Ambulanzgebühr als Entlastungsmaßnahme? Forderung erhitzt die Gemüter

Rückkehr ist laut Minister aktuell kein Thema, doch Beteiligte sehen hohen Regelungsbedarf.
Schwarzach Rufe nach einer Rückkehr der Ambulanzgebühr lassen die Wogen hochgehen. Der Vorstoß aus der Angestellten-Kurie der Österreichischen Ärztekammer erntete vor allem eines: Empörung. In Vorarlberg verweisen Beteiligte im Gesundheitssystem auf die hohe Überlastung in den Ambulanzen. Überlegungen über Lenkungsmaßnahmen für die Patientenströme werde es geben müssen.

Keine Ausnahmen
Harald Mayer, zweiter Vizepräsident der ÖAK und Obmann der Bundeskurie für angestellte Ärzte, hat die Debatte angestoßen. In einem Gespräch mit der Tageszeitung „Presse“ forderte er einen Vollkostenersatz ohne Ausnahmen, sollten sich die Patientinnen und Patienten nicht an einen vorgegebenen Pfad halten. Ohne das Schreiben eines Haus- oder Facharztes beziehungsweise der Gesundheitshotline müssten sie nach seinen Vorstellungen sämtliche Kosten, die in der Ambulanz für Untersuchungen und Behandlungen anfallen, bezahlen, und zwar ohne Deckelung. Das könnten mitunter bis zu mehrere tausend Euro sein.

Diese Forderung sorgte für Kritik von mehreren Seiten. Schließlich ließ Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) wissen, dass es mit ihm zu keiner Rückkehr der Ambulanzgebühr kommen werde. Auch Vorarlbergs Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) hält das Instrument für ungeeignet, um den hohen Druck von den Ambulanzen abzufedern. “Es braucht jedenfalls Patienten-lenkende Maßnahmen. Dies über Gebühren zu regeln, ist aus unserer Sicht aber ausgeschlossen. Eine Zwei-Klassen-Medizin darf nicht forciert werden.” Rüscher zufolge ist ist ein ganzes Maßnahmenbündel notwendig, allen voran eine Stärkung der Versorgung im gesamten ambulanten Bereich.
In Österreich gab es zuletzt ab 2001 unter der damaligen schwarz-blauen Bundesregierung eine Selbstbeteiligung für Personen, die eine Spitalsambulanz aufsuchten. Mit ärztlicher Überweisung kostete es grundsätzlich 150, ohne 250 Schilling. Dazu kamen einige Ausnahmen. Schließlich hob der Verfassungsgerichtshof die Gebühr 2003 endgültig wegen Unrechtmäßigkeit auf.
„Am Anschlag“
Vorarlbergs Ärztekammerpräsident Burkhard Walla verweist im VN-Gespräch darauf, dass es sich beim Vorstoß Mayers nicht um eine Forderung des Vorstands der österreichischen Ärztekammer handle, sondern lediglich der Kurie der angestellten Ärzte. Ihm zufolge steht jedenfalls fest: Es gebe hohen Bedarf, überlastete Bereiche zu regeln. Einer davon sei das Ambulanzsystem. „Nicht nur die Ärztinnen und Ärzte, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege sind am Anschlag“, betont der Mediziner. Er sieht zwei Wege. „Entweder gibt es entsprechende Ressourcen, also Personal und Geld. Oder man führt Regeln für Patientinnen und Patienten ein, um das System zu entlasten. Andere Möglichkeiten existieren nicht.“ Letztlich handle es sich um eine gesellschaftliche und politische Entscheidung.

Der Vorarlberger Kammerpräsident hält es aus historischen Gründen für unwahrscheinlich, dass eine Ambulanzgebühr als Regulationsinstrument wieder eingeführt werde. Damit sei man schon einmal gescheitert. „Man muss sich intelligentere Möglichkeiten überlegen, wie man Patientenströme lenkt.“ Beispiele gebe es aus Deutschland und der Schweiz. In diesem Zusammenhang nennt er etwa eingeschriebene Hausarzt-Modelle, in denen die erste Anlaufstelle immer der jeweilige niedergelassene Hausarzt ist. Auch vorgeschaltete Filtermodelle mit einer verpflichtenden telefonischen oder elektronischen Rücksprache könnten Walla zufolge eine Möglichkeit sein. Diesbezüglich könnte die Gesundheitshotline 1450 eine wichtige Rolle spielen. „Die ausländischen Modelle haben aber kein Sanktionssystem hinterlegt, sondern Bonussysteme wie zum Beispiel eine Reduktion der Versicherungsprämien.“

Finanzielle Anreize für jene, die sich an die vorgegebenen Pfade halten und Filtermodelle mit einer vorgeschalteten Organisation nennt auch Christoph Jenny, Vorsitzender des ÖGK-Landesstellenausschusses als Möglichkeit. Die aktuelle Debatte zeige, dass die Patientenlenkung im österreichischen Gesundheitssystem nicht optimal funktioniere. „Dabei hätten wir mit der 1450 eine Anlaufstelle, die eine kompetente Gesundheitsberatung, eine Dringlichkeitseinschätzung und eine Empfehlung abgibt, was für den Patienten die richtige Anlaufstelle wäre.“ In die Ambulanzen kämen aber nicht nur Personen über die 1450, den niedergelassenen Bereich oder als Notfälle. „Probleme ergeben sich durch jene, die eine Selbsteinschätzung vornehmen, welche sich dann nicht als haltbar herausstellt“, sagt Jenny. „Über kurz oder lang werden wir an Lenkungsmaßnahmen nicht vorbeikommen.“

Gute Voraussetzungen für Vorarlberg
Auch Gerald Fleisch, Geschäftsführer der Krankenhausbetriebsgesellschaft KHBG hält „Überlegungen über positive Anreize“ für den richtigen Weg. Vorarlberg habe dafür gute Voraussetzungen, auch wegen der Kleinheit des Landes. Die Spitäler müssten entlastet werden, ist sich Fleisch sicher. „Ich habe auf meine Mitarbeitenden zu schauen. Wir sind bei über 400.000 ambulanten Frequenzen pro Jahr. Das ist eine gewaltige Zahl. Davon ist ein großer Teil nicht krankenhauspflichtig.“
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