Politische Mitte unter Druck: „Auch eine Krise der Demokratie“

Nicht nur ÖVP und SPÖ haben ein größeres Problem, warnt der Autor Oliver Scheiber.
SCHWARZACH Bei der Salzburger Landtagswahl haben ÖVP und SPÖ, aber auch Grüne und Neos verloren. Letztere sind sogar aus dem Landtag geflogen. Gewonnen haben Freiheitliche und Kommunisten. Die politische Mitte sei geschwächt, die politischen Ränder seien gestärkt worden, heißt es in zahlreichen Analysen und Kommentaren. Tatsächlich handelt es sich um eine Entwicklung, die nicht auf Salzburg begrenzt ist.
Der Autor Oliver Scheiber (55) hat gerade das Buch „Die Krise der Volkspartei – Konservative Wende oder konservatives Ende“ herausgegeben. Vor vier Jahren publizierte er über denselben Verlag („Bahoe Books“) das Werk: „Sozialdemokratie: Letzter Aufruf!“ Er ortet eine grundsätzliche Krise der Mitte, die auch eine Krise der Demokratie ist.
Le Pen könnte auf Macron folgen
„Der Zerfall alter Parteien wie der ÖVP und der SPÖ wäre per se nicht dramatisch, wenn er durch neue politische Kräfte oder Bewegungen der Mitte aufgefüllt würde“, meint er. Aber das gelinge in den wenigsten Staaten. In Italien sei auch 40 Jahre nach dem Untergang der Traditionsparteien keine große Kraft der Mitte vorhanden, die Regierung werde vielmehr von Neofaschisten geführt. In Frankreich hat es Emmanuel Macron zwar ins Präsidentenamt geschafft. Stand heute ist jedoch damit zu rechnen, dass ihm die extrem rechte Marine Le Pen nachfolgen wird.

Und in Österreich? „Mein Eindruck ist, dass SPÖ und ÖVP seit Jahren am Ende sind“, sagt Scheiber, der in den 2000er Jahren im Kabinett der damaligen Justizministerin Maria Berger (SPÖ) gearbeitet hat, heute Richter in Wien ist und sich über den Zustand von Demokratie und Rechtsstaat so besorgt zeigt, dass er nicht nur darüber schreibt, sondern etwa auch das Antikorruptionsvolksbegehren mitinitiiert hat.
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Die ÖVP habe ihren Zustand mit Sebastian Kurz zugedeckt. Der Preis sei hoch gewesen, sie habe sich dem Rechtspopulismus verschrieben und sei dabei geblieben. Bezeichnend sei, dass Ex-EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP) vor wenigen Tagen gegen eine Maßnahme, die dafür stehe, nämlich die Einstellung der Wiener Zeitung, lautstark protestiert hat, derlei in der Partei aber nichts mehr auslöst. Andererseits betont Scheiber, „nicht grundpessimistisch“ zu sein, was die Zukunft der ÖVP angelangt: Staatsverantwortliche Kräfte könnten sich wieder durchsetzen.
Bei der SPÖ sieht er im Rahmen der Mitgliederbefragung zumindest ein Ringen: „Jede Unruhe, jede leidenschaftliche Diskussion kann nur guttun. Das kann nicht schlecht ausgehen.“ Anders ausgedrückt: Selbst wenn es schlecht ausgehe, sei für die Partei nichts verloren. Dann sei vielmehr etwas geklärt.

Potenziale vorhanden
Potenziale in der Mitte wären vorhanden. Die Wahlerfolge von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigen laut Scheiber, „dass man ohne Populismus eine Mehrheit erlangen kann“. Umgekehrt hätten etwa die Kommunisten, die neben den Freiheitlichen groß gewonnen haben in Salzburg, hingewiesen, worauf es ankommt: bei den Leuten sein, im Alltagsleben stehen. „Mainstreampolitik“ habe das völlig verlernt. Bei ihr ortet Scheiber eher nur Wehleidigkeit. Sie glaube, tolle Dinge zu machen und sei empört darüber, dass es keine Dankbarkeit dafür gebe.
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