Enge Schranken für die direkte Demokratie auf Gemeindeebene

Lang erwarteter Bericht des Instituts für Föderalismus liegt vor. Gegen den expliziten Willen der Gemeindevertretung sind wohl keine Volksabstimmungen denkbar.
Bregenz Zunächst zum Wichtigsten: “Die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes […] hat zur Folge, dass die Länder bei der Ausgestaltung direktdemokratischer Instrumente auf Gemeindeebene über einen nur beschränkten Spielraum verfügen”, schreibt das Institut für Föderalismus in seinem aktuellen Bericht über die direkte Demokratie auf Gemeindeebene. Das bedeutet: “Die Gemeindevertretung […] darf nicht gegen seinen Willen einer rechtlich verbindlichen Entscheidung des Gemeindevolkes unterworfen werden.”

Diese engen Schranken für direktdemokratische Elemente auf Gemeindeebene sind Resultat eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes, erläutert Peter Bußjäger, Direktor des Instituts, den Vorarlberger Nachrichten. Das Höchstgericht kippte – anlässlich einer Volksabstimmung in Ludesch über Grundstückswidmungen – Ende 2020 die Möglichkeit, verbindliche Volksabstimmungen gegen den Willen der Gemeindevertretung “aus dem Volk heraus” zu erzwingen. Das wiederherzustellen, bedürfte einer Gesamtänderung der Bundesverfassung, also einer bundesweiten Volksabstimmung. Denn es widerspreche dem System der repräsentativen Demokratie.
Gelungene neue Variante
Also wurde das Institut von der Landeshauptleutekonferenz beauftragt, andere mögliche direktdemokratische Elemente auf Gemeindeebene in einem Bericht auszuloten. Darin kommen die vier Verfassungsexperten zum Schluss, dass das neue Vorarlberger Modell als verfassungskonform zu bewerten und damit auch auf andere Bundesländer umlegbar wäre: Seit Anfang des Jahres münden Anträge auf Volksabstimmungen, die die Gemeindevertretung ablehnt, automatisch in einer unverbindlichen Volksabstimmung.

Außerdem wäre es laut Institut auch (noch) zulässig, “wenn als Folge des Verschweigens der Gemeindevertretung innerhalb angemessener Frist […] eine Volksabstimmung stattfindet.” Oder auf Deutsch: Entscheidet die Gemeindevertretung nicht über einen Antrag auf Volksabstimmung, könnte sie wohl dennoch stattfinden. Und dann auch verbindlich sein.
Peter Bußjäger hält die aktuelle für eine praktikable Lösung: “Realpolitisch wird sich jede Gemeinde schwer tun, eine abgehaltene Volksbefragung zu ignorieren.” Da sei der politische Druck – gerade in den Gemeinden – sehr schnell sehr groß: “Von dem her würde ich das Modell gar nicht so schlecht reden. Wenn man die anderen Instrumente wirklich propagiert, sehe ich nicht wirklich einen Nachteil für die direkte Demokratie.”
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Ball liegt beim Bund
Bußjäger verweist außerdem darauf, dass eine Gesamtänderung der Bundesverfassung, um verpflichtende Volksabstimmungen gegen den Willen der Gemeindevertretung wieder einzuführen, ausschließlich Bundessache ist: “Der Landesgesetzgeber hat das nicht in der Hand.”

Forderungen wie vom “Netzwerk Volksabstimmen über Volksabstimmen”, das eine Volksabstimmung im Land über das Volksabstimmungsrecht will, sieht Bußjäger deswegen kritisch: “Aus meiner Sicht könnte man höchstens eine Volksbefragung darüber abhalten, ob sich die Landesregierung in Wien für das alte Modell einsetzen soll.” Außerdem bestehe die Gefahr einer niedrigen Wahlbeteiligung: “Ich habe so meine Bedenken, ob man die Menschen damit nicht eher vom Thema vergraulen würde und dass der Plan dadurch nach hinten losgeht.”
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Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Christoph Grabenwarter, hob außerdem zuletzt die Bedeutung der repräsentativen Demokratie für den Parlamentarismus hervor: “Gerade eher autoritäre Regime spielen das Parlament sehr oft gegen das Volk aus. Das zu verhindern, steckt hinter der Idee von Hans Kelsen über die besondere Verantwortung des Parlaments für die Demokratie”, sagte der 56-Jährige Anfang Jänner im VN-Interview. Die repräsentative Demokratie sei “ein starker Garant für ein friedliches Zusammenleben”.
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Der Bericht wurde unter anderem aufgrund einer Entschließung des Nationalrates in Auftrag gegeben. Darin wurde Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ersucht, “betreffend der Absicherung und der Förderung direktdemokratischer Instrumente auf Ebene der gemeinden mit den Ländern in den Dialog zu treten”. Außerdem sollte der Änderungsbedarf von bundesverfassungsrechtlichen Regelungen “aufgrund regionaler Bedürfnisse” ergründet werden. In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung hielt Edtstadler zuletzt fest, dass vor allfälligen weiteren Maßnahmen der Bericht des Instituts für Föderalismus abgewartet werden müsse. Welche politischen Reaktionen nun folgen, ist aber noch offen.
Den vollständigen Bericht des Instituts für Föderalismus über “Möglichkeiten und Grenzen des Ausbaus direktdemokratischer Elemente auf Gemeindeebene ohne Gesamtänderung der Bundesverfassung” finden Sie hier zum Download.
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