Wirtschaftsbund und ÖVP: Das sagt Politologin Stainer-Hämmerle

Politik / 18.11.2022 • 18:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Wirtschaftsbund und ÖVP: Das sagt Politologin Stainer-Hämmerle
Nun ist klar: Der Wirtschaftsbund muss von 2016 bis 2021 770.000 Euro an Steuern nachzahlen. Die Zuwendungsabgabe ist noch strittig. Canva: VN/Lerch; Prugger

Wie die Causa die Volkspartei belastet: Ähnliche Strategie wie auf Bundesebene.

Schwarzach Seit Monaten beschäftigt die Wirtschaftsbund-Affäre die Vorarlberger Politik. Seit Kurzem ist klar, dass eine hohe Steuernachzahlung droht. Nach acht Monaten Steuerprüfung liegen Bescheide vor. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften dauern weiter an. Für die Landes-ÖVP bleibt die Causa unangenehm. Die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle ortet „beschädigte Glaubwürdigkeit.“ In der Kommunikationsstrategie kann sie Parallelen zu Vorgängen auf Bundesebene erkennen.

Rund 770.000 Euro

Seit dieser Woche ist bekannt Der Wirtschaftsbund muss für die Zeit von 2016 bis 2021 rund 770.000 Euro an Steuern nachzahlen. Das betrifft Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer. Offen und strittig ist die Zuwendungsabgabe, dazu ist noch kein Bescheid eingegangen. Der Wirtschaftsbund rechnet für 2017 bis 2021 mit rund 105.000 Euro. Ob er dagegen vorgeht, behält er sich vor.

Die Steuerprüfung war Ausgangspunkt der Causa rund um die ÖVP-Teilorganisation. Über die Landesgrenzen hinweg hat sie ein politisches Erdbeben ausgelöst. Im Raum stehen der Vorwurf möglicher Korruption im Zusammenhang mit Inseraten der Zeitung des Wirtschaftsbundes, der Verdacht auf verdeckte Parteienfinanzierung, und eben, dass Steuern nicht ordentlich abgeführt wurden. Deshalb läuft auch ein Finanzstrafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch. Auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen mehrere Personen, darunter Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP).

"Es wird dauern, bis Gras über die Sache wächst", sagt Politikwissenschaftlerin Stainer-Hämmerle. <span class="copyright">Prugger</span>
"Es wird dauern, bis Gras über die Sache wächst", sagt Politikwissenschaftlerin Stainer-Hämmerle. Prugger

Die Affäre dürfte für die Vorarlberger ÖVP also weiterhin eine Belastung sein. Das Ergebnis der Steuerprüfung zeige schwarz auf weiß, dass Versäumnisse passiert seien, sagt Politikwissenschaftlerin Stainer-Hämmerle. Darunter leide die Glaubwürdigkeit. Dass nun der frühere Direktor Jürgen Kessler, eine Schlüsselfigur der ganzen Causa, offenbar auch noch Geld für Inserate verlange, die 2022 in der mittlerweile eingestellten „Vorarlberger Wirtschaft“ geplant gewesen wären, setze dem Ganzen wohl noch die Krone auf. Sie glaubt: „Es wird dauern, bis Gras über die Sache wächst.“ Zwar finde so schnell keine Wahl statt. Gleichzeitig dauerten die Ermittlungen der Justiz aber noch an. „Es ist eine Frage der Zeit, bis der nächste Imageschaden drohen könnte. Gleichzeitig kann natürlich auch sein, dass nichts herauskommt.“

Die WkStA ermittelt auch gegen Landeshauptmann Wallner. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Die WkStA ermittelt auch gegen Landeshauptmann Wallner. VN/Paulitsch

Die Expertin analysiert zwei Kommunikationsstrategien der Volkspartei. Einerseits verhalte sie sich defensiv und gebe Fehler nur zu, wenn es nicht anders gehe. „Man distanziert sich von einzelnen Personen, die falsch gehandelt haben.“ Das Umfeld, in dem diese passiert seien, werde aber nicht hinterfragt. Zweitens gebe es den Versuch, das Ganze auf eine andere, grundsätzlichere Ebene zu heben: Demnach handle es sich um ein generelles Parteienproblem. „Dabei entsteht natürlich ein Gefühl in der Bevölkerung, dass eh alle so sind und immer so gehandelt haben.“ Auf Bundesebene sei die Taktik dieselbe, erläutert Stainer-Hämmerle weiter. Dort hatten zuletzt wieder die Vorgänge rund um den früheren Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid für große Aufregung gesorgt. Schmid spielt eine Schlüsselrolle bei den seit 2019 andauernden Ermittlungen zur Ibiza-Affäre rund um mögliche Korruption zur Regierungszeit des ehemaligen Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP). In einem umfassenden Geständnis gegenüber der Staatsanwaltschaft hatte Schmid im Sommer Straftaten eingeräumt und dabei auch Kurz schwer belastet.

Schmid ausgeschlossen

Am Freitag schloss die ÖVP Schmid aus der Partei aus. „Das ist eine Bauernopfer-Taktik“, sagt Stainer-Hämmerle. Der frühere Generalsekretär werde alleine verantwortlich gemacht. Eine mögliche Parallele zu dem früheren Wirtschaftsbund-Direktor Kessler in Vorarlberg dränge sich auf. Zudem habe sich Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) nur sehr generell für das Bild, das die Politik gerade liefere, entschuldigt. Dies laufe sehr ähnlich ab wie im Land. Einen deutlichen Unterschied gebe es aber doch, meint die Politikwissenschaftlerin: „Die Bundes-ÖVP hat das größere Problem, denn die Konkurrenz ist ganz eine andere.“

Der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Schmid, ist aus der ÖVP ausgeschlossen worden. <span class="copyright">Reuters/Foeger</span>
Der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Schmid, ist aus der ÖVP ausgeschlossen worden. Reuters/Foeger

Grundsätzlich befürchtet Stainer-Hämmerle einen großen Vertrauensverlust in die Politik, sowohl auf Bundes-, als auch Landesebene. „Der Flurschaden ist enorm. Es nutzt der regierenden Partei auch nicht, wenn der Glaube in die Problemlösungskapazität sinkt. Damit gewinnen vor allem populistische Bewegungen.“