Novelle fix: Windräder künftig auch ohne Widmung durch Gemeinden möglich

Politik / 11.01.2023 • 16:30 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Der höchste Windpark Europas befindet sich im Kanton Wallis in der Schweiz auf  2500 Meter Höhe. Könnte hier Vorarlberg bald Konkurrenz machen? Die UVP-Novelle wird einen rascheren Bau von Windkraftanlagen fördern. <span class="copyright">APA/Olivier Aire</span>
Der höchste Windpark Europas befindet sich im Kanton Wallis in der Schweiz auf 2500 Meter Höhe. Könnte hier Vorarlberg bald Konkurrenz machen? Die UVP-Novelle wird einen rascheren Bau von Windkraftanlagen fördern. APA/Olivier Aire

Die Regierung will den Ausbau von erneuerbarer Energie beschleunigen.

Wien, Mauerbach, Bregenz “Wir brauchen Wasser, Wind und Sonne”, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei der Präsentation der Ergebnisse der Regierungsklausur in Niederösterreich am Mittwoch. Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll also schneller passieren. Das Paket beinhaltet, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) “beschleunigt, verkürzt und effizienter” gestaltet werden sollen. Kein Thema war hingegen das in der Warteschleife hängende Klimaschutzgesetz.

600 Millionen für Sonnenenergie

Dafür ist eine Ausbau-Offensive für Photovoltaik-Anlagen mittels einem neuen “Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz” und einer Förderungs-Verordnung geplant. 600 Millionen sollen allein heuer dafür zur Verfügung stehen. Für Photovoltaikanlagen auf versiegelten Flächen braucht es überhaupt keine Genehmigungen mehr und nur aufgrund des Orts- und Landschaftsbilds können Anträge nicht mehr abgelehnt werden. Auch die Biogasproduktion in Österreich soll vorangetrieben werden (Erneuerbare-Gase-Gesetz und Biogasverordnung).

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) demonstrierten bei der Präsentation der Klausurergebnisse Einigkeit. <span class="copyright">APA/Roland Schlager</span>
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) demonstrierten bei der Präsentation der Klausurergebnisse Einigkeit. APA/Roland Schlager

Druck auf Bundesländer erhöhen

Die Abhängigkeit von russischem Gas habe gezeigt, dass ein rascherer Ausbau von erneuerbarer Energie notwendig ist. Die Energiewende bedeute mehr Sicherheit, bekräftigte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Gerade die UVP-Novelle sorge nun dafür, dass Erneuerbare rascher ausgebaut werden, “selbst”, so Kogler, “wenn manche Bundesländer weiter auf der Bremse stehen wollen”. Damit könnte er auch zum Teil Vorarlberg meinen, zumindest was die Windenergie anbelangt.

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte im vergangenen Jahr betont, dass die Raumplanungsordnung der Gemeinden nicht ausgehebelt werden dürfte. „Die UVP-Novelle ist bei uns eingegangen und wird jetzt überprüft. Unsere Grundhaltung ist weiterhin unverändert: Wir wollen eine Beschleunigung der UVP-Verfahren, insbesondere bei der Wasserkraft”, heißt es auf Nachfrage aus dem Büro des Landeshauptmanns. Beim Bau von Windrädern dürften Bürgerinnen und Bürger nicht übergangen werden, sagte Wallner bei Vorarlberg Live. Wenn aber in einem Bundesland keine entsprechende Energieraumplanung gemacht wurde, können laut Novelle UVP-Verfahren in Zukunft begonnen werden, ohne dass eine Widmung durch die Gemeinde vorliegt. Diese wird erst später eingeholt.

Der grüne Landesrat Daniel Zadra begrüßt, dass Kraftwerkbauten nun als besonderes öffentliches Interesse gelten und daher schneller umgesetzt werden können. “Davon wird neben dem geplanten Stauseeprojekt voraussichtlich auch die Windkraft profitieren”, sagt Zadra den VN.

