Deutlich mehr neue Vorarlberger: “Die Sprache war der Schlüssel”

In ganz Österreich wurden im Vorjahr 20.000 Menschen eingebürgert. Ghassan Alhashoum ist einer von ihnen.
Nüziders An exakt 20.606 Personen ist im Vorjahr die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. In Vorarlberg waren es 647 Menschen. Ghassan Alhashoum gehört zu den neuen Vorarlbergern des Jahres 2022. Er musste vor zehn Jahren aus Syrien fliehen. “Die Sprache war der Schlüssel zum Leben hier”, berichtet er den VN.

Der 38-Jährige und seine Ehefrau mussten trotz sicherer Jobs ihr Heimatland verlassen. Er lernte Flugzeugmechaniker, studierte an der Militärakademie und wurde Offizier. Als 2011 der Bürgerkrieg ausbrach, arbeitete er am Militärflughafen und lebte in Aleppo. Zunächst flüchtete Alhashoum in die Türkei, aber dort boten sich keine beruflichen Perspektiven für ihn und seine Ehefrau Ebtehl Bazaz, die in Syrien Englischlehrerin war. “Mein Bruder kam schon vorher nach Österreich und hat mir erzählt, dass es hier tip top ist”, berichtet Alhashoum.
Gemeinsam, aber getrennt lernen
Schließlich fasst auch er den Entschluss, nach Österreich zu kommen. “Wir wussten, dass der Krieg nicht nur ein oder zwei Jahre dauern wird. Es wurde immer schlimmer”, sagt er. Nachdem er seine Aufenthaltsgenehmigung bekam, konnte er Anfang 2016 seine Familie nachholen. Schon zuvor lernten beide Deutsch, wenn auch noch geografisch weit getrennt voneinander. “Was ich hier im Deutschkurs gelernt habe, habe ich meiner Frau geschickt. Als sie hergekommen ist, konnte sie Deutsch bereits auf B1-Niveau”, erzählt Alhashoum stolz. Im Wifi Dornbirn konnte sie daher sofort eine Ausbildung zur Kindergartenassistentin absolvieren und arbeitete bereits 2017 in dem Beruf.
Anschluss im Eisstockschießverein
Die drei Töchter lernten im Kindergarten und in der Schule schnell die Sprache. Die Älteste geht heute in die dritte Klasse Gymnasium. Der kleine Sohn wurde bereits in Österreich geboren. Der gebürtige Syrer arbeitet seit fünf Jahren als Busfahrer bei den ÖBB, jetzt hat er sich um eine Stelle als Lokführer beworben.
“Für mich war es ein großer Vorteil, dass mein Bruder schon hier war. Er war Mitglied im Eisstockschießverein in Nüziders. Das war wichtig, denn was man im Deutschkurs lernt, ist nicht genug. Man muss hier mit Leuten reden, reden, reden.”

Vieles gut gelaufen in der Integration
Das ist ein Punkt, den auch Eva Grabherr teilt. Sie ist Geschäftsführerin des Vereins „okay. zusammen leben“, der sich mit dem Thema Integration und Zusammenleben in Vielfalt in Vorarlberg beschäftigt. “Ein guter Teil der aktuellen Einbürgerung sind Menschen, die um 2015/2016 nach Österreich kamen. Das ist ein interessanter Hinweis, wie gut die Integration geklappt hat”, sagt sie den VN. In den vergangenen zwei Jahren hat der Verein Erfahrungen, die in der Integrationsarbeit mit Geflüchteten nach 2015 gemacht wurden, gemeinschaftlich mit den Akteurinnen und Akteuren der Integrationsarbeit dokumentiert und reflektiert. Eine Erkenntnis war zum Beispiel, dass mit der Fluchtzuwanderung 2015 vieles flächendeckend umgesetzt wurde, was zuvor punktuell vorhanden war. Aber häufig hängt eine gelungene Integration auch vom Engagement Einzelner in Österreich ab.
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27,4 Prozent mehr Einbürgerungen
Das Büro von Landesrat Christian Gantner (ÖVP) informiert, dass 2022 laut der Landesstelle für Statistik 647 Personen in Vorarlberg die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde. In ganz Österreich waren es nach den am Donnerstag veröffentlichten Zahlen der Statistik Austria exakt 20.606 Personen. Das ist österreichweit ein Plus von 27,4 Prozent gegenüber 2021. In Vorarlberg liegt die Gesamtzahl der Staatsbürgerschaftsverleihungen rund 52 Prozent über dem Zehnjahresdurchschnitt. Mehr Verleihungen waren zuletzt im Jahr 2008 (681 Personen) zu verzeichnen, informiert Gantner.
50 Prozent der Eingebürgerten stammt aus Europa (ohne EU/EFTA) inklusive der Türkei und der GUS-Staaten. Etwa 25 Prozent haben eine asiatische Herkunft. Viele neue Vorarlberger sind sehr jung. Fast ein Drittel ist jünger als 15 Jahre. Ein Viertel fällt in die Altersgruppe der 15- bis 30-Jährigen. Ein weiteres Drittel war 30 bis 45 Jahre alt. Nur knapp zehn Prozent sind älter als 45 Jahre.
145 Personen waren aus der Türkei (+25 Prozent), 95 aus Syrien (+83 Prozent), 49 aus Bosnien-Herzegowina (+32 Prozent), 38 aus Russland (+124 Prozent) und 25 aus Afghanistan (+19 Prozent). Aus Serbien wurden 24 Personen eingebürgert, was aber einem Minus von 44 Prozent zum Jahr davor entsprach. Die Prozentangaben sind jedoch mit Vorsicht zu lesen: Auf Grund der relativ geringen Anzahl an Einbürgerungen in Vorarlberg im Vergleich zu anderen Bundesländern kommt es bei Abweichungen zum Vorjahr zu prozentuell hohen Ausschlägen.

“In Krisenzeiten wollen die Menschen in einem sicheren Land auf Dauer wohnen. Dafür bietet die österreichische Staatsbürgerschaft sehr gute Voraussetzungen”
Landesrat Christian Gantner
Die Entwicklung der Einbürgerungen hat aus Sicht von Landesrat Gantner im wesentlichen folgende Gründe: Die Flüchtlingswelle 2015/2016 zeige jetzt, nach mehr als sechs Jahren, auch im Bereich der Staatsbürgerschaft ihre Auswirkungen: Sehr gut integrierte Flüchtlinge können mit Deutschkenntnissen auf Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen schon nach einem sechsjährigen Aufenthalt eingebürgert werden, wenn sie auch die weiteren Voraussetzungen wie etwa Unbescholtenheit oder geregelte Arbeit erfüllen. “In Krisenzeiten wollen die Menschen in einem sicheren Land auf Dauer wohnen. Dafür bietet die österreichische Staatsbürgerschaft sehr gute Voraussetzungen”, so Gantner weiter.
Viele Einbürgerungen aus Syrien und der Türkei
In ganz Österreich wurden 2022 um 27,4 Prozent mehr Menschen eingebürgert als 2021. Das gehe vor allem auf die Einbürgerungen von Verfolgten des NS-Regimes und deren Nachkommen zurück, die fast die Hälfte der Einbürgerungen im Jahr 2022 ausmachten, erklärt Tobias Thomas, Generaldirektor der Statistik Austria. Bei Personen mit Wohnsitz in Österreich betrug das Plus bei den Einbürgerungen nur zwölf Prozent. Hier erhielten am häufigsten Staatsangehörige aus der Türkei – und wie Ghassan Alhashoum – aus Syrien die Staatsbürgerschaft.
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