Sexuelle Belästigung in Bludenz: Widersprüchliche Aussagen von ÖVP und SPÖ

Der Bürgermeister spricht von einer gemeinschaftlichen Entscheidung, die SPÖ fordert jedoch schärfere Reaktionen.
Von Sarah Hartmann und Matthias Rauch
Bludenz Ein guter Stadt ins neue Jahr sieht für den Bludenzer Bürgermeister Simon Tschann anders aus. Aktuell beschäftigt ein Fall von sexueller Belästigung die politischen Oberhäupter der Alpenstadt.
Ein leitender Angestellter soll eine Kollegin auf der Weihnachtsfeier sexuell belästigt haben. Nach dem Vorfall hat sich die Mitarbeiterin an die Personalvertretung und den Bürgermeister gewandt. Die Bereichsleitung wurde dem Mitarbeiter von Bürgermeister Simon Tschann und Vizebürgermeisterin Eva Peter entzogen, so die Stadt.
Tschann verteidigt Vorgehen
Bei der städtischen Weihnachtsfeier am 16. Dezember soll der Vorgesetzte der Frau dieser an den Hintern gefasst haben. “Den Vorfall selbst hat niemand beobachtet. Es wurde auch reichlich Alkohol getrunken und das Ganze passierte wohl zu später Stunde”, erklärt Tschann. Der Schock sei groß gewesen, als die Frau am Montag nach der Weihnachtsfeier ins Bürgermeisterbüro gekommen war.

“Wir haben als Stadt sofort reagiert, die Führungskraft bis auf Weiteres in den Urlaub geschickt und den Vorfall mit beiden Beteiligten detailliert aufgearbeitet. Klar ist, dass ich so ein Verhalten nicht toleriere und das Folgen haben muss”, stellt der Bludenzer Bürgermeister klar. Die Konsequenzen wurden von Tschann und Peter gemeinsam mit einem hausinternen Juristen, der Personalvertretung und einem externen Anwalt beraten, erklärt Tschann den VN.
“Ich möchte meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen. Deshalb war mir eine überparteiliche Entscheidung gemeinsam mit der Vizebürgermeisterin wichtig. Die Führungskraft ist ab sofort nicht mehr Teil der ersten Führungsebene. Außerdem wurde eine Ermahnung ausgesprochen. Sollte etwas Ähnliches nochmal vorfallen, folgt eine fristlose Entlassung”, gibt Bürgermeister Simon Tschann zu verstehen.
SPÖ fordern nun Entlassung
Vonseiten der SPÖ sieht man die Affäre anders. “Der schockierende Fall sexueller Belästigung durch einen leitenden Mitarbeiter der Stadt Bludenz im Rahmen der städtischen Weihnachtsfeier macht uns alle sehr betroffen. Eine sofortige Entlassung durch den Bürgermeister wäre die einzig richtige Entscheidung gewesen”, so Vizebürgermeisterin Eva Peter.

Aus Sicht der SPÖ wurde nicht hart genug durchgegriffen. Von einem Entzug der Leitungsverantwortung könne keine Rede sein. “Es ist geplant, dass der betroffene Mitarbeiter Abteilungsleiter bleiben und somit sehr weich fallen wird”, sieht die Vizebürgermeisterin einen Täterschutz. Eine Kündigung des Mitarbeiters aufgrund des Fehltrittes sei außerdem keine Entscheidung des Bürgermeisters, sondern des Stadtrates. Die SPÖ, die neben der ÖVP drei der acht Stadträte stellt, wird die Kündigung in diesem beantragen. “Es ist alarmierend und nicht zu akzeptieren, wenn so ein Vorfall klein geredet und – im Sinne des Täters – nahezu ungeahndet bleibt”, hat Peter kein Verständnis. Dies gebe das unerwünschte Signal, dass “ein bisschen Grapschen eh o.k. ist”, klagt sie an.
Interne Quellen der Stadt Bludenz bestätigen jedoch, dass die Sanktionen von Vizebürgermeisterin Peter gemeinsam mit Bürgermeister Tschann ausarbeitet sowie unterzeichnet wurden.
Frage der Strafverfolgung
Grundsätzlich gelten alle vom Strafgesetzbuch erfassten Sexualdelikte als Offizialdelikte. Das bedeutet, dass diese Taten von den Strafbehörden verfolgt werden müssen, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Dies würde für sexuelle Belästigung etwa zutreffen, Paragraph 218 des StGB versteht darunter auch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle, die die Würde der betreffenden Person verletzt. Ansonsten muss die Polizei vom Opfer zu den Ermittlungen ermächtigt werden, damit diese stattfinden.
Beratungsstellen
Für Opfer sexueller Gewalt gibt es Unterstützung bei der Frauenberatungsstelle des ifs in Vorarlberg.
Im Bereich der sexuellen Belästigung, gerade beim Arbeitsplatz, unterstützt die Gleichbehandlungsanwaltschaft des Bundes.
Opferschutzanwalt Stefan Denifl sieht den Tatbestand der sexuellen Belästigung rein auf Basis der Berichterstattung erfüllt. Aus Sicht des Opferschutzes sei es grundsätzlich wünschenswert, wenn jeder Übergriff auch angezeigt wird. Es sei aber schlussendlich die Entscheidung des Opfers, ob es dies tun will oder nicht.

“Wichtig ist, dass der Dienstgeber, sobald er Kenntnis von solchen Zwischenfällen hat, auch reagiert und solche Vorwürfe ernst nimmt”, betont der Vertreter der Opferschutzorganisation Weißer Ring in Vorarlberg. Grundsätzlich hat das Opfer auf Basis des Gleichbehandlungsgesetzes außerdem Anspruch auf einen Schadenersatz von 1000 Euro durch den Täter.
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