Rechtsruck in Niederösterreich als mögliches Vorbild für den Bund

Politik / 17.03.2023 • 18:35 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Hand drauf! Die Koalition in St. Pölten steht. <span class="copyright">APA/Helmut Fohringer</span>
Hand drauf! Die Koalition in St. Pölten steht. APA/Helmut Fohringer

In Niederösterreich schließt die mächtige ÖVP-Landespartei ein Arbeitsübereinkommen mit der FPÖ. Laut der Politologin öffnen sich bei der Volkspartei die Türen in Richtung der Rechtspopulisten.

St. Pölten, Wien, Bregenz Vor der Landtagswahl 2018 hatte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) eine Zusammenarbeit mit Udo Landbauer, Landesparteichef der FPÖ, noch ausgeschlossen. Jetzt hat sie solch eines doch abgeschlossen: Volkspartei und Freiheitliche vereinbaren nach der Wahl Ende Jänner ein “Arbeitsübereinkommen” für die kommende Legislaturperiode; sie gehen eine Koalition ein.

Der SPÖ, der dritten Partei in der proportional besetzten Landesregierung, die zunächst mit der ÖVP über eine Kooperation verhandelte, bleiben damit Agenden wie das Baurecht oder die Kanalgebühren. Bereiche wie Finanzen, Bildung, Personal und Wirtschaft bleiben bei der Volkspartei. Mobilität, Arbeitsmarkt und Sport wandern zur FPÖ, die unter anderem weiterhin für Asyl und die Mindestsicherung verantwortlich ist.

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Und genau in diesem Bereich sorgte der bisherige freiheitliche Landesrat, Gottfried Waldhäusl, in den vergangenen Jahren für einige Schlagzeilen. Da war etwa das Flüchtlingsquartier für „auffällig gewordene minderjährige Flüchtlinge“, das der 57-Jährige mit Stacheldraht umzäunen ließ und das die Bewohner nur eine Stunde täglich in Begleitung verlassen durften. Und da war seine Aussage in einer Fernsehdiskussion gegenüber einer Schülerin mit Migrationshintergrund. Ihre Frage: “Was sagen Sie dazu, dass meine Klasse das Gymnasium in Wien nicht besuchen könnte, wenn Sie Ihre Maßnahmen durchgeführt hätten, weil die meisten Eltern einen Migrationshintergrund haben?” Seine knappe Antwort: “Dann wäre Wien noch Wien.” Später bekräftigte Waldhäusl diese Aussage. Er wird nun 2. Landtagspräsident.

Damals noch unpassend für Niederösterreich

Aber auch sein Parteikollege Landbauer, baldiger Landeshauptfrau-Stellvertreter, sah sich mit Vorwürfen konfrontiert. Während des Wahlkampfes 2018 tauchte etwa ein antisemitisches Liederbuch der Burschenschaft, deren stellvertretender Vorsitzender er damals war, auf: “Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million” stand darin geschrieben. Landbauer distanzierte sich und trat aus; Mikl-Leitner hatte da eine Zusammenarbeit mit ihm aber schon ausgeschlossen: “Niederösterreich hat das nicht verdient.”

Gottfried Waldhäusl (l.) war bisher Landesrat für die Partei von Udo Landbauer (r.), jetzt wird er 2. Landtagspräsident. <span class="copyright">APA/photonews.at/Georges Schneider</span>
Gottfried Waldhäusl (l.) war bisher Landesrat für die Partei von Udo Landbauer (r.), jetzt wird er 2. Landtagspräsident. APA/photonews.at/Georges Schneider

Das alles scheint nun vergessen, mit ihrer Mehrheit im Landtag werden Schwarz und Blau die kommenden fünf Jahre bestreiten. Thematisch wollen sie – wohl gestützt auf die Forderungen der FPÖ in den Verhandlungen – den Fokus etwa auf die Abwicklung der Pandemie richten, der sie gleich das erste Kapitel ihres Programms widmen. Das Arbeitsübereinkommen trage eine “starke freiheitliche Handschrift”, sagte der Landesparteichef. Das zeigt sich etwa auch an einer Formulierung im “Integrations”-Kapitel: “Das Land […] wird Maßnahmen treffen, um unser Land für die überwiegend wirtschaftlich motivierten Zuwanderer (unter Missbrauch des Asylrechts) möglichst unattraktiv zu machen.”

