Putin-Haftbefehl ohne Aussicht auf Prozess

Strafgerichtshof in Den Haag hat den russischen Präsidenten im Visier.
den haag Der Internationale Strafgerichtshof hat wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Das teilte das Gericht am Freitag in Den Haag mit. Putin sei mutmaßlich verantwortlich für die Deportation ukrainischer Kinder aus besetzten Gebieten nach Russland. Einem entsprechenden Antrag des Chefanklägers Karim Khan auf Ausstellung eines Haftbefehls hatten die Richter stattgegeben. Zur Zeit hat dieser Haftbefehl aber vor allem eine symbolische Bedeutung, denn ein Prozess gegen Putin scheint ausgeschlossen.
Der Kreml hat den Haftbefehl erwartungsgemäß als rechtlich nichtig bezeichnet. „Allein die Formulierung der Frage halten wir für unverschämt und inakzeptabel“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge am Freitag. „Russland erkennt die Rechtsprechung dieses Gerichts nicht an. Entsprechend sind Entscheidungen dieser Art für Russland vom rechtlichen Standpunkt unbedeutend.“ Peskow wollte sich nach Angaben der russischen Agenturen nicht dazu äußern, ob eine drohende Verhaftung des Kremlchefs in Ländern, die das Gericht anerkennen, sich auf die Reisepläne auswirken könnte. „Ich habe zu dem Thema nichts mehr zu sagen.“
Unzureichende Kontrolle
Unabhängige russische Medien kommentierten, dass durch den Haftbefehl Putins Reisemöglichkeiten eingeschränkt werden könnten. Viele Länder, darunter auch Verbündete Russlands, erkennen die Zuständigkeit des Weltstrafgerichts an und haben das Statut ratifiziert. „Im Fall eines Besuchs Putins in einem dieser Länder werden die örtlichen Behörden ihn verhaften müssen“, sagte der Anwalt Sergej Golubok dem Portal MO. Es ist der erste Haftbefehl, den das Gericht im Zusammenhang mit mutmaßlichen Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen hat. Das Gericht erließ außerdem Haftbefehl gegen Maria Lwowa-Belowa, die russische Beauftragte für Kinderrechte. Auch ihr werden Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit der Deportation ukrainischer Kinder zur Last gelegt.
Putin soll als Befehlshaber zur Verantwortung gezogen werden. Er habe seine zivilen oder militärische Untergebenen unzureichend kontrolliert, wird der Verdacht begründet. Der genaue Text der Haftbefehle wird nicht veröffentlicht, um Opfer und Zeugen zu schützen, wie das Gericht mitteilte. Doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass Putin tatsächlich in Haft genommen und in eine der Zellen des Gerichts im Nordseebad Scheveningen eingesperrt wird. Das Gericht mit Sitz in Den Haag verfügt über keine eigene Polizeimacht, die den Präsidenten festnehmen könnte. Es ist derzeit auch illusorisch zu denken, dass Russland seinen eigenen Präsidenten dem Gericht ausliefern würde.
Kein Prozess in Abwesenheit
Momentan scheint ein Prozess gegen Putin in Den Haag aber ausgeschlossen. Russland erkennt das Gericht nicht an. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hatte erst am Donnerstag in einer Pressekonferenz zu möglichen Haftbefehlen gegen Russen gesagt: „Mit dem Organ arbeitet Russland nicht zusammen. Und mögliche Haft-,Rezepte‘, die von dem Internationalen Gericht ausgehen, sind für uns juristisch nichtig.“ Die Entscheidungen des Gerichts hätten keine Bedeutung für Russland. Das Gericht darf außerdem keine Prozesse in Abwesenheit der Angeklagten führen.

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