Warum kein Strafregisterauszug? Lücken beim Kinderschutz

Erschütternde Missbrauchsfälle: Vor allem im außerfamiliären Bereich besteht Nachholbedarf, sagt Kinder- und Jugendanwalt Christian Netzer.
Schwarzach Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen und Vereine sind eigentlich Orte, wo sich Kinder und Jugendliche sicher fühlen, lernen und Spaß haben sollten. Umso mehr erschüttert, dass sie auch Orte von Gewalt und Missbrauch werden können. So soll in Graz ein Gymnasiallehrer einigen minderjährigen Schülern Nacktfotos abgekauft haben. In Wien wurden heuer gleich mehrere Skandale bekannt: von einer schlagenden Pädagogin bis hin zu sexuellem Missbrauch im Kindergarten. Auch Vorarlberg bleibt von derartigen Verbrechen nicht verschont. Vor rund zweieinhalb Jahren stand ein suspendierter Volksschullehrer vor Gericht, da er ehemalige Schüler missbraucht haben soll.
Während der Kinderschutz im familiären Bereich gut strukturiert und an die Kinder- und Jugendhilfe gekoppelt ist, sei das im außerfamiliären Bereich viel schwammiger geregelt. Das kritisiert der Vorarlberger Kinder- und Jugendanwalt Christian Netzer. Es bestünden erhebliche Lücken. Gemeinsam mit seinen Amtskollegen in den anderen Bundesländern fordert er bundeseinheitliche Regeln. „Hier war die Verländerung sicher nicht förderlich.“ Schließlich hätten alle Kinder – egal ob aus dem Burgenland oder aus Vorarlberg – den gleichen Schutzanspruch.

Fehlender Strafregisterauszug
Netzer fordert außerdem klare Konzepte zur Prävention und Intervention: Die jeweiligen Einrichtungen müssten diese selbst erarbeiten, da die Voraussetzungen in einer Spielgruppe etwa andere seien als für einen Fußballclub.
Außerdem pocht er darauf, vermehrt die Möglichkeit des erweiterten Strafregisterauszugs für die Kinder- und Jugendfürsorge zu nutzen. „Beim klassischen Strafregisterauszug kann einiges durchrutschen“, betont der Kinder- und Jugendanwalt. Nach aktueller Rechtslage hilft der erweiterte Strafregisterauszug jedoch nicht in allen Fällen. Also nach der Tilgungsfrist werden auch teilweise Sexualstraftaten gestrichen, selbst bei dem eigenen Strafregisterauszug für Kinder-/Jugendarbeit.
Natürlich versteht Netzer die Zurückhaltung bei steigenden Anforderungen. Gerade im Vereinswesen oder im Sport- und Kulturbereich müsse daher der Mehrwert hervorgehoben werden, den der Kinderschutz mit sich bringe. Und zwar nicht nur für Kinder, sondern auch für die Mitarbeiter und Ehrenamtlichen. Klare Handlungsleitfäden könnten zum Beispiel dabei helfen, dass es zu keinen Handlungen im Graubereich kommt. Dass ein erweiterter Strafregisterauszug sinnvoll wäre, zeigte nicht zuletzt der Fall eines umstrittenen, wegen Kindesmissbrauchs vorbestraften Feriencamp-Betreibers im Osten Österreichs.

ÖVP und Grüne kündigten Verbesserungen im Bereich des Kinderschutzes an. Im Budget ist mittlerweile mehr Geld dafür eingeplant. Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) wollen ein generelles Berufs- und Tätigkeitsverbot für wegen Kindesmissbrauchs Vorbestrafte in der Kinder- und Jugendarbeit. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) bezeichnet Änderungen im Strafrecht allein als zu wenig, weil diese nur Wiederholungstäter erfassen würden.
Fehlende Daten
Es ist anzunehmen, dass rund ein Viertel aller sexueller Übergriffe auf Minderjährige im Familienkreis geschieht. Um die 50 Prozent spielen sich im sozialen Nahraum ab, also bei Nachbarn, in Schulen oder Vereinen. Das ergibt eine Statistik aus Deutschland, wie Kinder- und Jugendanwalt Christian Netzer erklärt. Vergleichbare Zahlen liegen für Österreich nicht vor. Schließlich würde im kriminalpolizeilichen Bereich in der Statistik nicht erfasst, aus welchem Umfeld die Täter stammen. Je besser das Monitoring hier wäre, umso besser könnte aber reagiert werden, glaubt Netzer.
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