Rückenwind für Tempolimit 100

Österreichische Verkehrsexperten forderten erneut Temporeduktionen. Das Ministerium winkt ab.
Wien Das Klimaziel wird verfehlt. Das stellten 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg in einem aktuellen Bericht fest, der am Mittwoch präsentiert wurde. Das bedeutet, dass der globale Temperaturanstieg nicht auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt werden kann, wenn keine stärkeren Bemühungen passieren. Vor allem das Verhalten von Konsumenten und Unternehmen bremst den weltweit dringend notwendigen Klimaschutz, heißt es. Dieser Bericht fällt in die neuerlich auflodernde Debatte rund um Tempobegrenzungen in Österreich.
Am Mittwoch forderten Verkehrsexperten in einem Offenen Brief an die Bundesregierung eine Temporeduktion auf Österreichs Straßen. Für ein Limit von 30 km/h im Ortsgebiet, 80 km/h auf Freilandstraßen und 100 km/h auf Autobahnen gebe es gute wissenschaftliche Gründe, heißt es in dem Schreiben der Leiterinnen und Leiter von Verkehrsinstituten bzw. -forschungsbereichen der Technischen Universität (TU) Wien, der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien und der Uni Innsbruck.
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Mehrheit im Nationalrat fehlt
Vom Verkehrsministerium kam am Mittwoch jedoch umgehend ein Nein für strengere Tempolimits, weil es im Nationalrat keine Mehrheit dafür gibt. Klimaschutz- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte niedrigeren Tempolimits bereits mehrfach eine Absage erteilt, hält diese jedoch für sinnvoll. “Geringes Tempo führt zu weniger Verkehrstoten, verursacht weniger klimaschädliche Emissionen und spart durch den geringeren Treibstoffverbrauch auch Geld. Es gibt jedoch für eine gesetzliche Änderung der Höchstgeschwindigkeiten im Nationalrat keine Mehrheit. ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS haben sich dagegen ausgesprochen. Das ist in unserer Demokratie selbstverständlich zu akzeptieren”, hieß es aus dem Ministerium.
Strengere Kontrollen
Die Wissenschaftler fordern zudem eine Ausweitung der Kontrolldichte, damit zulässige Höchstgeschwindigkeiten eingehalten werden, eine Reduktion der Messtoleranzen bei Radarkontrollen auf das technisch notwendige Minimum, eine Abschaffung der bundesländerspezifischen “Straftoleranzen” sowie eine bundesweite Vereinheitlichung der Strafhöhen und deren Anhebung, “um die präventive Wirkung zu erhöhen”.
Mit der geforderten Temporeduktion könnten den Wissenschaftern zufolge die CO2-Emissionen aus dem Kfz-Verkehr um rund 2,4 Mio. Tonnen bzw. zehn Prozent gegenüber 2019 gesenkt werden. Bei gleicher Verkehrsleistung würden 900.000 Tonnen bzw. zehn Prozent weniger an fossilem Treibstoff verbraucht. Zudem würden damit im Straßenverkehr rund 116 Menschen (28 Prozent) weniger getötet und knapp 7.000 (19 Prozent) weniger verletzt.
Elf Minuten Verlust
Auf Autobahnen brächte ein Tempo-100-Limit einen individuellen Zeitverlust von rund elf Minuten auf 100 Kilometer. Dem stehe eine Kostenersparnis von bis zu 2,8 Euro bei dieser Distanz gegenüber. Dazu komme ein “enormer volkswirtschaftlicher Nutzen in Form eingesparter Unfall-, Lärm- und Umweltkosten”.
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