sich raschere Entscheidungen bei mehr Transparenz.
Wien Es waren überraschend deutliche Worte, die Bundespräsident Alexander Van der Bellen vor zwei Wochen in Richtung Bundesregierung fand: Er verlangte nach der Aussage von Ex-ÖBAG-Generalsekretär Thomas Schmid bei der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft (WKStA) eine „Generalsanierung des Vertrauens“ und bezeichnete Korruption als „lähmendes Gift“. Deshalb erwarte er sich „Maßnahmen“, um die volle Handlungsfähigkeit aller politisch Verantwortlichen in diesem Land sicher zu stellen“.
Wie solche Maßnahmen ausgestaltet werden könnten, erläuterte die Europäische Kommission in ihrem jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht bereits im Juli. Darin richtete sie konkrete Handlungsanweisungen an den österreichischen Gesetzgeber: Eine unabhängige Generalstaatsanwaltschaft einzurichten, die Justiz an Richterernennungen stärker zu beteiligen, mehr Transparenz bei Vermögen und Interessen von Abgeordneten sicherzustellen, die öffentlichen Inseratenvergabe zu reformieren und mit einem Informationsfreiheitsgesetz das staatliche Handeln transparenter zu machen. Außerdem wurde eine Reform der Parteienfinanzierung empfohlen. Die wurde im Juli beschlossen, ansonsten geht die Umsetzung nur schleppend vonstatten – obwohl manche Vorhaben zum Teil schon seit Jahren versprochen wurden.

“Wir haben ja eine Gewaltentrennung!”
Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes und spätere Neos-Abgeordnete, kann das nicht nachvollziehen: „Ich glaube, es braucht bei all den Themen jetzt einen gewissen Druck.“ Aber: „Die Befürchtung, nach Neuwahlen potentiell keine Mehrheit mehr zu haben, könnte dazu führen, dass die Regierung jetzt noch was tut“, vermutet sie im VN-Gespräch. Essentiell sei hier vor allem, „endlich“ das Weisungsrecht der Justizministerin gegenüber der Staatsanwaltschaften abzuschaffen: „Da unterscheidet sich Österreich vom größten Teil aller europäischen Staaten. Allein dieser Anschein, dass es die Möglichkeit eines politischen Einflusses geben könnte, schadet hier schon.“
“Dass nicht eine Person entscheiden soll, sondern unterschiedliche Dreiersenate, hat den großen Vorteil, dass nicht auf eine einzelne Person Druck ausgeübt werden kann. Dann würde es nichts bringen. Also wenn, dann muss man es ordentlich machen.”
Irmgard Griss, Ehemalige OGH-Präsidentin und Nationalratsabgeordnete (NEOS)
Hierzu liegt ein Vorschlag einer Arbeitsgruppe der Bundesregierung auf dem Tisch: Demnach soll eine neue Generalstaatsanwaltschaft aus mehreren Dreiersenaten bestehen, die mit Mehrheit über Weisungen entscheiden. Für Griss ist dies ein „ordentlicher“ Vorschlag. Den Wunsch von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler über eine parlamentarische Kontrolle der Generalstaatsanwaltschaft kritisiert sie aber lautstark: „Was soll das sein? Wenn wir davon ausgehen, dass Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaft unabhängig arbeiten müssen, kann es auch keine parlamentarische Kontrolle geben. Will man dann ihre Entscheidungen legitimieren? Wir haben ja eine Gewaltentrennung!“
Zum Rapport in die Hofburg
Jedenfalls würden die aktuellen Ermittlungen für eine problemlose Arbeit der Justiz sprechen, betont Griss: „Der Rechtsstaat funktioniert, wobei es natürlich immer Verbesserungsbedarf gibt.“ Die Bundesregierung sollte sich aber hüten, diesem Verbesserungsbedarf nicht nachzukommen, betont Irmgard Griss. Gerade wegen der Wünsche des Staatsoberhauptes: „Van der Bellen kann deutliche Reden halten, Dinge einmahnen und der Regierung ins Gewissen reden.“
In eine ähnliche Kerbe schlägt Kathrin Stainer-Hämmerle. Die Regierung müsse zwar nicht befürchten, entlassen zu werden, aber: „Van der Bellen könnte alle drei Monate die Regierung einbestellen und sie Rechenschaft ablegen lassen. Und er könnte dann auch der sein, der davon öffentlich berichtet. Das ist schon demütigend genug“, sagt die Politologin gegenüber den VN.
“Van der Bellen muss keine Glaubwürdigkeit bewahren, denn er muss nicht mehr wiedergewählt werden. Er könnte die Bundesregierung aber jedenfalls regelmäßig Bericht erstatten lassen. Und er könnte dann auch der sein, der davon öffentlich berichtet.”
Kathrin Stainer-Hämmerle (FH Kärnten)
Angebracht wäre nun, das Regierungshandeln zu überdenken: „Die Pandemie und Russland sind natürlich gute Ausreden, aber man sollte Gesetze, die schon vorhanden sind, ernster nehmen, man sollte Vorhaben in der Pipeline nun endlich umsetzen und man sollte zeigen, dass echte Reformen ein ernstes Anliegen sind. Zum Beispiel was die Unabhängigkeit des ORF anbelangt.“
Das größte Problem sei aber sowieso die fehlende Transparenz, betont Stainer-Hämmerle: „Immer wird gesagt, dass bei Projekten noch Kleinigkeiten fehlen, aber wir bekommen nie zu hören, was das für Kleinigkeiten sind.“ Vielleicht auch wegen des Amtsgeheimnisses, das immer noch in der Verfassung steht.