Arbeiterkammer schlägt bei Wohnkosten Alarm

Politik / 09.02.2023 • 12:24 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Arbeiterkammer schlägt bei Wohnkosten Alarm
Montage: Canva, VN/Steurer, Gorbarch, AK/Hagen

Kosten-Hammer schlägt laut einer Wohnumfrage der Vorarlberger Arbeiterkammer erbarmungslos zu. AK-Präsident Bernhard Heinzle und AK-Direktor Rainer Keckeis fordern Maßnahmen.

Feldkirch Eine aktuelle Wohnumfrage der AK Vorarlberg lässt keine Zweifel offen: Für immer mehr arbeitende Menschen im Land werden die Kosten fürs Wohnen zu einer bedrohenden Größe.

Arbeiterkammer schlägt bei Wohnkosten Alarm

„Der Kosten-Hammer schlägt vor allem für Geringverdienende und Mietern privater Wohnungen erbarmungslos zu“, schlägt AK-Präsident Bernhard Heinzle (47) Alarm. „Es macht betroffen, wenn knapp die Hälfte aller in Miete lebenden Umfrageteilnehmer nicht wissen, ob sie die aktuelle Inflation finanziell noch länger stemmen können, fast jeder Zehnte kann es schon jetzt nicht mehr.“ Und das, obwohl die Stromkosten in Vorarlberg bislang noch gar kein Treiber waren, die Wohnkosten an sich das Problem sind. „Wir brauchen dringend kurzfristige Maßnahmen und zudem langfristige Lösungen“, fordert Heinzle.

Arbeiterkammer schlägt bei Wohnkosten Alarm

“Teuerungsgeschwür” erreicht Mittelstand

Das Teuerungsgeschwür fresse sich immer weiter in die Gesellschaft hinein und habe mittlerweile auch schon den Mittelstand erreicht: Mussten die Vorarlberger vor vier Jahren durchschnittlich noch 28 Prozent ihres Haushaltseinkommens für das Wohnen aufwenden, sind es heute schon über 32 Prozent. Von einer Wohnkosten-Überbelastung ist nämlich dann die Rede, wenn jemand mehr als 40 Prozent des Haushaltseinkommens für das Wohnen ausgeben muss. „Für 37 Prozent der Umfrageteilnehmer trifft das zu, bei privaten Mietern sind es sogar 43 Prozent“, ergänzt AK-Direktor Rainer Keckeis (64) .„Knapp die Hälfte aller in Miete, lebenden Umfrageteilnehmer wissen nicht, ob sie die aktuelle Inflation noch länger finanziell stemmen können, beinahe acht Prozent können es bereits jetzt nicht mehr.“

Arbeiterkammer schlägt bei Wohnkosten Alarm

Langfristige Entwicklung

Zu allem Überdruß, so Keckeis, stelle sich die aktuelle Situation noch besser dar, als sie eigentlich ist. „Aus qualitativen Kommentaren wissen wir, dass sich die Energiekrise noch gar nicht wirklich in den finanziellen Belastungen niedergeschlagen hat, sondern vor allem Mieterhöhungen, Betriebskostenerhöhungen und gestiegene Ratenzahlungen den Leuten Sorgen machen“, betont Keckeis. Denn die derzeitige Situation sei auch einer langfristigen Entwicklung geschuldet. “Nämlich der, dass die Preise für Immobilien und die Mieten wesentlich stärker steigen als die Löhne und Gehälter.” Dazu kommen laut Keckeis eine Rekord-Inflation von mehr als acht Prozent im Vorjahr (Jänner 2023 über 11 Prozent), noch nicht absehbare Konsequenzen der Energiekrise und steigende Zinsen bei Wohnbaukrediten. Diese ohnehin dramatische Gemengelage werde verschärft durch das Fehlen günstiger Wohnungen für Haushalte mit niedrigen Einkommen. “Weil kaum ein Ausweichen möglich ist, überschreiten viele die mittlerweile unrealistischen Höchstgrenzen für die Wohnbeihilfe. Der niedrige Anteil der Gemeinnützigen und der Druck des privaten Wohnungsmarktes mit kurzen Befristungen tun ein Übriges.”

Arbeiterkammer schlägt bei Wohnkosten Alarm
„Der Kosten-Hammer schlägt vor allem für Geringverdienende und Mietern privater Wohnungen erbarmungslos zu“, schlagen AK-Präsideten Bernhard Heinzle (r.) und AK-Direktor Rainer Keckeis Alarm. VN

Forderungspaket der Arbeiterkammer

Kurzfristige Maßnahmen
Inflationtsbremse bei Mieten

  • Für sämtliche Wohnungsmietverhältnisse ist in Zeiten hoher Inflation eine einheitliche Regelung zur Wertanpassung des Hauptmietzinses einzuführen. Die Mieten sollen nicht öfter als einmal im Jahr erhöht werden dürfen, die Erhöhung soll mit zwei Prozent gedeckelt sein. Dass soll so lange gelten, bis es zu einer großen Mietrechtsreform kommt, die längst überfällig ist.
  • Die letzte Mietanpassung vor Einführung dieser Regelung muss mindestens ein Jahr zurückliegen und eine rückwirkende Mieterhöhung wird gesetzlich für alle Wohnungsmietverhältnisse ausgeschlossen. Die Anpassung ist vom Vermieter 14 Tage vor dem Inkrafttreten dem Mieter schriftlich mitzuteilen.
  • Im Fall einer Verlängerung eines bestehenden Mietvertrages hat der bisher vereinbarte Mietzins mit dieser Wertsicherungsregelung weiter zu gelten.
  • Die Befristungsmöglichkeit für gewerbliche Vermieter sollte abgeschafft werden.

