Politische Folgen der Katastrophe: Das sagt der Vorarlberger Türkei-Experte Cicek

Politik / 14.02.2023 • 15:05 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Präsident Erdogan im Gespräch mit Anrainern in der stark betroffenen Stadt Diyarbakir. <span class="copyright">AFP</span>
Präsident Erdogan im Gespräch mit Anrainern in der stark betroffenen Stadt Diyarbakir. AFP

Politologe verweist auf Korruptionsproblem im Bausektor – und das seit Jahren.

Schwarzach Nach der Erdbebenkatastrophe im syrisch-türkischen Grenzgebiet ist nichts wie es vorher war. In der betroffenen Region ist die Not verheerend. In der Türkei mischt sich zum Entsetzen zunehmend auch Wut über die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Opposition ortet grobe Versäumnisse.

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Erste Haftbefehle sind bereits im Zusammenhang mit dem Beben erlassen worden: Die Verantwortlichen sollen für Baumängel zur Verantwortung gezogen werden. Hüseyin Cicek, Vorarlberger Türkei-Experte, spricht von einem „korrupten Bausystem“ in dem Land – und das schon seit Jahren. Das sei aber nicht etwas, was man ausschließlich der herrschenden AKP von Erdogan anlasten könne.

Wahlen im Mai geplant

Der Politologe und Religionswissenschaftler gibt zu bedenken, dass die Informationslage derzeit verwirrend sei. „Vom Ausmaß der Zerstörung vor Ort kann man sich kein Bild machen.“ Nun versuchten alle, sowohl die Opposition als auch die Regierung, aus dem Chaos Profit zu schlagen. Viel sei momentan die Rede von Neuaufbau, von einer Erneuerungswelle. “Alle wollen sich das auf die Fahnen schreiben.” In der Türkei sind am 14. Mai Präsidentschafts- und Parlamentswahlen angesetzt.

Oppositionsführer Kilicdaroglu warf der Regierung grobe Versäumnisse vor. <span class="copyright">Reuters</span>
Oppositionsführer Kilicdaroglu warf der Regierung grobe Versäumnisse vor. Reuters

Experten kritisieren, dass Bauvorschriften für mehr Schutz vor Beben nicht umgesetzt worden sind. Die Opposition macht die Regierung für den Pfusch am Bau verantwortlich. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der CHP warf Erdogan, der seit 20 Jahren an der Macht ist, zuletzt vor, das Land nicht auf die Katastrophe vorbereitet zu haben. Zudem kritisierte er die Regierung für eine Bau-Amnestie 2018, mit der illegal errichtete Gebäude gegen Strafzahlung im Nachhinein legalisiert worden sind. „Die AKP hat sicher entsprechende Handlungen verabsäumt. Aber auch vor der AKP-Regierung gab es Erdbeben mit schlimmsten Auswirkungen“, sagt Politologe Cicek. Vielmehr ortet er ein generelles Korruptionsproblem, vor allem im Bausektor. „Das ist nicht neu, und das gibt es schon länger.“ Er glaubt: „Da wird noch eine Schlammschlacht auf uns zukommen.“

Politologe und Religionswissenschaftler  Hüseyin Cicek. <span class="copyright">Cicek</span>
Politologe und Religionswissenschaftler Hüseyin Cicek. Cicek

Schwierige Prognosen

Prognosen zum aktuellen Zeitpunkt über die Wahl sind angesichts des vorherrschenden Chaos denkbar schwierig. Darauf verweist auch Cicek. „Selbst wenn Erdogan verlieren sollte, stellt sich die Frage: Was kommt danach? Die Opposition stellt sich gegen ihn, aber die Gräben, die er geschlagen hat, lassen sich nicht so einfach zuschütten.“ So sei beispielsweise auch ohne Erdogan keine rasche Änderung in der türkischen Außenpolitik zu erwarten. Außer der Gegnerschaft zum Präsidenten eine die Parteien nicht viel. Außerdem könnte es dem Experten zufolge auch Erdogan gelingen, die Unsicherheit für sich zu nutzen. „Es ist möglich, dass die Lage in einem Monat schon wieder ganz anders aussieht.“

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