Grenzkontrollen zu Slowenien: “Letztes Mittel”, das acht Jahre dauert

Politik / 25.04.2023 • 16:12 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
"Ausweis und Papiere" statt freie Fahrt: An der Grenze von Kärnten zu Slowenien wird weiterhin kontrolliert. <span class="copyright">APA/GERD EGGENBERGER</span>
"Ausweis und Papiere" statt freie Fahrt: An der Grenze von Kärnten zu Slowenien wird weiterhin kontrolliert. APA/GERD EGGENBERGER

Der Disput mit Slowenien spitzt sich zu. EU-Rechtsexperte nennt achtjährige Kontrollen “eindeutig ungewöhnlich”.

Wien Zwischen Slowenien und Österreich herrscht dicke Luft. “Wenn wir uns nicht bald verständigen, befürchte ich, dass die erste Maßnahme eine Mitteilung an die EU-Kommission und entsprechende weitere Schritte innerhalb der Brüsseler Verwaltung sein wird”, sagte die slowenische Präsidentin Nataša Pirc Musar am Dienstag. Sie meint damit die Grenzkontrollen, die Österreich bereits 16 Mal und insgesamt acht Jahre verlängert hat. EU-rechtlich ist das theoretisch gedeckt, aber ungewöhnlich, sagt EU-Rechtsexperte Walter Obwexer den VN.

Wien habe “überhaupt kein Argument” für die Grenzkontrollen, so die slowenische Präsidentin. Ihr Land habe in den vergangenen Jahren gezeigt, “dass es geduldig sein kann und die Lösung von Problemen auf andere Art und Weise erreichen möchte”.

Die slowenische Präsidentin Nataša Pirc Musar besuchte Anfang der Woche Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien. Dabei wurde auch das unangenehme Thema Grenzkontrollen angesprochen.<span class="copyright">APA/GEORG HOCHMUTH</span>
Die slowenische Präsidentin Nataša Pirc Musar besuchte Anfang der Woche Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien. Dabei wurde auch das unangenehme Thema Grenzkontrollen angesprochen.APA/GEORG HOCHMUTH

“Weniger einschneidende Maßnahmen”

Als Juristin sei sie traurig, dass “Österreich die europäische Rechtsordnung in diesem Punkt nicht respektiert”. Sie wolle keine weitere Sommersaison, in der die Menschen “in der Blechschlange rösten”, obwohl Slowenien und Österreich beide im Schengenraum sind. Den Kampf gegen illegale Migration könne man “mit weniger einschneidenden Maßnahmen” führen, beteuerte sie.

Ausnahme von der Regel

Walter Obwexer erklärt im VN-Gespräch, wie es zu der achtjährigen Verlängerung grundsätzlich kommen konnte. Die Rechtsgrundlage für diese vorübergehenden Binnengrenzkontrollen ist der Schengener Grenzkodex. Diese Verordnung der EU regelt, dass die Binnengrenzen an jeder Stelle ohne Kontrollen überschritten werden dürfen. Die Ausnahmen sind darin streng geregelt. Personenkontrolle können EU-Länder bei Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit einführen – und zwar für sechs Monate und maximal zwei Jahre. “Sie dürfen nur das letzte Mittel sein”, betont Obwexer.

Eine zweite Möglichkeit ist, wenn der “Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts” insgesamt gefährdet ist. Dann können Binnengrenzkontrollen auf Empfehlung des Rats wieder für maximal zwei Jahre eingeführt werden. Und danach könnte wieder zur ersten Variante zurückgegriffen werden. “Das wären wieder maximal zwei Jahre, dann wären wir schon bei sechs Jahren. Da die zweite Möglichkeit erst nach vier Jahren verwendet wurde, haben wir noch einmal insgesamt zwei Jahre. Das sind also jetzt die letzten sechs Monate, in denen eine Verlängerung möglich ist”, erklärt Obwexer.

Europarechtsexperte Walter Obwexer erklärt, wie es EU-rechtlich zu der 16-maligen Verlängerung der Grenzkontrollen kommen konnte.<span class="copyright">APA</span>
Europarechtsexperte Walter Obwexer erklärt, wie es EU-rechtlich zu der 16-maligen Verlängerung der Grenzkontrollen kommen konnte.APA

Wichtiger Grund für Kontrollen notwendig

“Der Europäische Gerichtshof hat in einem Österreich betreffenden Fall entschieden, dass für jede Verlängerung um sechs Monate ein neuer, wichtiger Grund angegeben werden muss”, sagt der EU-Rechtsexperte. Jetzt hänge es also davon ab, ob die Republik Österreich für die Verlängerung der Grenzkontrollen zu Slowenien einen anderen wichtigen Grund genannt hat, als in den vergangenen sechs Monaten. Dann, so Obwexer, könnte das noch mit dem Unionsrecht vereinbar sein. “Wenn nicht, stehen die Grenzkontrollen auf rechtlich wackeligen Beinen.”

Vertragsverletzungsverfahren unwahrscheinlich

Der Schengener Grenzkodex sieht zudem vor, dass, wenn ein Mitgliedsstaat beabsichtigt die Grenzkontrollen einzuführen oder zu verlängern, er dies mindestens vier Wochen zuvor den anderen EU-Ländern und der Kommission mitteilen muss. Diese können dann eine Stellungnahme abgeben. Wenn sich Slowenien also nun dagegen ausspricht sei offen, was passiert. Die Kommission könnte zum Beispiel in Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Das werde aber “sehr wahrscheinlich” nicht passieren, sagt Obwexer.

Prinzipiell sei es aber “eindeutig ungewöhnlich”, dass Grenzkontrollen im EU-Raum so eine Verlängerung erfahren. Sie werden mit dem hohen Migrationsdruck und den nicht immer effizient funktionierenden Kontrollen an den Außengrenzen der EU argumentiert. Zuletzt hatte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen für ein rasches Ende der österreichischen Grenzkontrollen zu Slowenien ausgesprochen.