„ÖVP begibt sich in eine Abwärtsspirale“

Politologe Karlhofer rechnet mit einem Zusammenbruch des Parteiensystems wie in Italien.
SCHWARZACH Für den Föderalismusexperten Ferdinand Karlhofer ist die schwarz-blaue Koalition in Niederösterreich keine Überraschung: Schon vor der Landtagswahl im Jänner hat er in den VN als einer von wenigen Politikwissenschaftlern erklärt, warum es in diese Richtung gehen dürfte. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte sich zum Beispiel in Bezug auf Klimaaktivisten wie Freiheitliche positioniert; sie forderte die Möglichkeit für eine Haftstrafe. Auf der anderen Seite hatte sie Sozialdemokraten in einer öffentlich bekannt gewordenen SMS schon vor längerer Zeit als „rotes Gsindl“ bezeichnet. Das bedauerte sie später. Es steht laut Karlhofer aber für eine Art „Sozi-Hass“, den es in ihrer Partei gebe.
„Es geht nicht auf, mit einer FPÖ zu koalieren, die darauf ausgerichtet ist, extremistische Positionen salonfähig zu machen.“
Ferdinand Karlhofer, Politologe
Die ÖVP habe sich in wesentlichen Teilen zu einer rechtskonservativen Partei entwickelt, die in offener Konkurrenz zur FPÖ stehe. Auf die Option, einen konfrontativen Kurs zu wählen, verzichte sie. Stattdessen setze sie auf Kooperation, um sich an der Macht halten zu können. Dafür nehme sie auch „eine Unzahl an Tabubrüchen“ hin.
Karlhofer bezweifelt jedoch, dass das gut ausgehen kann für die Partei: „Es geht nicht auf, mit einer FPÖ zu koalieren, die darauf ausgerichtet ist, extremistische Positionen salonfähig zu machen, während man das zum Machterhalt zwar widerspruchslos hinnimmt, aber Bürgerlich-Liberale in den eigenen Reihen vor den Kopf stößt. Das treibt die ÖVP in eine Abwärtsspirale.“

Zumal sie sich auf Bundesebene ohnehin schon länger in einer Krise befindet und sich dort auch die SPÖ selbst zerlegt, rechnet der Experte, der an der Uni Innsbruck gelehrt hat, mit weitreichenden Veränderungen: „In Italien und in Frankreich ist es zu einem Zusammenbruch des Parteiensystems gekommen.“ Die alten Großparteien sind dort nicht mehr bestimmend, sofern sie überhaupt noch existieren oder eine Rolle spielen: „Reste haben sich neu formiert, es sind neue Strukturen entstanden.“ In Österreich bewege sich das Parteiensystem ebenfalls in diese Richtung. Auch für die nächste Landtagswahl, die am 23. April in Salzburg stattfindet, zeichnen sich ÖVP-, aber auch SPÖ-Verluste sowie FPÖ-Zugewinne ab. Die SPÖ scheint sich sogar darum zu bemühen, hat sie für den Tag nach dem Urnengang doch den Start ihrer Mitgliederbefragung angesagt. Rational nachvollziehbar sei das nicht, meint Karlhofer. Man werde dann eine „kopflose“ Bundespartei haben. David Egger, der Spitzenkandidat im Land, habe sich zuletzt nicht klar positioniert im Führungsstreit. Das trage zu einer Desorientierung der Wählerschaft bei.
Sonderfall Vorarlberg
Nach Salzburg gibt es eine längere Landtagswahl-Pause, spätestens im Herbst 2024 folgt Vorarlberg. Das ist offenbar ein Sonderfall. Auch für die ÖVP: Karlhofer ordnet die Vorarlberger Volkspartei unter Führung von Landeshautmann Markus Wallner einem Flügel zu, „der nicht nach Rechtsaußen neigt“ und generell Wert auf Eigenständigkeit lege. Im Hinblick auf die Landtagswahl könnte ihr das helfen, mit Landesthemen Trends abzufedern, die der Partei im übrigen Österreich schwerer zu schaffen machen.