Politologe über Schengen-Veto: “Für mich ist es eine Peinlichkeit”

Politik / 13.12.2022 • 05:15 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Politologe über Schengen-Veto: "Für mich ist es eine Peinlichkeit"
Der rumänische Außenminister, Lucian Aurescu (l.) im Gespräch mit seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Schallenberg (r.). Im Jänner waren die diplomatischen Beziehungen noch nicht vereist. John Thys/AFP

Politikwissenschaftler Franz Eder kritisiert das Veto Österreichs gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien.

Innsbruck, Brüssel Die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Rumänien sind verstimmt. Nach dem Veto von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) über den Beitritt von Rumänien und Bulgarien in den Schengenraum, rief das Außenministerium in Bukarest seinen Botschafter in Wien zurück. Zuvor war bereits die österreichische Botschafterin in der rumänischen Hauptstadt ins Außenamt zitiert worden.

Parteipolitische Taktiken über Interesse des Staates

Für den Politologen Franz Eder (Universität Innsbruck) sind diese Verstimmungen keine Überraschung: „Ich fürchte, man wusste genau, was die Konsequenz sein wird, aber es war der Bundesregierung egal“, sagt er zu den Vorarlberger Nachrichten. Mit dem Veto haben man „eine Möglichkeit konstruiert, um innenpolitisch Kleingeld zu schlagen“. Hier hätten die niederösterreichische Landtagswahl Ende Jänner oder die aktuellen Umfragewerte eine Rolle gespielt: „Man versucht, gegenüber der FPÖ Position zu beziehen und ihr gegen Asylsuchende und Migration etwas entgegenzusetzen.“ Dabei handle es sich um „plumpe Versuche“, die Themenlage zu dominieren: „Hier wird Parteipolitik über Staatspolitik gestellt und das ist für mich eine Peinlichkeit.“

“Man versucht, gegenüber der FPÖ Position zu beziehen und ihr gegen Asylsuchende und Migration etwas entgegenzusetzen. Dabei handelt es sich um plumpe Versuche, die Parteipolitik über Staatspolitik zu stellen.”

Franz Eder, Politikwissenschaftler (Universität Innsbruck)

Im Allgemeinen sei die österreichische Außenpolitik „viel zu unkoordiniert“, glaubt Eder. Alle Schritte, welche die österreichische Innenpolitik setzt, hätten demnach Auswirkungen auf die Beziehungen nach Außen: „Ich glaube Gerhard Karner sogar, dass das Veto mit dem Außenministerium abgesprochen war, die Konsequenzen waren dann einfach eine Art ‚Kollateralschaden‘“. Außerdem hätte Österreich in der Vergangenheit – zum Beispiel im „Salzburg-Forum“, einer Partnerschaft mit Ländern im Osten der EU im Bereich der inneren Sicherheit – durchaus eine Systemreform anstoßen können, so Eder: „Das wär ein passendes Mittel gewesen, dass man endlich etwas tut.“

Wieder aufzubauendes Vertrauen

Und was ist nun für die diplomatischen Beziehungen Österreichs mit Rumänien und Bulgarien in der Zukunft zu erwarten? Die könnten sich schneller als womöglich gedacht wieder erholen, glaubt Eder: „Natürlich ist Vertrauen verloren gegangen, aber das kann man wieder aufbauen.“ Hauptthema für die beiden Länder sei, dem Schengenraum beizutreten: „Es wird Kraftanstrengungen brauchen. Österreich verliert möglicherweise Koalitionspartner in anderen politischen Bereichen, aber das lässt sich auch wieder verbessern.“

“Mit dem Veto erteilt die österreichische Bundesregierung der Weiterentwicklung der Europäischen Union eine Absage.”

Martin Ohneberg, Präsident Vorarlberger Industriellenvereinigung

Übrigens hat das Veto auch für Unmut in der Vorarlberger Industriellenvereinigung und bei Präsident Martin Ohneberg gesorgt: Mit dem Veto der Bundesregierung schade man einer “großen europäischen Vision” und verfalle erneut in “kleinteiliges Denken”, kritisierte er: „Mit dem Veto erteilt die österreichische Bundesregierung der Weiterentwicklung der Europäischen Union eine Absage.” Das Veto sei zwar eine Symptombehandlung, „aber keine visionäre Politik“. MAX

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