ÖVP bremst Mietpreisbremse aus

Stattdessen kommt als Kompromiss eine einmalige Wohnbeihilfe von etwa 200 Euro. Wer darauf Anspruch hat, setzen die Bundesländer fest.
Wien Es kommt keine Mietpreisbremse. Das ist seit Mittwoch klar. Mieterinnen und Mietern in Altbauten steht damit ab 1. April eine Erhöhung der Richtwertmieten um 8,6 Prozent bevor. Die türkis-grüne Regierung hat sich jedoch zu einem anderen Kompromiss durchringen können. Stattdessen wird es eine Einmalzahlung geben. Die Wohnkostenhilfe soll 250 Millionen Euro betragen, 25 Millionen Euro sind als Aufstockung für den Wohnschirm gegen Delogierungen vorgesehen. Kritik kam von der Opposition, Arbeiterkammer und auch von renommierten Wirtschaftsexperten wie Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.
Antrag notwendig
Der Einigung war ein wochenlanges Gezerre vorausgegangen. Der Kompromiss wurde schließlich von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Klubchef August Wöginger nach dem Ministerrat präsentiert. “Wir hatten da durchaus unterschiedliche Zugänge”, räumte Rauch ein. Die Grünen hätten die Erhöhung gern über mehrere Jahre gestreckt, was auch inflationsdämpfend gewirkt hätte, betonte der Minister. Ziel sei es, einkommensschwache Haushalte zu unterstützen, sagte Rauch. Um den Zuschuss zu erhalten, muss man einen Antrag stellen.
Zehn Millionen für Vorarlberg
Wer bezugsberechtigt ist und wann ausbezahlt wird, ist noch offen. Denn die Ausgestaltung, wie etwa die Einkommensgrenze, obliegt den Bundesländern. Je nach Bundesland wird daher auch das Geld zu unterschiedlichen Zeitpunkten bei den Menschen ankommen. Bei der Verteilung des Zuschusses auf die Bundesländer wird nach dem Bevölkerungsanteil vorgegangen. Vorarlberg wird etwa 10 Millionen bekommen, erklärte Wöginger. Er rechnet damit, dass etwa eine Million Haushalte mit durchschnittlich je 200 Euro profitieren werden.
Mietpreisbremse gescheitert
Ursprünglich hatte die Koalition über eine Mietpreisbremse verhandelt, die VN berichteten. Die ÖVP wollte jedoch auch für die Vermieter, die bei einer Mietpreisbremse einen spürbaren Einnahmenverzicht hätten, Verbesserungen haben, nämlich attraktivere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten bei klimafreundlichen thermischen Sanierungen. Weiters wollte die ÖVP Käufer und Häuslbauer entlasten. Beim Kauf einer Immobilie sollten die ersten 500.000 Euro von der Grunderwerbssteuer (3,5 Prozent des Kaufpreises) befreit werden. Den Grünen war der Steuervorstoß der ÖVP zu weit gegangen, da damit auch Luxusimmobilienkäufer entlastet würden.

Brunner-Aussage sorgte für Verstimmung
Dass Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zuletzt die Erhöhung der Richtwertmieten als primär regionales Wiener Problem bezeichnete, sorgte ebenfalls für Verstimmung. Bürgermeister Ludwig ortete beim Finanzminister “Ignoranz gegenüber der Wiener Bevölkerung”. Es sei hauptsächlich ein Thema, das die Wiener Bevölkerung betrifft, bekräftigte das Büro von Brunner am Mittwoch auf VN-Nachfrage. 70 Prozent der betroffenen Wohnungen befänden sich in Wien. “In Vorarlberg sind davon fünf Prozent aller Wohnformen betroffen”, so das Büro des Finanzministers. Wenn man so einen starken Markteingriff mache, müsse man sich gut überlegen, ob das wirklich Sinn mache.
Wolfgang Amann, Wohnbauexperte vom Institut für Immobilien Bauen und Wohnen (IIBW), bestätigte, dass eine Mietpreisbremse nur einen relativ geringen Teil des Wohnungsbestands betroffen hätte. Das heiße aber nicht, dass die Erhöhung nicht auch in Vorarlberg kräftig einschlagen werde, da eigentlich alle Vermieter ihre Mieten indexieren. “Nur in Vorarlberg ist der überwiegende Teil freie oder angemessene Miete und die stand gar nicht zur Diskussion”, ordnet der Experte ein.

Anderes Modell der Mietanpassung
“Ich glaube, es wäre vernünftiger, wenn man eine andere Mietanpassung machen würde. Also wenn man etwa einen fünf- oder zehnjährigen Durchschnitt heranzieht. Dann hätte man sehr viel flachere Verläufe und nicht jedes Jahr im April dieselbe Diskussion”, sagt Amann. Diese Lösung ginge nur, wenn man sie auf eine verfassungsrechtliche Basis stellt. Damit könnte sie nicht von einer einfachen Mehrheit im Parlament wieder ausgehebelt werden. “Ich würde es gut finden, wenn das Thema aus der Tagespolitik herauskommt”, so Amann.
Ein System an Wohnbeihilfen gibt es in allen Bundesländern. Das funktioniere relativ gut, sagt Amann. Es sind aber nur rund vier Prozent der Haushalte, die so eine Beihilfe in Anspruch nehmen. “Die Idee wäre nun wohl, einen größeren Teil der Haushalte hineinzunehmen. Positiv ist, dass das sozial treffsicher ist. Auf der anderen Seite habe ich es auch immer als positiv bewertet, dass doch nur relativ wenige Haushalte darauf angewiesen sind. Ich wünsche mir keine Gesellschaft, in der ein großer Teil der Gesellschaft Bittsteller sein müssen.”

Breite Kritik
Deutliche Kritik kam von Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo via Twitter. Er bezeichnet die Maßnahme sogar als kontraproduktiv: “Bedauerlich. Ich dächte, mittlerweile wäre verstanden, dass immer neue Cash-Transfers zwar soziale Härten abfedern können, aber die Inflation nicht dämpfen, sondern sogar befeuern.” Sein Vorschlag: “Wir brauchen dringend den Ausstieg aus der Preisspirale. Die Mietpreisbremse wäre ein erster Einstieg gewesen.” Felbermayr fehlen zudem “realistische Vorschläge”, die zum Ziel einer 2-Prozent-Inflation zurückführten.
Arbeiterkammer (AK), Gewerkschaft (ÖGB) und Opposition reagierten empört auf den Kompromiss. “Die hohen Mieten sind einer der größten Inflationstreiber – das ist ein Teufelskreis. Diese Inflationsspirale muss unterbrochen werden”, sagte AK-Präsidentin Renate Anderl. Nun müssten die Steuerzahler die ohnehin schon fetten Sondergewinne der Immobilienbranche weiter finanzieren. “Eine Wohnkostenhilfe ist bestenfalls ein schwacher Kompromiss, den sich die Steuerzahler selbst finanzieren”, so Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB.
“Die höheren Mieten werden ein Vielfaches dieses Zuschusses ausmachen – und diesen Zuschuss gibt es ja nur heuer”, sagte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Bis April 2025 sieht er eine Mietsteigerung von insgesamt 26 Prozent. “Hilfen mit der Gießkanne und wie bisher lehnen wir ab, ebenso Einmalzahlungen, die in Zeiten hoher Inflation nicht nachhaltig helfen”, so Neos-Wohnsprecher Johannes Margreiter.