Karmasin Prozess gestartet: “Bin keine Buchhalterin”

Politik / 25.04.2023 • 18:20 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Die frühere Familienministerin Sophie Karmasin steht seit Dienstag wegen Betrugs vor dem Wiener Landesgericht. <span class="copyright">APA/GEORG HOCHMUTH</span>
Die frühere Familienministerin Sophie Karmasin steht seit Dienstag wegen Betrugs vor dem Wiener Landesgericht. APA/GEORG HOCHMUTH

Die ehemalige Familienministerin bekannte sich “nicht schuldig” des schweren Betrugs.

Wien Dienstagfrüh startete der erste “Ibiza-Prozess” im großen Schwurgerichtssaal am Wiener Landesgericht gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP). Ihr werden schwerer Betrug und wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen bei Vergabeverfahren vorgeworfen. Mit Karmasin steht eine erste Person aus dem politischen Umfeld von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor Gericht. Ermittlungen gegen weitere Ex-ÖVP-Funktionäre von Kurz abwärts sind anhängig.

Bezugsfortzahlungen vom Staat

Bei dem Prozess handelt es sich um einen Nebenstrang in der ÖVP-Inseraten und -Korruptionsaffäre. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Karmasin vor, dass sie nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich knapp 80.000 Euro an Bezugsfortzahlungen erschlichen hat. Durch Recherchen der ZiB 2 wurde bekannt, dass sie nach ihrem Ausscheiden aus der Politik ihre Tätigkeit als Meinungsforscherin wieder aufgenommen hatte, obwohl sie parallel Geld vom Staat bekommen hat.

Karmasin habe wider besseren Wissens gehandelt, so die WKStA und will das durch Mails an das Bundeskanzleramt bestätigt wissen. Darin fragt sie explizit, ob Zuverdienste möglich sind, was in den Antwortmails verneint wurde – der betreffende Gesetzestext wurde mitgeschickt. Dennoch nahm sie Aufträge um mehr als 30.000 Euro an, ließ sich die Rechnungen laut weiterer Mails erst nach Ende der Bezugsfortzahlungen stellen. Den Stein zum Rollen brachten dann endgültig die Aussagen ihrer Ex-Mitarbeiterin Sabine Beinschab. “Ich kann jetzt abrechnen” schrieb Karmasin an Beinschab und versah diese Nachricht mit einem Smiley.

Karmasins Anwälte sprechen von “tätiger Reue”, da Karmasin die 80.000 Euro unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe zurückzahlte. Die WKStA weist jedoch darauf hin, dass die Rückzahlung erst nach den Recherchen der ZiB2 erfolgte.

Studien im Sportministerium

Zudem muss sich ein Abteilungsleiter aus dem Sportministerium verantworten. Denn Karmasin soll sich laut Anklage auch drei Umfragen für das Sportministerium erschlichen haben. Dazu habe die Ex-Ministerin Beinschab und eine weitere Meinungsforscherin dazu gebracht, teurere Anbote abzugeben, um den Zuschlag zu bekommen.

Verteidigungsstrategie Karmasins

Vor Prozessbeginn hatte sich Karmasin gegenüber der Staatsanwaltschaft nicht zu den Vorwürfen geäußert. Umso spannender war ihre Verteidigungsstrategie. Karmasin bekannte sich schließlich des schweren Betrugs und wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Vergabeverfahren als “nicht schuldig”. In Bezug auf die inkriminierten Bezügefortzahlungen nach ihrem Ausscheiden als Ministerin habe sie zwar einen Fehler begangen, sich nach ihrem Dafürhalten aber nicht strafbar gemacht. Auch bezüglich der von der Anklage umfassten Studien für das Sportministerium habe sie keine Gesetze gebrochen.

Karmasin wurde mehrere Stunden vom vorsitzenden Richter vernommen. Als der Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) von seinem Fragerecht Gebrauch machte, nahm Karmasin ihr Aussageverweigerungsrecht in Anspruch. Aufgrund “der Traumata”, die sie im Zuge des Ermittlungsverfahrens erlitten habe, wolle sie keine Fragen der WKStA beantworten.

Auf die Frage, warum sie Beinschab die Nachricht “Bitte nichts verrechnen, ich darf nichts verdienen” gesendet hatte, antwortete Karmasin nur: “Ich bin mit diesem Thema leichtfertig umgegangen”. Einen Vortrag, den Karmasin im Mai 2018 hielt, also im letzten Monat, in dem sie noch Bezüge bekam, habe sie erst im Juni verrechnet, wie ihr der Richter vorhielt. “Das hab’ ich nicht gemacht, um wen zu täuschen, sondern weil ich dachte, dass man das Datum einträgt, in dem man sich gerade befindet”, so Karmasins Rechtfertigung. Und weiters: “Ich bin keine Buchhalterin.”

Bis zu drei Jahre Haft möglich

Der Prozess gegen Karmasin ist auf insgesamt drei Tage anberaumt. Bei einer Verurteilung drohen Karmasin bis zu drei Jahre Haft. Auch Beinschab wird als Zeugin befragt werden. Die Ex-Ministerin gab bei der Eingangsbefragung übrigens an, sich derzeit in Ausbildung zur Psychotherapeutin zu befinden und 300 Euro vom AMS zu erhalten.

Inseratencausa kein Thema

In den folgenden Tagen wird es hingegen nicht um die Inseratencausa gehen. Laut WKStA vernetzte Karmasin das Team Kurz und die Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner. Dadurch soll sie am Aufstieg ihres damaligen Ministerkollegen Sebastian Kurz zum Parteiobmann und schließlich ÖVP-Spitzenkandidaten durch mutmaßlich gekaufte positive Berichterstattung im Boulevard mitgewirkt haben. In diesem Zusammenhang ist das “Beinschab-Tool” bereits ein geflügelter Ausdruck geworden.

Die Umfrage-Causa wurde von Oberstaatsanwalt Adamo aber dennoch erwähnt. Karmasin habe von Dezember 2017 bis Mai 2018 beim “Beinschab-Österreich-Tool” ordentlich mitgeschnitten, indem sie Beinschab für deren Tätigkeiten in der ÖVP-Umfrage-Affäre pro Auftrag jeweils 20 Prozent an Provision und für vorgebliche Beratung in Rechnung stellte, betonte Adamovic: “Insgesamt hat sie in dieser Zeit rund 55.000 Euro verdient, also mehr als 11.000 Euro im Monat.” Trotzdem habe sie sich in dieser Zeit “sogar als Millionärin”, wie der Ankläger sich ausdrückte, ihre Bezüge fortzahlen lassen. “Sie sind kein Justizopfer. Sie sind auch kein Opfer der Medien”, erklärte Adamovic: “Die Opfer sind alle Steuerzahler, die Ihre Überbrückungshilfe bezahlt haben.”