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Umweltökonomin: Kapazitäten in Europa aufbauen

“Es ist schon sinnvoll sich anzusehen, was topografisch besser zu einer Landschaft passt. Die Frage ist nur, in welchem Ausmaß man zum Ausbau der Erneuerbaren beiträgt. Es geht jetzt darum, noch mehr zu tun”, sagt Umweltökonomin Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien. Hier sieht sie noch Potenzial in Vorarlberg, wie auch in einigen anderen Bundesländern.

“Es ist strategisches Denken notwendig, sonst begeben wir uns wieder in Abhängigkeit. In diesem Fall nicht von Russland und Gas, sondern von China”

Sigrid Stagl, Umweltökonomin

Sigrid Stagl begrüßt den Anschub für erneuerbare Energie durch die Regierung. Nun gelte es die Strukturen auszubauen. “Im Bereich der Erneuerbaren gibt es Knappheiten. Wenn man sich heute als Privater eine Solaranlage aufs Dach geben will, bekommt man 2024 angeboten. Wir haben einfach zu wenige Produktionskapazitäten”, sagt Stagl den VN. Das Problem sei, ausreichend Solarpanele zu bekommen. “Hier ist strategisches Denken notwendig, sonst begeben wir uns wieder in Abhängigkeit. In diesem Fall nicht von Russland und Gas, sondern von China”, so die Umweltökonomin.

Europa müsse daher dringend Produktionskapazitäten aufbauen. Falls China – das laut Internationaler Energieagentur (IEA) etwa 80 Prozent der Solarpaneele am Weltmarkt produziert – tatsächlich eine Invasion in Taiwan starten sollte, könnte sich die Geschichte wiederholen. “Diese Verquickung von Energie, Klima und Material ist in der Diskussion meines Erachtens nach noch nicht ausreichend angekommen”, sagt Sigrid Stagl.

Zwei Tage lang tagte die türkis-grüne Bundesregierung in Niederösterreich. <span class="copyright">APA/Roland Schlager</span>
Zwei Tage lang tagte die türkis-grüne Bundesregierung in Niederösterreich. APA/Roland Schlager

Große Baustelle Fachkräftemangel

Noch so gut wie nichts auf den Boden gebracht hat die Regierung hingegen hinsichtlich des eklatanten Fachkräftemangels in vielen Sparten. Es wird eine Arbeitsgruppe mit Arbeits-, Sozial- und Finanzminister unter Einbindung der Parlamentsklubs gebildet. Die dort abzuhandelnden Themen sind zum Beispiel eine Attraktivierung der Erwerbstätigkeit parallel zum Bezug einer Eigenpension ab dem Regelpensionsalter und eine Erhöhung der Anreize für einen Verbleib im Erwerbsleben über das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaus.

Bei der Altersteilzeit wird die geblockte Variante abgeschafft, allerdings mit einem längeren Übergangszeitraum. Ab kommendem Jahr steigt die Möglichkeit zum Antritt der Variante pro Jahr um sechs Monate. Derzeit kann man die geblockte Variante, mit der man zunächst voll, dann gar nicht mehr arbeitet, ab 60 in Anspruch nehmen. Die Neos begrüßen die Abschaffung der geblockten Altersteilzeit. “Sie ist ein Frühpensionierungsprogramm für Betriebe. Mit Steuergeld zahlen wir Unternehmen dafür, dass sie Mitarbeiter früher in den Ruhestand schicken”, kritisiert Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker den Status quo.

Einigung bei Anti-Korruptionsgesetz

Noch keine Details wurden zum seit Monaten verhandelten neuen Anti-Korruptionsgesetz verkündet. Laut Regierung gebe es zwar eine Einigung, diese soll aber erst am Donnerstag von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) präsentiert werden.

Mittwochnachmittag präsentierte die Bundesregierung die Ergebnisse ihrer Klausur.  <span class="copyright">APA/Roland Schlager</span>
Mittwochnachmittag präsentierte die Bundesregierung die Ergebnisse ihrer Klausur. APA/Roland Schlager

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