Darum ist Teilzeit vor allem weiblich

Politik / 28.02.2023 • 05:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Betreuungspflichten bleiben oft an den Frauen hängen. Deshalb arbeiten sie weniger Vollzeit. <span class="copyright">APA/Gindl</span>
Betreuungspflichten bleiben oft an den Frauen hängen. Deshalb arbeiten sie weniger Vollzeit. APA/Gindl

Kinderbetreuung und Pflege sind immer noch hauptsächlich Frauensache, vor allem in Vorarlberg.

Julia Schilly, Magdalena Raos

Wien, Schwarzach Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat eine teils emotional geführte Debatte über Arbeitszeiten ausgelöst. So schlug er etwa vor, Sozialleistungen bei Teilzeit zu kürzen. Die Diskussion ebbt nicht ab. Vor allem die ungleich verteilte und unbezahlte Care Arbeit wird großteils von Frauen geleistet, was die höhere Teilzeitquote erklärt.

Hohe Teilzeitquote bei Frauen

Der Arbeitsminister thematisierte zuletzt auch in der “ZIB2” die demografische Entwicklung als Argument. Viele Menschen würden demnach in den nächsten Jahren in Pension gehen, Unternehmen bräuchten aber mehr Arbeitskräfte. Würden weniger in Vollzeit arbeiten, sei das auch ein Problem für den Sozialstaat.

 Arbeitsminister Kocher löste eine Debatte über Arbeitszeit aus.  <span class="copyright">APA/ MANHART</span>
Arbeitsminister Kocher löste eine Debatte über Arbeitszeit aus. APA/ MANHART

“Unserer Meinung nach ist nicht Teilzeit das Problem. Die Frage ist, wem wir den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen und wie wir die Arbeitswelt generell gestalten“, betont Ökonomin Marie Hasdenteufel vom gewerkschaftsnahen Momentum-Institut im VN-Gespräch. “Würde man die Infrastruktur anpassen, könnte man die Gruppe der Erwerbstätigen erhöhen.” Die meisten arbeiteten nämlich nicht Teilzeit, weil sie das wollen, sondern wegen der Pflege von Angehörigen, Kinderbetreuung sowie Aus- und Weiterbildung. “Die Teilzeit-Arbeit ist größtenteils weiblich. Jede zweite erwerbstätige Frau arbeitet Teilzeit.”

Marie Hasdenteufel vom Momentum-Institut. <span class="copyright">Pertramer</span>
Marie Hasdenteufel vom Momentum-Institut. Pertramer

Eine Kürzung der Sozialleistungen würde also gerade Arbeitnehmerinnen betreffen. Zuletzt war Kocher etwas zurückgerudert: Mütter mit Betreuungspflichten seien etwa tabu, hielt der Minister fest. Besonders in Vorarlberg ist die Teilzeit-Quote unter Frauen hoch. 2021 lag sie laut Statistik Austria bei 52,6 Prozent, bei Männern 9,6 Prozent. Zum Vergleich: In Wien sind es 43,3 und 18,4 Prozent. Bundesweit gesehen beträgt die Quote 49,6 beziehungsweise 11,6 Prozent.

Kaum Männer in Vorarlberg in Karenz

Der “Gleichstellungsindex Arbeitsmarkt”, eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, hat erst 2020 dieses Phänomen auch für Vorarlberg genauer beleuchtet. Am Geschlechterverhältnis gemessen sei demnach die relative Position von Frauen in Vorarlberg deswegen häufig so ungünstig, weil Männer dort eine vergleichsweise hohe Arbeitsmarktintegration aufweisen. Das schlägt sich zum Beispiel in hohen Erwerbsquoten, hohen Beschäftigungsquoten, hohen mittleren Bruttojahreseinkommen der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten sowie vergleichsweise höheren Einkommen im Niedriglohnsektor nieder. Außerdem ist in keinem Bundesland, außer im Burgenland, der Anteil der Männer, die in Elternkarenz gehen niedriger als in Vorarlberg.

Wifo-Expertin Julia Bock-Schappelwein weist darauf hin, dass die aktuelle Kinderbetreuungsgeld-Statistik mit Stichtag 1.2.2023 zwar zeige, dass in Vorarlberg immer noch vergleichsweise wenige Männer Kinderbetreuungsgeld beziehen. „Allerdings liegt Vorarlberg nicht mehr an letzter Stelle.” Dort befindet sich das Burgenland. Auch beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld ist Vorarlberg nicht letztplatziert, sondern im Mittelfeld. Bock-Schappelwein zufolge offenbart auch ein Blick auf die Kindertagesheimstatistik von der Statistik Austria Lücken. Demnach zeigten die Betreuungsquoten nach Alter für Vorarlberg, „dass diese bei den sechs- bis neunjährigen Kindern, das heißt im Volksschulalter, unter dem Österreichdurchschnitt liegt”.

Julia Bock-Schappelwein vom Wirtschaftsforschungsinstitut. <span class="copyright">Alexander Müller</span>
Julia Bock-Schappelwein vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Alexander Müller

Auch Hasdenteufel vom Momentum-Institut bezeichnet das Kinderbetreuungsangebot als wichtigen Faktor. „Es geht nicht nur darum, wie viele Plätze es gibt. Da ist Vorarlberg gut dabei. Die Öffnungszeiten sind das Problem.” Knapp 40 Prozent der Einrichtungen hätten weniger als sieben Stunden am Tag geöffnet. Für eine Vollzeit-Beschäftigung seien aber 9,5 Stunden notwendig. Zudem hält die Ökonomin einen Ausbau von Pflegeeinrichtungen zur Entlastung pflegender Angehörigen für geboten.

Vier-Tage-Woche

Für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen sieht die Expertin also einige Anknüpfungspunkte. “In erster Linie geht es um eine gerechtere Verteilung von unbezahlter Arbeit.“ In diesem Zusammenhang verweist sie auch auf ein Pilotprojekt aus Großbritannien zur Vier-Tages-Woche bei vollem Lohnausgleich. Hasdenteufel zufolge bleibt bei einem solchen Modell neben der Arbeit mehr Zeit für Betreuungstätigkeiten. “Abseits von der Teilzeit-Debatte zeigten sich auch weitere Vorteile: Es gab weniger Fehltage beim Personal, weniger Burn-outs, die Produktivität der Unternehmen ist gestiegen.”

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