Kein Schlusstrich im Hickhack um Agrargemeinschaften

Streit in Feldkirch als Anlass: Neos fordern Rechtssicherheit für Gemeinden.
Magdalena Raos, Julia Schilly
Schwarzach Es war 2008 eine richtungsweisende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zu einem Streitfall in Tirol, die österreichweit hohe Wellen schlug. Die Vorarlberger Politik beschäftigen die Agrargemeinschaften noch heute. Die Neos sehen dringenden Handlungsbedarf, besonders anlässlich von Feldkirch. Stadt und Agrargemeinschaft Altenstadt streiten, wenn die Grundstücke gehören und ob sie damals rechtlich einwandfrei der Agrargemeinschaft überschrieben worden sind.
Insgesamt stehen über die Hälfte der Landesfläche im Eigentum von Agrargemeinschaften. Es gibt mehr als 400 davon. 30 gingen aus Grundstücken hervor, die früher den Kommunen gehörten.
Tirol reparierte die Bestimmungen
Um die Causa zu verstehen, muss man zunächst bis 1982 zurück gehen, sagt Verfassungsjurist Peter Bußjäger den VN: Der Verfassungsgerichtshof hat damals sowohl in Tirol, als auch in Vorarlberg die Regelungen aus dem sogenannten Flurverfassungsgesetz, das unter anderem die Regulierungen von Gemeindegut ermöglichte, aufgehoben. Sie wurden als verfassungswidrig bewertet, da sie in der Tendenz zu einer entschädigungslosen Enteignung der Gemeinde führten.

Bis zu diesem Zeitpunkt waren in Vorarlberg circa 30 solcher Agrargemeinschaften aus Gemeindegüter reguliert worden. “Der Vorarlberger Gesetzgeber hat auf dieses Erkenntnis nicht reagiert”, schildert Bußjäger weiter, aber immerhin im Gesetz über das Gemeindegut 1998 klargestellt, dass es keine weiteren Regulierungen mehr geben darf. Der Tiroler Landesgesetzgeber hat diese Bestimmung hingegen “repariert”.
Urteil im Falle Mieders eventuell richtungsweisend
Auch 2008 hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die Regulierungen im Falle der Gemeinde Mieders dazu geführt haben, dass die Gemeinde de facto entschädigungslos enteignet wurde, wie das bereits 1982 bereits festgestellt wurde. Daraufhin musste der Tiroler Landesgesetzgeber sein Flurverfassungsgesetz ändern und hat es seither mehrfach novelliert. 2014 wurde in Tirol schließlich das Agrargesetz verabschiedet. Es räumte den Gemeinden in vollem Umfang den Zugriff und die Verwendung über den Substanzwert ein, sprich Gewinne aus zum Beispiel der Jagdpacht, Schottergruben oder dem Verkauf von Bauland.
In Vorarlberg hat es hingegen kein derartiges Erkenntnis gegeben; es ist kein Fall vor die Höchstgerichte gegangen. 1998 hat der Vorarlberger Landesgesetzgeber mit dem Gesetz über das Gemeindegut die Eigentümereigenschaft diese circa 30 Agrargemeinschaften unberührt gelassen. “Jetzt stellt sich die Frage, ob dieses Mieder-Erkenntnis auch Anwendung auf diese 30 Vorarlberger Regulierungen findet und welche Konsequenzen das hat”, sagt Bußjäger.
Der Knackpunkt in der Diskussion ist nun, ob die Situation in Tirol und Vorarlberg identisch ist. “In Vorarlberg wird argumentiert, dass im Gegensatz zu Tirol sogenannte Hauptteilungen stattgefunden hätten und alle Regulierungen auf der Basis eines einvernehmlichen Abkommens der Agrargemeinschaft und Gemeinden ab den 1950er- bis in die 1970er-Jahre erfolgt seien”, so Bußjäger. Der Experte ergänzt: “Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ob das aber letztlich die richtige Rechtsmeinung ist, wissen wir nicht, da die Gemeinden das letztlich nie bekämpft haben.”
Ergebnisse der Arbeitsgruppe bewerten
In der Folge der Erkenntnis von Mieders wurde jedoch vom Land eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Sie sollte die Auswirkungen der Entscheidung auf die heimischen Agrargemeinschaften in jeder spezifischen Gemeinde analysieren. Nenzing hat zum Beispiel in der Folge eine ergänzende Vereinbarung mit der Agrargemeinschaft geschlossen.

Die Neos verwiesen in ihrem aktuellen Antrag, den sie diese Woche im Ausschuss einbrachten, vor allem auf die Situation in Feldkirch. Demnach habe die Vorgänge um Entschädigungszahlungen an die Agrargemeinschaft für den Betrieb eines Grundwasserbrunnens, sowie ein Kiesabbau-Projekt bei den Paspels-Seen „eine Diskussion über die Rechtmäßigkeit und vor allem Gerechtigkeit der dortigen Vermögensauseinandersetzungen“ aufkommen lassen, schreiben Klubobfrau Sabine Scheffknecht und der Mandatar Johannes Gasser (beide Neos).
Für die Neos ergeben sich anhand dieser Vorgänge nun generelle Fragen rund um die vom Land eingesetzte Arbeitsgruppe 2008 und 2009. Sie fordern in ihrem Antrag die Landesregierung dazu auf, deren Erkenntnisse zur Beurteilung und Umsetzung der Höchstgerichtsentscheidung durch unabhängige Expertinnen und Experten beurteilen zu lassen. Darüber berichtete zuerst der ORF Vorarlberg.
Neos: “Schlussstrich ziehen”
Die Neos nehmen Bezug auf ein Gutachten, das die Stadtvertretung in Auftrag gegeben hat. Demnach hat die notwendige sogenannte Hauptteilung zwischen der Stadt und der Agrargemeinschaft 1960 nicht stattgefunden, die VN berichteten. “Am Feldkircher Beispiel sieht man schon auch, dass es Konstellationen geben kann, an die man damals in der Arbeitsgruppe vielleicht nicht so gedacht hat”, sagt Bußjäger. Vor diesem Hintergrund ergebe eine neuerliche Beurteilung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe vielleicht Sinn.

„Man sollte sich die Gesamt-Ergebnisse anschauen“, sagt Neos-Mandatar zu den VN. Die Frage sei nach wie vor, ob die Verträge von damals dem höchstrichterlichen Verständnis entsprechen. Er berichtet von einer Vertagung des Antrages im Ausschuss vergangene Woche. „Aber wir werden Druck machen, dass es sich nicht verläuft. Wir wollen endlich weiterkommen und einen Schlussstrich ziehen.“ Für die Gemeinden brauche es Rechtssicherheit.
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