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Mit einem Fonds in Höhe von insgesamt 30 Millionen Euro sollen “verfassungswidrige Corona-Strafen” amtswegig zurückgezahlt werden. Außerdem ist ein Verbot der Werbung über die Corona-Impfung durch das Land festgeschrieben und Personen, “deren Bewerbung für eine Stelle im Landesdienst auf Grund ihres Corona-Impfstatus nicht weiter verfolgt wurde”, sollen erneut eingeladen werden. Mikl-Leitner sprach in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Blauen von einer “tragfähigen” Brücke. Es sei keine Liebesbeziehung, “aber es soll eine tragfähige Arbeitsbeziehung werden”. 47 Millionen Euro sollen für Pflegeschecks über je 1.000 Euro zur Verfügung gestellt werden. Sie kündigte weiters einen neuen Heizkostenzuschuss an.

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“Das Ansehen leidet”

Für die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle (FH Kärnten) ist die neue Regierungskonstellation ein “symbolischer Akt”. Zwar sei die Zusammenarbeit von ÖVP und einer FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl kein “Tabubruch”, weil es diese Konstellation schon seit 2021 in Oberösterreich gibt, die Weichen würden dennoch neu gestellt. Das hätte sich auch in der Rede von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) über seine Vision für das Jahr 2030 vergangene Woche gezeigt: “Wenn man diese Rede als Grundlage für Verhandlungen und als Perspektive für 2030 nimmt, gibt es für die ÖVP nur einen logischen Partner: Die FPÖ.”

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Auch weil die niederösterreichische die stärkste Landespartei und Johanna Mikl-Leitner womöglich die mächtigste Person innerhalb der ÖVP ist, könnte laut Stainer-Hämmerle Niederösterreichs Landesregierung ein erster Testlauf für den Bund sein. Außerdem leide “natürlich” Österreichs Ansehen im Ausland, zwar nicht mehr so wie mit der ersten schwarz-blauen Bundesregierung 2000, “aber es findet natürlich Beachtung”. SOS Mitmensch und Oskar Deutsch [Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Anm.] werden außerdem zitiert. Deswegen sei die Einigung so überraschend gekommen und auch weil die Freiheitlichen eigentlich bisher ausschlossen, Mikl-Leitner als Landeshauptfrau zu ermöglichen und in der Vergangenheit harte Worte (“Moslem-Mama-Mickl”) auspackten. “Dass man mit dieser Partei lieber zusammenarbeitet als mit der SPÖ, wirkt dann doch eigenartig”, sagt Stainer-Hämmerle.

Kathrin Stainer-Hämmerle sieht in der ÖVP einen Kulturwandel, was die Zusammenarbeit mit der FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl betrifft. <span class="copyright">Parlamentsdirektion/Thomas Topf</span>
Kathrin Stainer-Hämmerle sieht in der ÖVP einen Kulturwandel, was die Zusammenarbeit mit der FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl betrifft. Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Auf Anfrage der Vorarlberger Nachrichten wollte sich Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) nicht zum Thema äußern: “Wir werden das nicht kommentieren”, schrieb ein Sprecher. Der FPÖ-Chef im Land, Christof Bitschi, hingegen schon, er freute sich über die Neuigkeiten aus Niederösterreich: “Ich begrüße, dass der klare Auftrag zur Veränderung und der Wählerwille entsprechend berücksichtigt wird. Offensichtlich ist die ÖVP Niederösterreich hier auch über den eigenen Schatten gesprungen”, schrieb er in einer Stellungnahme.

Mit Material der Austria Presse Agentur (APA).

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