“Der Ausgleich durch Windkraft fehlt”

Die Winterlücke führt zu CO2-intensiveren Energieimporten. Photovoltaik und Wasserkraft können zu wenig ausgleichen.
Dornbirn, Wien Es sieht in diesem Jahr nicht nach weißen Weihnachten aus. Kalt ist es dennoch. Bei vielen Menschen ist es in den Wohnungen wohl frostiger als im vergangenen Jahr, denn Energiesparen ist angesagt.
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Das hat neben finanziellen Anreizen auch andere wichtige Auswirkungen für den Klimaschutz. Denn Winterstrom ist CO2-belasteter. Das liegt an der „Winterstromlücke“, wie Thomas Roßkopf-Nachbaur, Experte für Energieeffizienz und Erneuerbare Energie beim Energieinstitut Vorarlberg, erklärt: „Im Winter importieren wir Strom auch aus fossilen und atomaren Quellen, weil unsere Erneuerbaren weniger produzieren, als wir verbrauchen.“

Österreich sei ein klassisches Wasserkraftland. Dadurch ergeben sich jahreszeitlich Unterschiede: Die höchste Erzeugung findet im Frühsommer statt, wenn die Schneeschmelze einsetzt. „Im Gegensatz zu Wasserkraft und auch Photovoltaik hätte Windenergie den gegenteiligen Effekt: Hohe Erzeugung wäre auch im Winter möglich“, sagt Roßkopf-Nachbaur. In Vorarlberg gibt es bislang keine Windkraftanlagen. In diesem Jahr gab es zu Flächenwidmungen und potenziellen Standorten zahlreiche hitzigere Debatten, die VN berichteten.
Mehr Import als Export aus Deutschland
Das macht einen Stromimport notwendig. Aufschluss gibt die jährliche, österreichweite Betriebsstatistik der E-Control. Bei Italien, Schweiz, Slowenien und Ungarn ist die Bilanz im Jahresverlauf ungefähr ausgeglichen. Aus Deutschland wurden hingegen 2021 13.000 Gigawattstunden importiert und 6000 Gigawattstunden in das Nachbarland exportiert. In Tschechien stehen 11.000 Gigawattstunden Import nur 200 Gigawattstunden Export gegenüber.
Eine Aufschlüsselung, wie diese Bilanz konkret in Vorarlberg aussieht, gibt es nicht. Aber Roßkopf-Nachbaur räumt ein: „In Vorarlberg ist es tendenziell kritischer, weil nur Wasserkraft und Photovoltaik als erneuerbare Energieträger herangezogen werden. Der Ausgleich durch Windkraft fehlt.“ Es wäre daher sinnvoll, gezielt Winterstromerzeugungsanlagen zu bauen, zum Beispiel auch Biomasse-Blockheizkraftwerke in Kombination mit dem Ausbau des Fernwärmenetzes, so der Experte.
Tendenz steigend
Denn die Winterstromlücke wird tendenziell größer. Die Gründe sind vielseitig und neue kommen hinzu: In den Wintermonaten steigt neben dem Heizbedarf der Strombedarf, da die Tage kürzer werden und mehr Licht benötigt wird und Unterhaltungselektronik mehr genutzt werden. Wärmepumpen, Nachtspeicher oder Elektroboiler benötigen Strom. In Zukunft wird sich der Ausbau der Elektromobilität ebenfalls auswirken, sie benötigt im Winter mehr Strom für den Betrieb der Fahrzeuge und zum Heizen.
Nicht zuletzt erlebt auch Vorarlberg gerade eine Transformation seines Energiesystems. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die Versorgungssicherheit mit Gas und natürlich Klimaschutzaspekte haben länger geplante Umstellungen beschleunigt. Zudem haben Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) und Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Donnerstag das Energieeffizienzgesetz präsentiert, das seit Monaten verhandelt wurde und nun in Begutachtung geschickt werden konnte. „Bis 2030 wollen wir den gesamten Energieverbrauch in Österreich um rund ein Fünftel senken. Dazu brauchen wir Tempo beim Energiesparen. Wir unterstützen dabei Haushalte und Unternehmen bei dieser großen Aufgabe – mit jährlich 190 Millionen Euro“, sagte Gewessler.
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Bis 2035 sollen zudem laut Entwurf des Erneuerbaren-Wärme-Gesetz, das momentan wieder auf Eis liegt, alle klimaschädlichen Öl-Heizungen getauscht werden und bis 2040 erfolgt die Umstellung aller Heizungen in Österreich auf Erneuerbare Energien. Die Suche nach Alternativen steigt also. „Gerade die verstärkte Verlagerung von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas in der Raumwärme hin vor allem zu strombasierten Anwendungen wir Wärmepumpen verstärkt die Problematik der Winterstromlücke, umso wichtiger wird die Energieeffizienz von Gebäuden“, sagt Roßkopf-Nachbaur.
Wir werden in Zukunft als noch mehr von Stromimporten im Winter abhängig werden. Der Experte des Energieinstituts Vorarlberg ergänzt: „Deutschland wird große Atom- und Kohlekraftwerke abschalten. Es ist die Frage, wo der Strom dann herkommt. Wichtig ist daher, dass es jetzt gezielt in Österreich Anreize gibt, um die Versorgungsautonomie zu stärken.“ Roßkopf-Nachbaur hat aber auch positive Aussichten: „Das europäische Stromnetz ist ein noch gut funktionierendes System. Die derzeit herrschende Unsicherheit, ob es zu Blackouts kommt, ist in den nächsten Jahren nicht angebracht.“
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