Mietrechtsreform

Generell gehört das Mietrecht reformiert, für Wohnungsmieten sollte ein einheitliches Mietrecht geschaffen werden mit fairen Regelungen für Mieter und Vermieter.

Sozialer Wohnbau als Schlüssel zu mehr Entspannung auf dem Wohnungsmarkt für Mieter

  • Mehr sozialer Wohnbau
  • Neue Kategorie im sozialen Wohnbau für Menschen mit Erwerbsabsicht (Miet-Kauf-Wohnungen), deren Zuweisung nicht mehr ausschließlich über die Gemeinden erfolgt.
  • Aufhebung der Befristung im sozialen Wohnbau, dafür Einkommensüberprüfung nach 15 Jahren und Einführung der Möglichkeit, den Mietpreis nach oben anzupassen.

Langfristige Lösungen:

Klares Bekenntnis zu Grundrecht auf Wohnen und leistbarem Wohnen

  • Es braucht die Einführung einer Bewilligungspflicht für den Erwerb von Baugrund und deren Versagung für jene, die keinen direkten Wohnbedarf nachweisen können.
  • Baubewilligungen soll nur erteilt werden, wenn ein Wohnbedarf nachgewiesen wird.

Umwidmungen besteuern

Wird Grünland in Bauland umgewidmet, steigt der Wert eines Grundstücks im Durchschnitt um das 26-Fache. Wir fordern daher eine Abschöpfung der Umwidmungsgewinne in Höhe von mindestens dreißig Prozent. Diese Mehrwertabgabe würde enorme Mittel lukrieren, die dem Bodenfonds und dem sozialen Wohnbau zugutekommen sollten.

Bodenfonds

Ein Grundstückfonds des Landes zum gezielten Ankauf von Grundstücken soll insbesondere dem sozialen Wohnbau und dem Wohnbau zum Eigenbedarf zugutekommen. Das könnte die enorme Kostenentwicklung des letzten Jahrzehnts bei Bodenpreisen einbremsen.

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Auszüge aus Originalkommentaren der AK-Umfrage

„Ich arbeite und mache nebenher ein Studium, das ich selbst bezahlen muss. Ich habe oft Angst das es sich Finanziell nicht ausgeht, da wir erst vor kurzem in eine eigene Wohnung gezogen sind.“

„Der Kredit ist mittlerweile 800 Euro teurer geworden. Durch mein Kind kann ich nur am Vormittag zwischen 8-12 Uhr schaffen. Das Geld reicht nicht. Einkaufen probieren wir so wenig wie möglich und günstig zu kaufen. Wir können keine Aktivitäten machen wie schwimmen gehen, weil das alles so teuer ist. Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht … mache aktuell noch eine Weiterbildung neben meiner Arbeit.“

„Mit nur einem Einkommen ist Wohnen ohne enorme psychische Belastung nicht mehr möglich. Urlaubsgeld und Weihnachtsremunerationen gehen für monatliches Minus drauf. Wir sind an einer Stelle angelangt, bei der Menschen, die fast 40 sind und ihr Leben lang Vollzeit gearbeitet haben, sich eine einfache 2-Zimmer-Wohnung nicht mehr leisten können! Zusätzlich werden die neuen Mietverträge mit einer neuen Klausel versehen, die es verbietet, im ersten Jahr einen Nachmieter zu suchen – unglaublich!“

„Es ist eine Schande, wenn eine Frau, Jahrgang 1954, die drei Kinder aufgezogen hat, seinerzeit keine Möglichkeit auf Kinderbetreuung hatte, daher nicht arbeiten konnte, sondern erst bei Schulabtritt, und zwar nach 10 Jahren und dann nur 50%, dann kann man sich die Höhe der Pension für eine geschiedene Frau leicht ausrechnen. Es wird immer von Kinderarmut gesprochen, aber nie von Frauenarmut. Die Mütter waren es, die die Familie zusammengehalten haben und gekocht und gewaschen haben, statt Karriere zu machen.“

„Bei den Mietpreisen muss sich auf jeden Fall etwas ändern, das kann sich sonst bald keiner mehr leisten. Wir sind ein junges Paar, das halbwegs gut verdient, zum Sparen reicht es aber oft auch nicht. Gottseidank werden dieses Jahr auch die Maklerprovisionen für Mieter abgeschafft, das hätte längst schon passieren sollen.“

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