Diskussion um Öffentlichkeit von öffentlichen Auftragsvergaben

Das Justizministerium prüft, eine Verordnung über höhere Schwellenwerte bei Direktvergaben auslaufen zu lassen. Die Gemeinden reagieren erbost.
Wien, Bregenz Die Landesregierung sucht Elektroinstallateure für das Konservatorium in Feldkirch, die Stadt Bregenz möchte im neuen Hallenbad drei Saunakabinen errichten und im Rankweiler Spital sollen Wände verputzt werden. All diese Projekte finden sich auf einem Portal des Landes; Unternehmen aus der Europäischen Union (EU) können dafür Angebote abgeben.
Möchte die öffentliche Hand aber Aufträge vergeben, deren geschätzter Wert unter 100.000 Euro liegt, braucht es keine öffentliche Ausschreibung und Bekanntmachung – sie können direkt an ein beliebiges Unternehmen gehen. Das Bundesvergabegesetz sieht mit 50.000 Euro zwar eine niedrigere Grenze für Direktvergaben vor, mit der aktuell gültigen Schwellenwerteverordnung wurden die Limits jedoch angehoben.
Erhaltenes Provisorium für Krisen
Solch eine wurde erstmals 2009 – befristet auf eineinhalb Jahre – erlassen, dann aber immer wieder verlängert, zuletzt von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) bis zum 31. Dezember 2022. Für einen Zeitraum von knapp 13 Jahren konnten Aufträge mit einem Wert von bis zu 100.000 Euro direkt erteilt werden.

Laut Claudia Fuchs, Leiterin der Abteilung für Öffentliches Unternehmensrecht an der Johannes Kepler Universität Linz, waren die höheren Schwellen immer ein “Kriseninstrument” für wirtschaftlich schwierige Zeiten, sagt sie den Vorarlberger Nachrichten: “Es sollten Erleichterungen herbeigeführt werden, das Verfahren wurde vereinfacht. Aber eben immer nur als Provisorium.”
Verlängerung, aber nur kurzfristig
Dennoch rechneten vor allem die Gemeinden damit, dass die Regelung abermals verlängert wird. Ein Rundschreiben aus dem Justizministerium sorgte so Ende des Jahres für Aufruhr; es liegt den VN vor. Denn darin wird zwar eine weitere Verlängerung bestätigt, aber nur bis zum 30. Juni 2023. Wegen einer verspäteten Kundmachung galten weiters ab Jahresbeginn bis zum 7. Februar zwischenzeitlich die niedrigeren Grenzen.

Außerdem wird im Dokument “gerade im Hinblick auf die durchschnittlichen Schwellenwerte für eine Direktvergabe innerhalb der EU” eine allgemeine Prüfung dieser Maßnahme in Aussicht gestellt: Fachliche Gründe würden eine Nicht-Verlängerung “nahelegen”.
“Kein Freibrief”
Claudia Fuchs sieht solch einen Grund etwa im ursprünglichen Sinn des Vergabeverfahrens: Kommunen seien etwa immer gesetzlich dazu verpflichtet, das Unternehmen und sein Angebot zu prüfen und zwar “nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, der Sparsamkeit und der Effizienz. Diese erhöhten Schwellenwerte sind kein Freibrief.” Die grundsätzlich im Gesetz festgelegte Summe von maximal 50.000 Euro für Direktvergaben sei an sich ja schon “signifikant”, es sei daher zweckmäßig, über die Höhe nachzudenken, sagt Fuchs im VN-Gespräch.

Das kann Gemeindeverbandspräsidentin Andrea Kaufmann (ÖVP), Bürgermeisterin von Dornbirn, nicht nachvollziehen: “Für die Gemeinden ist ein Muss, dass die Verordnung verlängert wird.” Sie sieht zwei klare Vorteile darin: Zum einen könne man mit Direktvergaben Unternehmen aus der Region direkt beauftragen, zum anderen sei man schneller als in einem aufwendigeren Verfahren mit Ausschreibung: “Es ist ein großer Aspekt, um die heimische Wirtschaft zu stärken”, sagt sie den VN. Das heiße nicht, dass man nicht mehrere Angebote für ein Projekt einhole. Der Sinn der Direktvergabe sei aus ihrer Sicht aber eben die Regionalität.
Vergaben, keine “Förderungen”
Solche Aussagen – aber auch jene vonseiten der niederösterreichischen Wirtschaftskammer (“Jetzt besteht wieder die Möglichkeit regionale Betriebe zu fördern”) oder des Gemeindebundes (Die Verordnung habe dazu beigetragen, dass die Konjunktur gestärkt und Arbeitsplätze gesichert werden konnten) – beurteilt Claudia Fuchs kritisch: “Mit dem Begriff der ‘Förderung’ tut man sich im Vergaberecht immer schwer.” Eindeutige Regionalerfordernisse, zum Beispiel der Sitz des Unternehmens in der Region, seien in einer Ausschreibung – insbesondere unter europarechtlichen Vorgaben – “problematisch”. Im Allgemeinen gebe es aber “Gestaltungsmöglichkeiten”, was regionale Vergaben anbelangt.

Die wünscht sich Lustenaus Bürgermeister Kurt Fischer (ÖVP) im VN-Gespräch: “Für eine Gemeinde wie Lustenau, die dermaßen intensiv investiert, ist das essenziell.” Mit den höheren Schwellenwerten spare man sich einiges an Verwaltungsaufwand, gleichzeitig sei das ein Motor für die regionale Wirtschaft. Die Grenze von 100.000 Euro sei zudem praktikabel: “Dieser Umfang hat sich gut bewährt, damit kann man extrem viel tun.”
Das Problem mit der Transparenz
Claudia Fuchs sieht in den erhöhten Schwellenwerten aber noch ein weiteres Problem: “Dass die Grenze so hoch ist, ist vor allem ein Thema der Transparenz.” Um die zu gewährleisten, sollte man laut Fuchs deshalb etwa die Verfahren umgestalten, zum Beispiel mit Bekanntmachungen über erfolgte Direktvergaben. Das ist für Länder und Gemeinden bisher nicht verpflichtend, wäre aber sinnvoll, denn die Schwelle sei in Europa “schon vergleichsweise hoch”.
In dieser Hinsicht heben sowohl Kaufmann als auch Fischer die Transparenz innerhalb der Kommune hervor, die vor der Gemeindevertretung gewährleistet sei: “Die Gemeinderäte haben Einblick in die Unterlagen und wir argumentieren jede Direktvergabe auch noch zusätzlich schriftlich”, erläutert Lustenaus Bürgermeister. Und seine Amtskollegin aus Dornbirn ergänzt: “Wir haben klare Richtlinien und begründen jede Direktvergabe.”
Prüfung läuft
Eine Sprecherin des Justizministeriums übermittelte nur eine kurze Stellungnahme zu mehreren Fragen rund um die Prüfung der Schwellenwerteverordnung: “Derzeit wird im BMJ auf fachlicher und inhaltlicher Basis, unter Einbeziehung und sachgerechter Abwägung aller vorliegenden Argumente und Informationen, die möglichen Varianten geprüft.” Nähere Informationen könnten erst nach Abschluss des Verfahrens zur Verfügung gestellt werden.
Warum die Verordnung für das Jahr 2023 erst im Februar kundgemacht wurde – und damit eine Lücke ab Jahresbeginn entstand –, wurde auch auf Nachfrage nicht begründet. Diese “Verspätung” kritisiert Kurt Fischer deutlich: “Das war ein Zick-Zack-Kurs.”

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