Charles Ritterband

Kommentar

Charles Ritterband

Zeitbombe Nordkorea

Politik / 26.01.2023 • 08:29 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Soeben lesen wir, dass die Zeiger der imaginären „Doomsday Clock“, der „Weltuntergangsuhr“ des „Bulletin of the Atomic Scientists“ von Hundert Sekunden vor Mitternacht auf nur noch 90 Sekunden vorgestellt wurde: So nah waren wir laut den involvierten Wissenschafterinnen und Wissenschaftern noch nie am Weltuntergang. Grund ist ein existenzbedrohender Mix aus Ukraine-Krieg einschließlich Putins Drohung mit der Atombombe, Klimakrise und Pandemie. Als ich 1969 zum ersten Mal nach London reiste, führte mein Weg auch zum weltberühmten „Speaker´s Corner“ an der nördlichen Ecke des Hyde Park, wo jeder und jede politisch Bewegte (und jeder Spinner und jede Spinnerin) ihr oder sein Anliegen ungehindert zum Ausdruck bringen durfte. Damals fiel mir ein selbstgemaltes Schild mit der Aufschrift „The End is Nigh“ (das Ende steht bevor) auf, das ein unentwegter Weltuntergangsprophet mit Weltuntergangsmine vor sich hertrug.

Inzwischen stellen nicht nur englische Spinner, sondern offenbar auch angesehene amerikanische Wissenschafter derartige Weltuntergangsszenarien auf. Wie realistisch diese sind – darüber streiten sich die Gelehrten. Im Kalten Krieg, inklusive Kuba-Krise, lebten wir alle unter dem nuklearen Damoklesschwert; das viel zitierte „Gleichgewicht des Schreckens“, die MAD-Doktrin („mutualy assured distruction – gegenseitige gewisse Vernichtung) mag uns damals vor dem Schlimmsten bewahrt haben. Nun, dies ist auch heute noch der Fall – unter der Bedingung rational denkender und handelnder Akteure. Zumindest bei Putin ist man sich da nicht so ganz sicher (und auch für Biden würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen). Man denkt unweigerlich an die großartige, bisher unerreichte Weltuntergangs-Parodie „Dr. Strangelove“ aus dem Jahr 1964.

Nordkorea bewegt sich am Rande des nuklearen Wahnsinns.

Kaum sehr rational und eher am Rande des (nuklearen) Wahnsinns bewegt sich Nordkorea. Das Regime des Diktators Kim Jong-Un, in dessen Land sich gegenwärtig offenbar eine Hungersnot abspielt, testet unentwegt neue Nuklearwaffen-Systeme: Von U-Booten abgefeuerte oder auf Eisenbahnzügen montierte ballistische Atomraketen, Langstrecken-Cruise-Missiles und multiple Hypersonic-Missiles. Es gibt Hinweise, dass Nordkorea seinen siebten Atomtest vorbereitet, möglicherweise um der Welt seine neue Generation von taktischen Nuklearwaffen vorzuführen. Seinen ersten Atomtest hatte es bereits 2006 abgehalten. Das Spiel Kims mit dem Feuer könnte ein nukleares Wettrüsten auslösen: In Südkorea mehren sich die Forderungen nach nuklearer Bewaffnung. China könnte seine Rüstungsanstrengungen beschleunigen, ebenso das traditionell pazifistische Japan. Nordkorea ist eine tickende Zeitbombe.

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