„Mit Doskozil würde es die SPÖ zerreißen“

Politologe Anton Pelinka über die Endlosdebatte rund um Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, die von Ratlosigkeit zeuge.
Wien, Eisenstadt Es gibt kaum einen profunderen Kenner der österreichischen Politik im Allgemeinen und der Sozialdemokratie im Besonderen als den Politikwissenschaftler Anton Pelinka. Umso bemerkenswerter ist, wie er die Debatte über deren Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner einordnet: „Innerparteiliche Konflikte hat es immer wieder gegeben. Aber dass sie so offen ausgetragen werden, ist neu. Dahinter steckt eine gewisse Ratlosigkeit. Der Befund ist klar: Die ÖVP ist in einer Nach-Kurz-Krise und die SPÖ kann keinen erkennbaren Nutzen daraus ziehen.“
Keine Taktik
Das Problem auf Rendi-Wagner zu reduzieren, wäre laut Pelinka falsch. Seit den 1990er-Jahren, seit sich ihr damaliger Vorsitzender, Ex-Kanzler Franz Vranitzky, zurückgezogen habe, setze sie nur auf Taktik und den nächsten Wahltag. Längerfristige Strategien und die Frage, wen sie ansprechen könnte, „das sehe ich eigentlich nicht mehr“.
„Natürlich kann man sagen, die Partei war immer die Partei der sozial Schwächeren und möchte es auch bleiben“, so der Politikwissenschaftler, der in Innsbruck lebt: „Aber unter den sozial Schwächeren sind nicht-österreichische Staatsangehörige die größte Gruppe, und sie dürfen nicht wählen.“ Von daher wäre es naheliegend, einen leichteren Zugang zur Staatsbürgerschaft zu propagieren. Mit wenigen Ausnahmen traue man sich jedoch nicht, das deutlich zu tun.
Potenzial ist da
Pamela Rendi-Wagner kann man nach Einschätzung von Pelinka nicht vorwerfen, dass sie etwas falsch gemacht hat. Sie habe zu wenig getan. Abgesehen davon werde ihr zwar vorgehalten, dass es ihr an Erfahrung in der Politik mangle. Potenzial hätte sie jedoch.
„Innerparteiliche Konflikte gab es immer. Dass sie so offen ausgetragen werden, ist neu“
Anton Pelinka, Politikwissenschaftler
Der 81-Jährige würde sie auch nicht abschreiben: Immerhin habe sie jetzt den Fehdehandschuh aufgegriffen, den ihr der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hingeschmissen hat. Zur Erinnerung: Im Herbst ließ er zum Beispiel eine Umfrage veröffentlichen, die zeigen soll, dass die SPÖ mit ihm als Spitzenkandidat bei einer Nationalratswahl deutlich besser abschneiden würde als mit ihr. Rendi-Wagner stellt ihn nun unverhohlen als „Heckenschützen“ dar. Für Pelinka kommt das nicht irgendwoher, sondern hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass sie nach wie vor die Unterstützung des mächtigen Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ) genießt: Da kann er schwer gewinnen gegen sie.
Sich öffnende Tore in Richtung FPÖ
Sollte sie sich behaupten können, müsste freilich etwas geschehen, so Pelinka: „Sie muss zeigen, dass sie es besser kann.“ Sie könnte insbesondere Frauen ansprechen und das auch als Chance begreifen, eine gesellschaftliche Modernisierung zu signalisieren.
Umgekehrt sei Teilen der Partei bewusst, was diese mit dem burgenländischen Landeshauptmann riskieren würde: „Mit ihm würde es sie zerreißen. Er wäre der Kandidat, der die Tore zur FPÖ wieder aufmacht, die Vranitzky geschlossen hat.“ Das erklärt vor allem auch den Widerstand von Wiener Genossen gegen Doskozil. Sie sind in der SPÖ ähnlich bestimmend wie niederösterreichische ÖVP-Funktionäre in der Volkspartei.
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