Darum droht die Mietpreisbremse zu scheitern

Politik / 24.02.2023 • 14:45 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Bei den Richtwertmieten könnte es bald zu einer starken Erhöhung kommen. <span class="copyright">APA/Hochmuth</span>
Bei den Richtwertmieten könnte es bald zu einer starken Erhöhung kommen. APA/Hochmuth

Koalition ist uneinig. Ökonom bezeichnet Instrument aktuell als „notwendig und sinnvoll“.

Wien, Schwarzach Kommt eine Mietpreisbremse oder nicht? Am Freitag waren viele Fragen offen. Zuletzt schien eine Einigung zwischen ÖVP und Grünen überhaupt noch in der Schwebe. Ein gemeinsamer Antrag stand zunächst aus. Damit ist ein rechtzeitiger Beschluss unwahrscheinlicher geworden. Das Instrument erhitzt die Gemüter: Während die einen von einer dringenden Notwendigkeit sprechen und auf Tempo pochen, orten die anderen vor allem Populismus.

Streit um Freibetrag

Ausgangsposition ist, dass die Richtwertmieten, die sich am Verbraucherpreis orientieren, ab 1. April um 8,6 Prozent steigen sollen. Betroffen wären rund 776.000 Menschen, die VN berichteten. Die Koalition wollte das eigentlich verhindern. Ein angedachtes Modell sah etwa vor, dass die Erhöhung über mehrere Jahre gestreckt werden könnte. Die ÖVP erklärte, für zwei Jahre eingetreten zu sein. Dem Vernehmen nach war das den Grünen zu wenig, sie drängten auf drei Jahre.

Streit gibt es offenbar aber in einer anderen Angelegenheit. Medienberichten zufolge wollte die ÖVP die Mietpreisbremse mit einem Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer kombinieren. Das Finanzressort sprach beispielsweise von 500.000 Euro. Zudem sollte etwa die Eintragungsgebühr fallen. Die ÖVP argumentierte damit, dass junge Menschen leichter Eigentum erwerben könnten. Die Grünen sehen laut Ö1 indes auch Vorteile für jene, die eine Millionen-Villa kaufen und vermissen eine Gegenfinanzierung. Dem Finanzressort zufolge handelt es sich um keine neue Forderung. Es gehe um ein generelles Wohnpaket. Nur geschätzt 300.000 bis 400.000 Mieten in Österreich zählten zu den Richtwerten, drei Viertel davon seien Altbaumieten in Wien.

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Die Mietervereinigung schlug angesichts des drohenden Scheiterns Alarm. “Die unablässigen Mieterhöhungen haben zusammen mit explodierenden Energiepreisen und verteuerten Lebensmitteln viele Menschen in finanzielle Not gebracht“, warnte Präsident Georg Niedermühlbichler.

Bernhard Heinzle, Präsident der Vorarlberger Arbeiterkammer sprach von “hunderten Millionen Euro Mehrlastung für die Betroffenen.” In Vorarlberg sei die Situation überhaupt noch viel dramatischer. Denn für die meisten Mietverhältnisse sei weder der Richtwert-, noch der Kategorie-Mietzins anwendbar. “Die Menschen in Vorarlberg sind schutzlos den ständigen Anpassungen des Mietzinses an den Verbraucherpreisindex ausgesetzt. Mietforderungen können sogar drei Jahre rückwirkend gemacht werden.” Die AK fordert daher eine einheitliche Regelung. Mieten sollten nicht öfters als einmal im Jahr angepasst werden dürfen, ein Deckel bei zwei Prozent eingezogen werden. Eine rückwirkende Mieterhöhung müsse außerdem ausgeschlossen werden.

Ökonom Stephan Schulmeister. <span class="copyright">APA/Pfarrheimer</span>
Ökonom Stephan Schulmeister. APA/Pfarrheimer

Auch der Ökonom Stephan Schulmeister bezeichnet eine Mietpreisbremse auf VN-Anfrage als „sinnvoll und notwendig in der gegenwärtigen Situation“. Der Experte betont: „Vereinfacht ausgedrückt ist der gesamte Inflationsprozess der letzten zwei Jahre ein Verteilungskrieg der Vermögensbesitzer gegen die Nichtvermögenden.“ Als Beispiele nennt er die Preise für Energie, sonstige Rohstoffe wie Nahrungsmittel oder eben Immobilien. „Es hat sich eine Körberlgeldinflation eingestellt.“ Die Unsicherheit der Menschen, etwa durch den Krieg, würde ausgenützt, um Preiserhöhungen durchzusetzen, die weit über die Kostensteigerungen hinausgehen. Beim Strompreis sei das fatal, ebenso bei den Mieten, die an den Verbraucherindex gekoppelt sind. „Dadurch entsteht ein Teufelskreis.“

VEV sieht Bumerang

Es gibt aber auch kritische Stimmen. Wie die VN berichteten, warnt das liberale Institut Agenda Austria etwa vor einer Knappheit an Mietwohnungen, die langfristig mehr schade als nütze. Auch von Seiten der Vorarlberger Eigentümervereinigung VEV gibt es Skepsis rund um die Debatte. In Vorarlberg würden zumeist kleine Vermieter trotz hohen bürokratischen Hürden beispielsweise ihre „hart angesparte Altersvorsorge in Form einer Immobilie“ dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung stellen, gibt Präsident Markus Hagen zu bedenken. „Warum diesen Vermietern durch eine generelle Mietpreisbremse zugemutet werden soll, bei einem langjährigen Mietverhältnis den laufenden Geldwertverlust hinzunehmen, wie es beispielsweise die Mietervereinigung fordert, erschließt sich auch auf den zweiten Blick nicht.“  Die VEV bezeichnet die Forderung als „populistischen Bumerang“.

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