Darum setzt Russland laut Politologe Mangott wohl auf einen langen Krieg

Experte hält ein rasches Ende für unwahrscheinlich.
Schwarzach Ein Jahr nach Kriegsbeginn liegt der Fokus Russlands insbesondere auf der Provinz Donezk. Darauf verweist der Experte Gerhard Mangott im Gespräch mit den VN. Was die Reaktion auf die nukleare Drohkulisse des Kremlchefs angeht, sieht der Politikwissenschaftler im Westen zwei Lager.
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Auf welche Gebiete konzentrieren sich die Kämpfe derzeit?
Die Frontlinie hat sich in den letzten Monaten kaum bewegt. Russland hat verlustreich versucht, Wuhledar und Bachmut in der Provinz Donezk einzunehmen, das ist bisher nicht gelungen. Falls Bachmut fällt, könnten russische Truppen auf die Verteidigungslinie der Ukraine vorstoßen; eine wichtige Eisenbahnlinie in den Süden wäre wieder sicher vor ukrainischen Artillerieschlägen. Russland versucht ja, den Donbass „zu befreien“, wie es sagt, das ist das prioritäre Kriegsziel. Auch in der nördlich gelegenen Provinz Luhansk, die ebenfalls zum Donbass gehört, finden Kämpfe statt. Eine russische Offensive dürfte sich aber vor allem auf die Provinz Donezk konzentrieren.

Russland hat den Atomwaffen-Kontrollvertrag New START mit den USA ausgesetzt. Wie gefährlich ist das?
Es heißt, dass nun überhaupt keine Daten mehr ausgetauscht werden über das Nukleararsenal. Beide Seiten haben nur noch nationale Möglichkeiten zur Überwachung. Das Problem ist: Russland hat eine Suspendierung gesetzlich verankert, der Vertragstext sieht eine solche aber gar nicht vor. Die Frage ist, wie die USA reagieren. Russland hat Bedingungen diktiert, die nicht erfüllt werden dürften – Es ist nicht zu erwarten, dass die Suspendierung aufgehoben wird. Das würde noch nicht bedeuten, dass beide Seiten ein nukleares Wettrennen starten. Die Wahrscheinlichkeit ist aber größer. Es fehlt das gegenseitige Vertrauen.
Sind atomare Drohungen des russischen Präsidenten ernst zu nehmen?
Die nukleare Drohung, die Putin verwendet, ist ein Risikoszenario für den Fall, dass die Ukraine die Krim erobern könnte. Falls es bevorstünde, ist es nicht wahrscheinlich, aber möglich, dass Russland taktische Nuklearwaffen einsetzen könnte. Putin hat in seiner Rede zur Lage der Nation gesagt, dass die USA eine strategische Niederlage Russlands anstreben, es gehe um die Existenz des russischen Staates. Die gleiche Formulierung finden wir auch in der Nukleardoktrin Russlands. Im Westen gibt es zwei Lager. Das eine hält das für einen Bluff, Putin wolle demnach nur Angst säen. Ein Teil denkt auch: Wenn die Krim verloren ist, dann wird wohl auch Putin gestürzt, das wäre das Sekundärziel. Das andere Lager sagt: Es könnte ein Bluff sein – oder auch nicht. Das sei zu riskant. Es plädiert dafür, dass man die Ukraine nicht dazu befähigt, die Krim zu erobern, wegen der Eskalationsgefahr.
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Wie lange wird der Krieg noch dauern?
Das lässt sich seriös nicht wirklich beantworten. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er uns dieses Jahr noch begleitet und auch nächstes Jahr noch begleiten kann. Russland setzt auch auf einen langen Krieg, damit der Westen Risse bekommt, auf Diskussionen, wie weit man die Ukraine noch unterstützen soll, damit die Stimmung in den westlichen Ländern kippt. Das ist ein russisches Kalkül. Putin hat davon geredet, „Schritt für Schritt, sorgfältig und konsequent“ vorzugehen. Das klingt nicht danach, dass er baldige Erfolge erwartet.
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