Weiter warten auf direkte Demokratie in den Gemeinden

In einer aktuellen Anfragebeantwortung legt Verfassungsministerin Karoline Edtstadler den Stand der Dinge für Volksabstimmungen auf Gemeindeebene, gegen den Willen der Gemeindevertretung, dar.
Wien Es war ein einschneidendes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) im Oktober 2020: Nach einer Volksabstimmung über die Flächenwidmung in Ludesch prüfte das Höchstgericht das Vorarlberger Gemeindegesetz. Demnach war es möglich, gegen den Willen der gewählten Gemeindevertretung, eine Volksabstimmung durchführen zu lassen. Deren Ergebnis konnte auch eine Entscheidung der Gemeindevertretung ersetzen. Das widerspricht dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie, stellte der VfGH fest, und hob diese Bestimmung auf: „Das repräsentativ-demokratische System schließt es aus, den Gemeinderat gegen seinen Willen durch eine Volksabstimmung an eine bestimmte Entscheidung zu binden.“
Die Aufregung in Bund und Ländern war groß: In einer Entschließung forderten die Regierungsparteien, ÖVP und Grüne, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zu einem „Dialog mit den Ländern“ auf, um mögliche Änderungen in der Bundesverfassung zu ergründen. Dieselben Parteien forderten im Vorarlberger Landtag in einer Entschließung eine „Prüfung, ob eine Ermöglichung des Vorarlberger Modells der Volksabstimmung auf Gemeindeebene verfassungsrechtlich implementiert werden könnte, ohne dass es einer Gesamtänderung der Bundesverfassung bedürfte“. So eine Gesamtänderung müsste im gesamten Bundesgebiet einer Volksabstimmung unterzogen werden.
Unterschiedliche Vorstellungen in den Ländern
In einer aktuellen Anfragebeantwortung an die Neos hält Edtstadler nun den Stand der Dinge fest: Demnach sei die Angelegenheit in der Konferenz der Landesamtsdirektoren im April 2022 sowie in der Landeshauptleutekonferenz im Mai 2022 besprochen worden. Die Rechtsauffassung des Verfassungsdienstes des Bundes, wonach für Volksabstimmungen auf Gemeindeebene gegen den Willen der Gemeindevertretung eine Gesamtänderung der Bundesverfassung notwendig ist, sei von den Verfassungsdiensten der Länder nicht bestritten worden. „Der Wunsch nach direkt-demokratischen Instrumenten im Landesrecht“ würde auch in den Ländern bestehen, so Edtstadler, „wenngleich in jeweils unterschiedlichem Umfang“.
Aus diesem Grund habe man sich darauf verständigt, zunächst den Regelungsspielraum von Gesetzgebern in Bund und Ländern auszuloten, bevor eine allfällige Gesamtänderung angedacht werden könnte. Hierfür habe die Landeshauptleutekonferenz im Mai 2022 das Institut für Föderalismus, Direktor ist Peter Bußjäger, mit einer Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten beauftragt. Das Ergebnis liege noch nicht vor und „die weiteren Maßnahmen hängen wesentlich vom Ergebnis des Prüfungsprozesses ab“.
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