Koalition sucht bei Klausur Wege aus der Vertrauenskrise

Politik / 10.01.2023 • 18:10 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) demonstrierten zu Beginn der Regierungsklausur Einigkeit.<span class="copyright">APA/ROLAND SCHLAGER</span>
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) demonstrierten zu Beginn der Regierungsklausur Einigkeit.APA/ROLAND SCHLAGER

Türkis-grüne Bundesregierung trifft sich in Niederösterreich zur Regierungsklausur.

Von Julia Schilly und Maximilian Werner

Mauerbach Ein bisschen Harmonie könnte nicht schaden und die Regierungsklausur gestern und heute in Niederösterreich bietet Gelegenheit dazu. Der Nationalrat wird planmäßig zwar erst im Herbst 2024 gewählt, praktisch seit Beginn ihrer Zusammenarbeit lässt die Bundesregierung Gerüchte über ein vorzeitiges Ende der Legislaturperiode nicht los: Zahlreiche Korruptionsvorwürfe gegen ÖVP-Funktionäre, drei Kanzler in drei Jahren und inhaltliche Differenzen, die immer wieder von beiden Seiten thematisiert werden: Zuletzt schienen die Konflikte zwischen türkis-grün wieder aufzubrechen.

Umfragewerte im Keller

Geht es nach den Umfragewerten, würden beide Parteien von einem Neustart profitieren. Die ÖVP ist abgestürzt, gemeinsam liegen die Regierungsparteien seit zwei Jahren auf unter 50 Prozent. Zuletzt gab nicht einmal mehr ein Drittel der befragten Wählerinnen und Wähler an, für die ÖVP oder die Grünen stimmen zu wollen. Auch deshalb möchten die Regierungsparteien – auf ein Neues – im Rahmen der Klausur in Mauerbach Einigkeit demonstrieren. Das soll mit der Präsentation neuer Projekte untermauert werden – nach getaner Arbeit hinter verschlossenen Türen. Und das obwohl die Unterkunft auf ihrer Website damit wirbt, eines der “besten Wellnesshotels Österreichs” zu sein.

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Ob es während dieser nicht-medienöffentlichen Sitzungen wirklich so harmonisch abläuft, wie zum Teil vielleicht dargestellt werden wird, ist aber fraglich. Liegen doch schwere Brocken am Tisch, bei denen seit Monaten, teilweise seit Beginn der Legislaturperiode, Entscheidungen immer wieder verschoben werden. Dazu zählen etwa das Korruptionsstrafrecht, die Energiewende, das Klimaschutzgesetz oder Reformen des Arbeitsmarkts. 

Noch direkt vor der Klausur wollte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zudem mit seiner Forderung nach einem Aus der Grunderwerbsteuer einen neuen Punkt auf die Tagesordnung setzen. Die Grünen reagierten verschnupft, diese Forderung solle kein Thema sein.

Zufriedenheit im Parlament

Einer, der es wissen muss, betont, dass die Regierungsparteien zumindest auf parlamentarischer Ebene gut miteinander auskommen würden: “Wir haben eigentlich eine sehr gute Zusammenarbeit. Bis dato und sicher auch in der Zukunft”, sagt ÖVP-Nationalrat Norbert Sieber gegenüber den VN. Jedenfalls gebe es genug zu tun, beurteilt der Bregenzer die aktuelle Situation, aber: “Natürlich gibt es verschiedene Punkte, die wir unterschiedlich bewerten – es sind vollkommen verschiedene Parteien.” Diese Debatten würden aber sehr „professionell“ geführt.

“Wir haben eigentlich eine sehr gute Zusammenarbeit. Bis dato und sicher auch in der Zukunft. Natürlich gibt es verschiedene Punkte, die wir unterschiedlich bewerten – es sind vollkommen verschiedene Parteien. Aber alle Debatten werden professionell abgearbeitet. Und wir haben mehr auf den Weg gebracht als viele andere Regierungen zuvor.”

Norbert Sieber, Abgeordneter zum Nationalrat (ÖVP)

Außerdem, so Sieber, sei die Arbeit der Koalition besser als ihr Ruf: „Wir haben mehr auf den Weg gebracht als viele andere Regierungen zuvor.“ Im Moment seien zwar viele der Regierungsmaßnahmen mit hohen Belastungen für den Staatshaushalt verbunden („Wenns darum geht, Geld auszugeben, gehts natürlich einfacher“), aber auch das solle sich in Zukunft ändern: „Jetzt kommen wir in eine Phase, wo nicht mehr jeder Wunsch erfüllt werden darf und wird.“

Zu einem ähnlichen Schluss kommt Siebers Koalitionspartnerin und Gegenüber im Familienausschuss, Barbara Neßler (Grüne): „Wir gehen offene Baustellen an, die von vorangegangenen Regierungen viel zu lange liegen gelassen wurden.“ Man befinde sich außerdem „krisenbedingt“ in einer Art „Dauerlöscheinsatz“, sagt die Alberschwenderin gegenüber den VN.

“Die Regierungszeit ist wirklich alles andere als einfach. Krisenbedingt sind wir im Dauerlöscheinsatz und gleichzeitig gehen wir offene Baustellen an, die von vorangegangenen Regierungen viel zu lange liegen gelassen wurden. […] Daher wird einer der wichtigsten Schwerpunkte im kommenden Jahr Energiewende sein – nicht nur weil wir wollen, sondern weil wir in Anbetracht von Klima- und Energiekrise handeln müssen.”

Barbara Neßler, Abgeordnete zum Nationalrat (Grüne)

Das Ziel der aktuellen Regierung sei es, „Strukturen zu schaffen, von denen die Menschen auch langfristig noch profitieren“, betont Neßler und spricht damit unter anderem auf die Valorisierung der Sozial- und Familienleistungen an. Dazu gehöre aber auch die Energiewende, „nicht nur weil wir wollen, sondern weil wir handeln müssen.“

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